Trotz der Lieferverzögerungen bei den Impfstoff-Lieferungen des Pharmakonzerns Pfizer sind am Freitag die Kreisimpfzentren (KIZ) in Baden-Württemberg an den Start gegangen. Allerdings konnte an allen Standorten nur mit angezogener Handbremse geimpft werden. Denn es wurde deutlich weniger Impfstoff geliefert, als ursprünglich erhofft und eingeplant.
Jedes der rund 50 Kreisimpfzentren im Land erhielt laut Gesundheitsministerium zum Start jeweils 1.170 Dosen. Die Hälfte davon wurde für die notwendige zweite Impfung gegen das Coronavirus zurückgehalten, daher konnte jedes Zentrum zunächst nur 585 Menschen pro Woche impfen. Diese Impfdosen müssen noch einmal auf Impfungen im Zentrum selbst sowie auf Impfungen durch die mobilen Impfteams in den Pflegeheimen verteilt werden. Deshalb dürfte es lediglich rund 150 Termine pro Woche und KIZ geben.
Auch in der Kurstadt Baden-Baden nahm am Freitag das Kreisimpfzentrum den Betrieb auf. Theoretisch wären dort pro Tag 750 Impfungen möglich. Der Leiter der Stabsstelle Corona in Baden-Baden, Maximilian Lipp, sagte dem SWR: "Derzeit haben wir eine Lieferung von etwa 1.200 Impfdosen bekommen, die in den nächsten zwei Wochen verimpft werden können." Daher werde das Impfzentrum zunächst nur an zwei Tagen pro Woche geöffnet sein - 450 Impfdosen der Lieferung sind für das mobile Impfteam bestimmt, das Seniorenheime in der Stadt ansteuern werde. Innerhalb einer halben Stunde seien nach der Freischaltung alle Impftermine für die ersten beiden Impftage vergeben gewesen, berichtete Lipp weiter.
Impfstoff-Mangel - Lieferengpässe bei Produzent Pfizer
Der Impfstoff-Mangel wird sich wohl zunächst noch verschärfen. Weil der Impfstoff-Produzent Pfizer die Liefermengen vorübergehend reduziert, bekommt Baden-Württemberg in der kommenden Woche nach SWR-Informationen 42 Prozent weniger Impfstoff als geplant - statt 111.000 Dosen wie in dieser Woche werden nur 64.000 Impfdosen geliefert. Unabhängig von der Einwohnerzahl bekommt jedes Impfzentrum in den Landkreisen die gleiche Menge. Aufgrund logistischer Zwänge sei es nicht möglich, eine Quotierung nach Einwohnerzahlen vorzunehmen, so ein Sprecher des Gesundheitsministeriums.
Landesregierung verteidigt Impfstrategie
Überhaupt steht Baden-Württemberg beim Impfen aktuell nicht besonders gut da: Bezogen auf 1.000 Einwohnerinnen und Einwohner liegt Baden-Württemberg im Ländervergleich auf dem letzten Platz. Doch die Landesregierung verteidigt ihre Impfstrategie. Es sei die richtige Entscheidung, 50 Prozent der Dosen für die zweite Impfung aufzuheben, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Donnerstag in Stuttgart in einer Sondersitzung des Landtags. "Ohne zweite Impfung erhöht sich die Gefahr, dass sich neue Mutationen des Virus herausbilden, die gegen den Impfstoff resistent sind", so Kretschmann. Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) ergänzte, Baden-Württemberg sei mittlerweile bei den Zweitimpfungen sogar Spitzenreiter.
Impfungen in BW: Alles andere als reibungslos
Dass in Baden-Württemberg grundsätzlich die Hälfte der Dosen für die notwendige zweite Impfung zurückgehalten wird, will der baden-württembergische FDP-Fraktionschef, Hans-Ulrich Rülke, nicht als Argument gelten lassen. Er verwies auf die Bundesländer, die diese Strategie auch verfolgten und dennoch nicht das Schlusslicht bilden würden.
Dass es Probleme gibt, bestreitet auch Kretschmann nicht. Er nannte Fehlbuchungen, falsche Dateneingaben und Probleme mit der Hotline. Aber: "Die Richtung stimmt." Man komme wie geplant voran. Zudem könne man wie geplant weiter impfen, während andere Bundesländer wegen der Lieferschwierigkeiten des Herstellers Biontech/Pfizer das Impfen einstellen müssten.
Doch neben Serverproblemen und überlasteten Hotlines ist der fehlende Impfstoff das Hauptproblem. Teilweise waren die Termine schon nach zwanzig Minuten ausgebucht. Man verwalte weiter einen "riesigen Mangel", es werde "sehr, sehr wenige Impftermine geben", hieß es aus dem Gesundheitsministerium.
Jeder soll eine Erst- und Zweitimpfung erhalten
Trotz aller Kritik hält die Landesregierung an ihrer Strategie fest. Baden-Württemberg habe sich bewusst dazu entschieden, die Hälfte der Lieferungen für die Zweitimpfung zurückzuhalten. "Unser Ziel ist es, dass jeder, der einen Termin vereinbart, auch wirklich die notwendige Erst- und Zweitimpfung erhält, obwohl unsere Impf-Infrastruktur deutlich mehr zulässt", sagte Lucha am Mittwoch.
Auf Kreisebene sollte eigentlich bereits ab dem 15. Januar geimpft werden, der Termin war aber mangels Impfstoffs verschoben worden. Ursprünglich hätten nach den Berechnungen des Ministeriums für die KIZ täglich bis zu 800 Impftermine vergeben werden können, in den zehn zentralen Impfzentren (ZIZ) jeweils weitere rund 1.500 Menschen pro Tag, abhängig von der Menge des Impfstoffs.