Baden-Baden ist der kleinste Stadtkreis in Baden-Württemberg mit knapp 55.000 Einwohnern. Doch im Verhältnis zur Einwohnerzahl hat die Stadt im letzten Jahr die meisten Geflüchteten aus der Ukraine aufgenommen, nämlich 2.261 Menschen. Das sind gut drei Prozent der Bevölkerung. Und die Herausforderungen werden auch in diesem Jahr nicht kleiner.
Bund sollte Regelungen weiter lockern
Pragmatisch mit den Gegebenheiten vor Ort umgehen – das ist seit einem Jahr die Strategie von Ordnungsbürgermeister Roland Kaiser. Ein Beispiel: Wenn der Dolmetscher nicht vereidigt ist, dann darf er trotzdem übersetzen. Kaiser begrüßt, dass die Kommunen seit einiger Zeit etwas mehr Spielraum haben, weil der Bund die entsprechenden Regelungen gelockert hat: "Wenn wir diese große Zahl bewältigen wollen, können wir das nicht in den Strukturen, die bisher gegolten haben und dann ist halt ein Raum für einen Sprachkurs mal vier Quadratmeter kleiner als die Vorgaben und wir haben dann eben auch Kursleitungen, die dann nicht das Zertifikat C4 haben, sondern bloß C3 und die können da auch helfen – anders ist das momentan nicht zu bewältigen."
Nicht zu lösen ist das Problem der Kinderbetreuung: Laut Kaiser sind unter den Geflüchteten allein 200 Kinder im Kindergartenalter, für die es keine Kitaplätze in Baden-Baden gibt. Die Schulkinder müssen notgedrungen in Vorbereitungsklassen, obwohl es für die Integration besser wäre, sie könnten in den Regelunterricht gehen. Doch dafür fehlten die Lehrer, so Kaiser.
Bund gibt vorerst nicht mehr Geld Flüchtlingsgipfel: Land und Kommunen in BW enttäuscht
Bessere Zusammenarbeit - aber nicht mehr Geld vom Bund, das ist das Ergebnis des Flüchtlingsgipfels. Baden-Württemberg will wenigstens Straftäter leichter abschieben können.
Baden-Baden hofft auf Erleichterungen durch Flüchtlingsgipfel
Helfen würden auch gelockerte Regeln bei der Unterbringung von Geflüchteten. Denn Wohnraum ist knapp in Baden-Baden, erklärt der Ordnungsbürgermeister. Und die Belastung der Mitarbeitenden in der Verwaltung sei besonders seit dem letzten Jahr hoch. Dabei hat Baden-Baden schon den Vorteil, dass es in der Stadtbevölkerung schon viele Menschen mit russischen und ukrainischen Wurzeln gab. Deshalb ist eine russischsprachige Infrastruktur vorhanden. Das ist zugleich auch der Grund für den starken Zuzug, denn viele Geflüchtete sind direkt zu Angehörigen und Freunden gereist.
Für die Stadtverwaltung bedeutet dies viel Mehraufwand, denn die Registrierung der Menschen aus der Ukraine liegt damit komplett in ihrer Verantwortung. Auch das ist ein Punkt, wo sich Ordnungsbürgermeister Kaiser eine Entlastung durch den Flüchtlingsgipfel wünschen würde - durch eine zentrale Registrierstelle.
Sozialgeld wurde anfangs bar ausgezahlt
Anfangs musste die Stadt das Sozialgeld noch in bar an die Schutz suchenden Menschen aus der Ukraine auszahlen. Ordnungsbürgermeister Roland Kaiser erinnert sich gut daran, wie vor einem Jahr in der Stadtverwaltung die alten Kassen aus dem Keller geholt und reaktiviert wurden. Denn die Geflüchteten hatten damals noch kein Konto in Deutschland. Das Geld musste vom Rathaus in der Innenstadt zur Sozialbehörde am Stadtrand transportiert werden. Aus Furcht vor Überfällen wurde auch ein Sicherheitsdienst beauftragt.
Hilfe und Unterstützung durch ehrenamtliche Helfer
Die israelitische Kultusgemeinde Baden-Baden hat viele russischsprachige Mitglieder und ist zu einer wichtigen Anlaufstelle geworden, sagt Irina Grinberg: "Die Leute, die da sind, brauchen Unterstützung. Wir begleiten zu Ärzten, wir helfen, verschiedene Formulare auszufüllen, Anträge zu stellen, wir geben verschiedene Auskünfte und gleichzeitig sind wir Ansprechpartner für die Leute, die in der Ukraine sind." Aber auch die ehrenamtlichen Helfer kommen langsam an ihre Grenzen. Manche hätten im vergangenen Jahr jedes Wochenende in der Flüchtlingsbetreuung gearbeitet. Erleichterungen durch den Flüchtlingsgipfel wären auch hier sehr willkommen.