Stadtbahnen stehen in einem Stadtbahndepot der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB). Die Gewerkschaft Verdi will mit Warnstreiks den öffentlichen Nahverkehr in zahlreichen Städten in mehreren Bundesländern lahmlegen. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Marijan Murat (Montage: SWR))

Kommentar zu den Warnstreiks in Baden-Württemberg

Ver.di und Fridays for Future protestieren zusammen: "The perfect match"

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Janina Schreiber

Gemeinsam machen sie es zum ersten Mal: Fridays for Future und die ver.di-Beschäftigen im ÖPNV demonstrieren für eine Verkehrswende. Eine gute Idee, wie Janina Schreiber aus der SWR-Umweltredaktion findet.

Ab und an, da schaue ich mir Realityshows an. Erst kürzlich zum Beispiel eine vom Streamingdienst Netflix. Die heißt "The Perfect Match" - also die perfekte Partie. Das Prinzip ist simpel: Man nehme mehrere Singles und steckt sie in eine pompöse Villa. Diese Singles müssen sich nun auf die Suche nach ihrem kompatibelsten Gegenpart machen.

Bild von Janina Schreiber, Redakteurin in der SWR-Umweltredaktion (Foto: Annkatrin Gentges)
Janina Schreiber

Tun sich zwei Singles zusammen und beweisen in einem Wettstreit, wie gut sie zusammenpassen, sind sie das perfekte Match. Und das hat Macht. Denn dieses Paar kann bestimmen, welche Impulse in der neuen Runde des Wettbewerbs gesetzt werden.

Problem nur: Die Anzahl der Singles ist begrenzt. Wenn es mein erträumtes Match hier in der Villa nicht gibt, bleibt mir keine andere Wahl, als mich mit meinen augenscheinlich unpassenden Mitmenschen zu beschäftigen, um voneinander zu profitieren.

 Nur auf den ersten Blick eine ungleiches Match

Ich glaube, genau das passiert gerade bei der gemeinsamen Demo von Fridays for Future (FFF) und den ÖPNV-Beschäftigten von ver.di. Auf den ersten Blick scheinen beide Bewegungen ein doch eher ungleiches Match. 

Die FFF-Bewegung ist außergewöhnlich jung, besteht zum großen Teil aus Gymnasiastinnen und Gymnasiasten der Mittel- und Oberschicht und mehr als jede zweite Person ist weiblich. Den Fridays for Futures geht es vornehmlich um den Klimaschutz, das Einhalten des 1,5-Grad-Limits. Doch die Wahrnehmung der Proteste scheint klar: Die protestieren halt fürs Klima. Da gibt es zwar konkrete Ideen, wie das Tempolimit, die geforderten 100 Milliarden für den Klimaschutz, auch das 9-Euro-Ticket - doch die Frage, ob die breite Masse das auch unterstützen würde, schien bislang unbeantwortet. Und die Klimakleber haben dem Klimaprotest allgemein ein eher radikaleres Image verschafft, unter dem nun auch Fridays for Future zu leiden droht.

 Gewerkschaft ver.di fehlt es an Nachwuchs

Ver.di hingegen, das sind ehrliche Arbeiterinnen und Arbeiter: Müllmänner, Reinigungspersonal, Köche, Postzustellerinnen und – wie heute bei der Demo – Bus- und Straßenbahnfahrer. Die wollen einfach eine faire Bezahlung für geleistete Arbeit. Da geht es um konkrete Forderungen, rund 10 Prozent mehr Gehalt, da weiß man, was auf dem Verhandlungstisch liegt. Doch auch bei ver.di läufts nicht nur rund: Die zweitgrößte Gewerkschaft Deutschlands kämpft damit, Nachwuchs zu generieren.

Für mich klingt der gemeinsame Protest heute deshalb wie eine Win-Win-Situation, also das perfekte Match auf den zweiten Blick.

Die Fridays-for-Future-Bewegung fordert ein Verlagern, weg vom Auto, hin zu Bus und Bahn. Mit den ÖPNV-Beschäftigten von ver.di schafft es die Klimabewegung, die ins Boot zu holen, die von der Umsetzung dieser Forderung direkt betroffen wären: die ÖPNV-Beschäftigen. Und siehe da: Auch die sagen, wir bringen euch gerne noch öfter von A nach B, am liebsten mit Elektrobussen, dafür wollen wir aber auch besser bezahlt werden. 

 Ver.di kann auch profitieren

Natürlich könnte man jetzt zurecht argumentieren: Das ist doch pures Lobbying. Der gemeinsame Protest ist für ver.di eine Verjüngungskur, und die ins radikale Milieu gerutschten Klimaprotestler können sich mit ver.di einen seriöseren Anstrich verleihen.

Ich denke, klar können auch diese Gewinne eine Rolle spielen. Doch eigentlich kann uns doch egal sein, aus welchem Grund beide zusammengekommen sind. Letzten Endes schafft das Protest-Bündnis es, uns einen konkreteren Vorschlag als bisher zu unterbreiten, wie eine Säule der Verkehrswende funktionieren könnte. Das Bündnis zeigt uns den großen Zusammenhang von Klimaschutz und Sozialpolitik am Beispiel des Verkehrssektors - in Deutschland das absolute Schlusslicht beim Blick auf die Klimabilanz.

Diese augenscheinlich unterschiedlichen Singles können auf die Art gemeinsam Impulse setzen, da sie sich zusammentun! Ich denke, wir müssen mitten in der Klimakrise beständig auf der Suche nach eben diesen Bündnissen sein, um damit mindestens Impulse zu setzen. Gerne also mehr davon. Für die nächste Demo würde ich also einen neuen Single im Haus begrüßen wollen: Wie wäre es denn zum Beispiel mit der Landwirtschaft?

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