Boris Palmer (Grünen), Oberbürgermeister der Stadt Tübingen, bei einem Interview. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Sebastian Gollnow (Montage: SWR))

Tübinger OB lässt Mitgliedschaft ruhen

Vergleich im Parteiausschlussverfahren: Grüne zeigen Boris Palmer den Schweigefuchs

STAND
AUTOR/IN
Iris Volk

Die Grünen geben Boris Palmer Zeit, über sein Verhalten nachzudenken. Ob das von Erfolg gekrönt ist, bleibt abzuwarten. Ein Kommentar zur Einigung im Parteiausschlussverfahren.

Mit dem Schweigefuchs-Handzeichen lernen Kinder im Kindergarten, wann es Zeit ist, still zu sein und anderen zuzuhören. Die Grünen wollen diese Fähigkeit offenbar jetzt noch ihrem Enfant terrible Boris Palmer beibringen. Über eineinhalb Jahre Zeit bekommt er dafür, denn solange soll seine Mitgliedschaft in der Partei ruhen. In der Zwischenzeit wollen die Beteiligten darüber sprechen, wie Kommunikation - auch kontroverse Kommunikation - in Zukunft besser klappen kann.

Palmers Äußerungen in Teilen menschenverachtend

Allerdings war Palmers Kommunikation nicht nur kontrovers. Sie war - in Teilen - rassistisch und menschenverachtend. Bei solchen Sprüchen geht es nicht darum, sie irgendwie anders zu kommunizieren. Es geht darum, sich einfach gar nicht mehr so zu äußern. Vor allem in einer Partei, die sich Diversität und Wertschätzung aller Menschen in dicken Lettern auf die Fahnen geschrieben hat.

Iris Volk aus der SWR Redaktion Landespolitik. (Foto: SWR)
Iris Volk aus der SWR-Redaktion Landespolitik kommentiert die Einigung der Grünen mit Boris Palmer.

Palmer zieht bei Wählerinnen und Wählern

Warum jetzt also überhaupt noch eine zweite Chance für Palmer? Eine größere Rolle bei der Entscheidung dürfte gespielt haben, dass die Beliebtheit des Tübinger Oberbürgermeisters bei den Wählerinnen und Wählern ungebrochen ist. Die Grünen konnten ihm seine Ausfälle zwar nicht mehr durchgehen lassen, sie mussten zumindest ein Zeichen setzen. Aber das Praktische an dem Konstrukt mit der ruhenden Mitgliedschaft ist: Die Partei behält ihn trotzdem als Zugpferd. Wenn das Experiment gelingt, könnte er die Wahl in Tübingen im Herbst als Schattengrüner gewinnen, um Ende 2023 dann geläutert, mit frischem grünen Anstrich, wieder als vorzeigbarer Vertreter grüner Kommunalpolitik durchzustarten.

WENN das Experiment gelingt. Wenn die Beteiligten tatsächlich eine Möglichkeit finden, Palmers Kommunikationsbedürfnis zu kanalisieren.

Tübinger OB hält sich demonstrativ zurück

An diesem Wochenende der Anhörung zu seinem Fall hat sich der Tübinger schon spürbar zurückhaltend gegeben. Schon das dürfte ihm schwergefallen sein. Er muss jetzt noch mehr als eineinhalb Jahre durchhalten. Er muss einen ganzen Wahlkampf durchstehen, ohne die üblichen Aufreger-Schlagzeilen zu produzieren. Mit dem Handy in der Hand, mit der Versuchung immer nur einen Klick entfernt. Der Schweigefuchs hat eine harte Zeit vor sich.

Mehr zum Thema

Tübingen

Parteiausschluss vorerst abgewendet Tübinger OB Palmer lässt Grünen-Mitgliedschaft ruhen - Landesvorstand einverstanden, Grüne Jugend übt Kritik

Der Grünen-Politiker Palmer eckt bei seiner Partei immer wieder mit provokanten Aussagen an. Ein Parteiausschluss des Tübinger OBs ist abgewendet - doch der Streit schwelt weiter.

Tübingen

Mitgliedschaft soll ruhen Parteiausschlussverfahren: Grünen-Schiedsgericht schlägt Vergleich mit Palmer vor

Im Mai hatten die baden-württembergischen Grünen beschlossen, dass sie Palmer aus der Partei werfen wollen. Das Schiedsgericht schlägt nun einen Vergleich vor. Tübingens OB reagierte schnell.

Tübingen

Soll er nochmal Oberbürgermeister in Tübingen werden? Der geniale Egomane Palmer spaltet die Grünen

Palmer fällt seit Jahren auf - zum Beispiel durch ausländerfeindliche Kommentare. Andere verweisen auf sein politisches Talent. Soll er nochmal für die Tübinger OB-Wahl antreten?

Tübingen

Breite Unterstützung für Tübinger Oberbürgermeister Viele Grüne gegen einen Parteiausschluss von Boris Palmer

Im Streit um einen Parteiausschluss bekommt Boris Palmer erstmals breitere Rückendeckung. Über 500 Grüne haben einen entsprechenden Aufruf unterzeichnet.

STAND
AUTOR/IN
Iris Volk