Mit dem Schweigefuchs-Handzeichen lernen Kinder im Kindergarten, wann es Zeit ist, still zu sein und anderen zuzuhören. Die Grünen wollen diese Fähigkeit offenbar jetzt noch ihrem Enfant terrible Boris Palmer beibringen. Über eineinhalb Jahre Zeit bekommt er dafür, denn solange soll seine Mitgliedschaft in der Partei ruhen. In der Zwischenzeit wollen die Beteiligten darüber sprechen, wie Kommunikation - auch kontroverse Kommunikation - in Zukunft besser klappen kann.
Palmers Äußerungen in Teilen menschenverachtend
Allerdings war Palmers Kommunikation nicht nur kontrovers. Sie war - in Teilen - rassistisch und menschenverachtend. Bei solchen Sprüchen geht es nicht darum, sie irgendwie anders zu kommunizieren. Es geht darum, sich einfach gar nicht mehr so zu äußern. Vor allem in einer Partei, die sich Diversität und Wertschätzung aller Menschen in dicken Lettern auf die Fahnen geschrieben hat.

Palmer zieht bei Wählerinnen und Wählern
Warum jetzt also überhaupt noch eine zweite Chance für Palmer? Eine größere Rolle bei der Entscheidung dürfte gespielt haben, dass die Beliebtheit des Tübinger Oberbürgermeisters bei den Wählerinnen und Wählern ungebrochen ist. Die Grünen konnten ihm seine Ausfälle zwar nicht mehr durchgehen lassen, sie mussten zumindest ein Zeichen setzen. Aber das Praktische an dem Konstrukt mit der ruhenden Mitgliedschaft ist: Die Partei behält ihn trotzdem als Zugpferd. Wenn das Experiment gelingt, könnte er die Wahl in Tübingen im Herbst als Schattengrüner gewinnen, um Ende 2023 dann geläutert, mit frischem grünen Anstrich, wieder als vorzeigbarer Vertreter grüner Kommunalpolitik durchzustarten.
WENN das Experiment gelingt. Wenn die Beteiligten tatsächlich eine Möglichkeit finden, Palmers Kommunikationsbedürfnis zu kanalisieren.
Tübinger OB hält sich demonstrativ zurück
An diesem Wochenende der Anhörung zu seinem Fall hat sich der Tübinger schon spürbar zurückhaltend gegeben. Schon das dürfte ihm schwergefallen sein. Er muss jetzt noch mehr als eineinhalb Jahre durchhalten. Er muss einen ganzen Wahlkampf durchstehen, ohne die üblichen Aufreger-Schlagzeilen zu produzieren. Mit dem Handy in der Hand, mit der Versuchung immer nur einen Klick entfernt. Der Schweigefuchs hat eine harte Zeit vor sich.