Bild-Montage: Abgase aus einem Auto mit dem Schriftzug Kommentar (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Marijan Murat / Montage: SWR)

EuGH-Entscheidung zum Abgasskandal

Kommentar zu Thermofenstern: EU-Gericht kann ganz schön streng sein

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Gigi Deppe
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Fabian Töpel

Auf dieses Urteil haben viele gewartet. Nicht nur Autobesitzer, sondern sicher auch die Manager von vielen europäischen Autoherstellern. Ein Kommentar von Rechtsredakteurin Gigi Deppe.

Es war dringend notwendig zu klären, ob wir Bürgerinnen und Bürger uns eigentlich auf die europäischen Gesetze praktisch berufen können oder ob die Regeln zur Abgasreinigung nur ganz allgemein gelten, dem Einzelnen aber kein Rechte geben.

Auch Autobesitzer können aktiv werden

Die gute Nachricht ist, dass der EuGH findet: Auch ich als Autobesitzerin kann aktiv werden. Vor allem, weil ich beim Neuwagenkauf sogar ein Papier ausgehändigt bekomme, mit dem bescheinigt wird, dass das Auto dem entspricht, was das EU-Recht vorgibt.

Damit ist noch nicht sicher, dass ich im Ernstfall vor Gericht Recht bekäme. Denn vielleicht könnte der Hersteller meines Autos belegen, dass es unbedingt notwendig war für meine Sicherheit, dass bei bestimmten Temperaturen die Abgasreinigung ausgesetzt wurde. Aber ich darf überhaupt mir Hoffnungen machen - wer weiß, ob meine Klage nicht doch Erfolg hätte. Der EuGH hat heute noch mal gesagt: Abgasreinigung ausnahmsweise aussetzen? Da sind wir grundsätzlich streng, das ist eher nicht erlaubt.

Jetzt liegt der Ball beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe

Der Bundesgerichtshof als oberstes deutsches Zivilgericht hatte die Klagen von Kunden in diesem Punkt bisher zurückgewiesen. Nun gut, unterschiedlichen Sichtweisen sind möglich. Aber er hat noch nicht einmal beim EuGH angefragt, ob er die europäischen Regeln eigentlich richtig versteht. Auch bei der Frage, ob sich die Käufer die gefahrenen Kilometer anrechnen lassen müssen, ob es dann weniger Geld gibt, haben die Richter und Richterinnen in Karlsruhe gemeint, das selbst entscheiden zu können. Und das, obwohl andere Untergerichte schon längst in Luxemburg angefragt hatten. Wer vor dem BGH klagte, hatte Pech. Die Bundesrichter meinten, sie bräuchten nicht auf eine europäische Entscheidung zu warten, es sei glasklar, dass die Käufer leer ausgehen.  Das war ein echter Fehler.

Justiz ist gefordert

Natürlich wird die deutsche Justiz nicht "juhu" schreien angesichts des heutigen Urteils. Schon jetzt sind viele Gerichte lahmgelegt mit den Dieselklagen. Ein Heer von spezialisierten Anwaltskanzleien hat in der Vergangenheit massenhaft Klagen eingereicht wegen der Betrugssoftware von VW. Und dazu kommen jetzt alle, die sich ermutigt fühlen, wegen des Thermofensters zu klagen. Das können Tausende sein, da viele europäische Autobauer früher mit dem Thermofenster gearbeitet haben. Man kann die Richterinnen und Richter gut verstehen, die sich von diesen vielen Klagen überrollt fühlen und angesichts der Prozessflut am liebsten in den Ruhestand flüchten würden. Trotzdem. Eines muss man sich immer klar machen: Die Kunden haben das Problem nicht verursacht. Es waren die Autohersteller, die ganz offensichtlich so manche europäische Vorschriften zum Umweltschutz nicht richtig ernst genommen haben. Das sollte man sich auch in anderen Wirtschaftszweigen merken: Das oberste Gericht der EU kann ganz schön streng sein.

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