Stellen Sie sich vor, in Ihrer Firma herrscht Personalmangel. Sie haben einen anstrengenden Job, viel Kontakt zu Menschen, es ist oft laut, kognitiv und emotional fordernd. So gut wie alle Mitarbeitenden machen Überstunden, viele arbeiten sehr engagiert.
Die Chefin weiß das alles und gelobt immer wieder, die Probleme jetzt anzugehen. Aber jetzt, vor den langen Betriebsferien, werden einige Mitarbeitende entlassen, bekommen sechs Wochen lang kein Geld. Danach arbeiten sie aber wieder. Klingt verrückt? Sowas gibt’s doch gar nicht, sagen Sie?
Doch, willkommen in der Schule in Baden-Württemberg. Hier werden schon seit Jahrzehnten Lehrkräfte vor den Sommerferien vor die Tür und danach wieder vor die Tafel gesetzt. Baden-Württemberg ist dabei bundesweit Spitzenreiter. Besonders bitter: Gerade junge Lehrkräfte trifft es. Bei Referendaren ist die Praxis der Normalfall. Gerade die Jungen sollen es sich leisten können, sechs Wochen kein Gehalt zu bekommen?
Vor allem junge Lehrkräfte sind betroffen
"Unwürdig" nennt die Lehrergewerkschaft VBE das. Und sie hat Recht. Denn damit wird auch ein Signal gesendet: Ihr seid nicht so wichtig, Urlaubsgeld habt ihr nicht verdient. Wertschätzung sieht anders aus. Dabei müsste das Kultusministerium gerade das gegenteilige Signal senden. Denn der Lehrkräftemangel wird immer schlimmer.
Grundschulleiterinnen berichten, sie seien verzweifelt und wüssten nicht, wie sie den Unterricht im kommenden Jahr überhaupt gewährleisten können. Ich finde, das dürfte es in Baden-Württemberg nicht geben. Als die Kultusministerin vor fast anderthalb Jahren ins Amt kam, hatten viele in der Lehrerschaft Hoffnung: Eine Grüne - die wird’s doch jetzt richten!
Bezahlung würde 15 Millionen Euro im Jahr kosten
Theresia Schopper (Grüne) hatte sogar angekündigt, die Sommer-Arbeitslosigkeit abzuschaffen. Und jetzt? Habe man kein Geld dafür. 15 Millionen würde es jährlich kosten, die Lehrkräfte durch zu bezahlen. Andere Bundesländer schaffen das übrigens längst.
Zurück zum Gedankenspiel vom Anfang: Ihre Firma ist also knapp bei Kasse - dafür kann man Verständnis haben inmitten dieser Krisenzeiten. Doch das Problem ist ja viel älter. Für die frustrierten und immer wieder hingehaltenen Mitarbeitenden gibt es jetzt wieder zwei Möglichkeiten: Sie wechseln die Firma, was die Personalnot weiter verschlimmert, oder sie bleiben, vermutlich mit gedrückter Moral. Eine gute Chefin würde alles daransetzen, beides zu verhindern.