Zahlreiche Menschen nehmen an einer Demonstration von "Fridays for Future" teil. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Christoph Schmidt)

Einschätzungen von SWR-Umweltexperte

Klimastreik von Fridays for Future: Tut BW genug für den Klimaschutz?

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Werner Eckert
Werner Eckert (Foto: SWR, SWR1 -)

Am weltweiten Klimaprotest haben am Freitag Zehntausende Menschen auch in Baden-Württemberg teilgenommen. Wo steht das Land beim Klimaschutz? SWR-Umweltexperte Werner Eckert ordnet ein.

Hinter den Protesten der Fridays for Future-Bewegung steht die Einhaltung des Pariser Klimaziels. Was sind die konkreten Forderungen der Klimabewegung, um dieses Ziel zu erreichen?

Fridays for Future (FfF) sagen ja immer, sie fordern nur, dass man wissenschaftlichen Erkenntnissen folgt. Und die übersetzen sie so: Der Weltklimarat IPCC hat dargelegt, dass es sinnvoll ist, den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad zu begrenzen, weil dann die Folgen mutmaßlich beherrschbar bleiben. Ein "fairer Anteil" Deutschlands an diesem gemeinsamen, globalen Ziel wäre es dann, wenn wir 2035 klimaneutral sind. Um das zu erreichen, müsste der Kohleausstieg auf 2030 vorgezogen werden und 2035 müsste dann die gesamte Energie aus Erneuerbaren Quellen stammen. Genau das sind die Kernforderungen. 

Wie ist es hier in Baden-Württemberg? Teilt die Landesregierung die Ziele? Welche Ziele hat sie selbst?

Die Grünen und die CDU haben in ihrem neuen Koalitionsvertrag 2040 als Jahr der Klimaneutralität für das Land festgelegt. Das liegt also zwischen dem, was FfF fordern und dem, was im Klimaschutzgesetz des Bundes steht: 2045. Den Kohleausstieg will das Land so schnell sehen wie die Klimabewegung. Beide fordern 2030 als Enddatum, im Kohleausstiegsgesetz steht 2038. Allerdings bleibt das Land die Antwort auf die Frage schuldig, woher dann der Strom kommen soll. Es gibt kein aktuelles Ausbauziel für Erneuerbare Energien. Mit aktuell circa 31 Prozent liegt Baden-Württemberg deutlich unter dem Bundesdurchschnitt von knapp 50 Prozent.  

Nur teilweise umgesetzt hat die Koalition eine FfF-Forderung speziell für Baden-Württemberg: Nur die großen Städte sind zu einer Wärme- und Kälteplanung verpflichtet - und nicht alle Gemeinden. Und beim öffentlichen Nahverkehr gibt es zwar ehrgeizige Ausbauziele, aber eine Nahverkehrsabgabe ist nicht vorgesehen und auch für den Neubau von Landes- und Kreisstraßen gibt es weiter Geld.  

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Baden-Württembergs Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) nennt den aktuellen Bericht des Weltklimarats einen Mahnruf. Es müsse jetzt gehandelt werden.

Ziele sind das eine, Maßnahmen das andere. Wenn wir auf die letzten Jahre zurückblicken, ist es realistisch, dass Baden-Württemberg die selbst gesteckten Ziele erreichen wird?

Zentral ist für das Land sicherlich die Frage, ob der Ausbau der Erneuerbaren Energien gelingt. Biomasse und Wasserkraft bringen die Hälfte des Erneuerbaren Stroms. Das Potenzial dürfte aber ziemlich ausgereizt sein. Mit der Solarpflicht auf Neubau-Dächern wird die Photovoltaik noch einmal deutlich vorankommen. Auch das war übrigens eine speziell an Baden-Württemberg gerichtete Forderung der FfF. Aber bei der Windkraft ist das nach wie vor schwierig. Schwierig abzuschätzen, was es bringt, wenn nun zwei Prozent der Landesfläche für Windräder und Solaranlagen vorgesehen sind und wie viele auf den zusätzlichen Flächen im Staatswald und auf landeseigenem Gelände gebaut werden. Die Landesregierung hat sich da auch eine Hintertür offen gehalten. Wenn das mit dem Ausbau nicht klappt, dann sollen bestehende Kraftwerke auf Gasbetrieb umgerüstet werden.

Die Politik allein wird das Klima nicht retten. Welche anderen Akteure gibt es im Land? Sind sie vielleicht sogar weiter als die Politik? Große Stromversorger, Unternehmen, Kommunen?

Tatsächlich will die Energieversorgung Baden-Württemberg (EnBW) bis 2035 klimaneutral sein und klimaneutralen Strom produzieren. Eine Reihe von Kommunen haben ebenfalls solche Ziele. Das geht von oben nach unten durch. Der Bund kann ja auch nicht im Alleingang die Energiewende umsetzen. Aber er kann einen politischen Rahmen definieren. Das versetzt dann wieder Länder und Unternehmen in die Lage, ihre Ziele auch faktisch einzuhalten. Das ist kompliziert und wir nehmen ja auch wahr, dass es in der Praxis häufig ruckelt und ganz und gar nicht so geschmeidig läuft, wie das auf dem Papier aussieht. Beispiel: Das Kohlekraftwerk Rostock gehört mit knapp mehr als 50 Prozent der EnBW. Die wiederum gehört dem Land Baden-Württemberg. Formal darf das Land zwar keinen Einfluss nehmen, aber wie ist das politisch zu werten? 

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Zum Schluss jede und jeder Einzelne. Wie steht Baden-Württemberg in diesem Punkt da? Lassen die Menschen im Land häufiger ihr Auto stehen, fliegen weniger Menschen weite Strecken in den Urlaub und achten sie auch bei ihrer Ernährung auf den Klimaschutz? Oder klafft Anspruch und Wirklichkeit immer weiter auseinander?

Zumindest kommen beide nicht zusammen. Obwohl die Autos zum Beispiel - zumindest auf dem Papier - immer "sparsamer" werden, wirkt sich das in der Praxis nicht aus, weil wir immer stärkere, größere, besser ausgestattete und damit schwerere Modelle kaufen. Auch beim Wohnen werden Vorteile durch bessere Heizungen oft aufgefressen. Das geschieht dadurch, dass unsere Wohnungen und Häuser größer werden. Im Alltag gibt es viele Stellschrauben, wo auch der Einzelne was tun kann. Die Reihenfolge ist einfach. Bei einer einzigen Flugreise auf die Kanaren kommen leicht mal 1,5 Tonnen CO2 auf das persönliche Konto. 10.000 Kilometer Autofahren im Jahr gehen in die gleiche Größenordnung. Wer intensiver Fleischesser ist und auf Vegetarier umstellt, der kann etwa 600 Kilogramm im Jahr einsparen. Wenn er Veganer wird, sogar bis zu einer Tonne.  

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