Hatte die baden-württembergische FDP-Fraktion bislang nur Bedenken geäußert, so hat sie sich auf ihrer Klausurtagung nun einstimmig gegen die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht ausgesprochen. Man sei der Überzeugung, dass das derzeit nicht durchführbar sei, sagte Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke. "Wir haben zumindest noch kein Modell gesehen, das auch nur im Entferntesten funktionieren könnte." Rülke forderte im Kampf gegen Corona eine FFP2-Maskenpflicht im öffentlichen Nahverkehr und wegen Datenschutz-Problemen ein Ende der Luca-App.

Grünen-Fraktionschef übt scharfe Kritik
Der Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz kritisiert das Nein der FDP-Fraktion scharf. Rülke habe sich als Meinungsdarsteller blamiert, sagte der Politiker am Freitag in Stuttgart. Er bezeichnete die Absage der FDP als "wahnwitzig und absurd". Weiter sagte er mit Blick auf den Bund, dass das "Regierungsblut" auf FDP-Bundeschef Christian Lindner übergegangen sein möge, auf Rülke aber mit Sicherheit nicht. "Herr Rülke schmollt weiterhin in der Oppositionsecke", so Schwarz.
SPD kritisiert FDP-Beschluss - und fordert konsequentere Impfkampagne
SPD-Fraktionschef Andreas Stoch hält die Absage der FDP-Fraktion in Baden-Württemberg an eine allgemeine Impfpflicht gegen das Coronavirus für eine "falsche politische Festlegung". Er habe den Eindruck, dass die eindeutige Haltung der liberalen Abgeordneten im Landtag nicht die Meinung der gesamten Bundes-FDP widerspiegele, sagte Oppositionsführer Stoch am Donnerstag in Stuttgart. Deshalb gehe er auch nicht davon aus, dass die Position der FDP-Landtagsfraktion bei der Entscheidung im Bundestag eine große Rolle spielen werde.

Mit Blick auf die Demonstrationen von Kritikern der Pandemie-Maßnahmen verlangte Stoch einen "Sonderstab Corona-Extremismus" und mehr Unterstützung der Kommunen im Vorgehen gegen die Proteste. Um die Impfquote in Baden-Württemberg zu erhöhen, schlägt die SPD-Fraktion eine landesweite Informationskampagne vor. Mit Broschüren an alle Haushalte, Plakataktionen und Flyern an Windschutzscheiben könne man der Desinformation entgegenwirken, so Stoch. Demgegenüber sei die Werbeaktion "The Länd" fehlgeleitetes Geld.
Ein Sprecher des Sozialministeriums erklärte, eine solche Kampagne gebe es mit "#DranbleibenBW" längst. Informationen seien in vielen Sprachen verfügbar. Über die Sozialen Medien würden diese ausgespielt. "Auch die SPD ist aufgerufen, die Kampagne konstruktiv zu unterstützen und die Informationen in ihren Kanälen zu teilen", so der Sprecher.
Die SPD-Fraktion forderte außerdem eine konsequentere Sachaufklärung in Bezug auf die Vorwürfe von sexueller Belästigung bei der baden-württembergischen Polizei. Man sehe die Geschehnisse mit großer Besorgnis, so Stoch. Man müsse erfahren, wie weit das Phänomen reiche. Es deute sich an, dass es nicht nur um Einzelfälle gehe.
Anonymes Schreiben an Polizeipräsidentin Nach Vorwürfen sexueller Übergriffe: Ermittlungen gegen Ex-Polizeiausbilder
Ein Ausbilder, der seine Machtstellung ausnutzt, um sich betrunkenen
Polizeischülerinnen aufzudrängen - wegen dieser Vorwürfe in Baden-Württemberg ermittelt jetzt die Staatsanwaltschaft.
AfD verteidigt unangemeldete Corona-Proteste
Die AfD-Fraktion sieht die unangemeldeten Proteste gegen die staatlichen Corona-Maßnahmen nicht als rechtswidrig an. "Jeder Bürger hat das Recht, sich hier zu versammeln, auch unangemeldet sich zu versammeln", so Fraktionschef Bernd Gögel. Der Abgeordnete Emil Sänze sagte, es sei normal, dass sich das "Volk entlädt über solche Spaziergänge". Außerdem bekräftigten die Abgeordneten der AfD ihr Nein zu einer allgemeinen Impfpflicht.

Um das Land im Bildungsvergleich weiter nach vorne zu bringen, fordert die AfD-Landtagsfraktion ein verpflichtendes Vorschuljahr für Kinder in Baden-Württemberg. Einen entsprechenden Vorschlag beschloss die Fraktion auf ihrer Klausurtagung. Den Gesetzesentwurf wollen die AfD-Abgeordneten in den kommenden Wochen in den Landtag einbringen, sagte Gögel am Donnerstag. Gegen die Stimmen der Regierungsmehrheit kann er dort allerdings nicht beschlossen werden.