Polizei ermittelt (Symbolbild) (Foto: dpa Bildfunk, Picture Alliance)

Für umstrittene Polizeieinsätze

Tod nach Polizeikontrolle in Mannheim: BW-Polizeipräsidentin will keine bundesweite Ermittlungsstelle

Stand

Die baden-württembergische Polizeipräsidentin hält eine Sonderermittlungsstelle für umstrittene Polizeieinsätze nicht für nötig. Eine solche wird immer wieder gefordert.

Um besonders umstrittene Polizeieinsätze aufzuklären, ist nach Ansicht der baden-württembergischen Landespolizeipräsidentin Stefanie Hinz keine bundesweite Ermittlungsstelle nötig. "Ich sehe den Mehrwert nicht", sagte Hinz dem "Mannheimer Morgen" (Donnerstag). Die Ermittlungen in solchen Fällen - nach denen immer wieder der Ruf nach einer übergeordneten Ermittlungsstelle komme - seien beim Landeskriminalamt und der Staatsanwaltschaft gut aufgehoben. Eine Gefahr der Befangenheit sehe sie nicht. "Die Polizei führt Ermittlungen im Auftrag der Staatsanwaltschaft durch. Diese ist Herrin des Verfahrens. So ist die Neutralität gewährleistet."

Beschwerden über die Polizei: Bürgerbeauftragte hilft

Bei Beschwerden über die Polizei könnten sich die Menschen auch an die Bürgerbeauftragte beim Landtag wenden. "Das bestehende Disziplinar-, Straf- und Amtshaftungsrecht bietet ein ausreichendes Instrumentarium, Fehlverhalten von Polizistinnen und Polizisten zu ahnden", sagte ein Sprecher des Innenministeriums.

Mann stirbt nach Polizeieinsatz in Mannheim

Erst Anfang Mai hat es in Mannheim einen solchen umstrittenen Polizeieinsatz gegeben. Am 2. Mai war dort ein 47-Jähriger nach einer Polizeikontrolle im Krankenhaus gestorben. Im Internet kursieren Videos, die den Einsatz zeigen sollen. Darin schlägt ein Beamter auf den Kopf eines am Boden liegenden Mannes ein. Diese Filmsequenzen sowie weitere Hinweise von Zeuginnen und Zeugen werden aktuell von Ermittlungsbehörden untersucht. Nach früheren Behördenangaben zeigte die Leiche des Mannes Spuren stumpfer Gewalt, die aber "von geringer Intensität gewesen" seien. Die genaue Todesursache des Mannes ist bislang unklar.

 

Mannheim

Todesursache wichtigste offene Frage Toter nach Polizeieinsatz in Mannheim: Was wir wissen und was nicht

Der Tod eines Mannes nach einem Polizeieinsatz in Mannheim hat heftige Kritik ausgelöst. Die Polizei verspricht Offenheit und Aufklärung. Viele Fragen sind noch offen.

Hinz sagte dazu: "Unmittelbarer Zwang sieht nie schön aus, da die Maßnahmen immer gegen den Willen der Person ausgeführt werden. Die Polizei darf diesen Zwang in bestimmten Situationen und unter bestimmten Voraussetzungen ausüben." Jetzt sei es wichtig zu schauen, "ob das gerechtfertigt war. Wenn nicht, dann wird das auch geahndet". Bisher hätten sich die beiden Polizeibeamten noch nicht zur Sache geäußert. Sie hätten die gleichen Rechte wie alle Beschuldigten in einem Strafverfahren: "Es steht ihnen frei, Angaben zu machen oder auch nicht."

 Polizei-Ausbildung soll geändert werden

Die Präsidentin kündigte allerdings Änderungen in der Polizisten-Ausbildung an, die schon vor dem Vorfall in Mannheim geplant gewesen seien. Es gehe darum, "in der Ausbildung die Kolleginnen und Kollegen für Themen wie Rassismus, Antisemitismus oder Antiziganismus zu sensibilisieren. Dazu gehört zum Beispiel auch, wie die Polizei zwischen 1933 und 1945 mit Minderheiten wie Sinti und Roma umgegangen ist - was diese Minderheiten bis heute prägt". Zugleich müsse man auch die Kolleginnen und Kollegen stark machen gegen Vorwürfe und Dinge, mit denen sie täglich im Dienst konfrontiert werden. "Denn der Dienst ist gerade in so hoch belasteten Innenstadtrevieren wie dem in Mannheim nicht immer einfach."

Innenministerium: 2022 bislang 130 Anzeigen wegen Polizeigewalt

Einer aktuellen Abfrage des Innenministeriums zufolge gab es bislang in diesem Jahr (Stand 30. April) in Baden-Württemberg 130 Strafanzeigen gegen Polizistinnen und Polizisten wegen Vorwürfen von Polizeigewalt. 2021 waren es insgesamt 477, 2020 351. Eine Person sei bisher in diesem Jahr wegen ungerechtfertigter Gewalt rechtskräftig verurteilt oder mit einem Disziplinarverfahren belegt worden. Im Vorjahr war es ebenfalls eine Person. Im Jahr 2020 wurden fünf Beamte belangt.

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SWR