Menschen nehmen an der Eucharistiefeier des Katholikentags teil. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Marijan Murat)

Gläubige ringen um richtigen Kurs

Katholikentag 2022: Sorge um Menschen in der Ukraine und Debatten über Reformen in der Kirche

Stand

Krieg in der Ukraine, Klimawandel und Kirchenreformen: Der Katholikentag in Stuttgart ist von schwerwiegenden Krisen geprägt. Immer wieder ist am zweiten Tag von einer Zeitenwende die Rede.

Debatten über Reformen in der Kirche haben die ersten beiden Tage des Katholikentages in Stuttgart geprägt. Akzente setzte dabei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Wie schon zum Auftakt am Mittwochabend warnte Steinmeier auch am Donnerstag vor einem Bedeutungsverlust von Kirche.

"Unsere Gesellschaft braucht eine starke Kirche, die relevant ist", sagte das Staatsoberhaupt am zweiten Tag seines Besuches bei einem Rundgang durch die Stuttgarter Innenstadt. "Deshalb hoffe ich, dass Sie in Ihren Anstrengungen für Kirchenreformen vorankommen", so Steinmeier, der selbst evangelisch ist.

Krise durch Missbrauchsskandal treibt Bischof Bätzing um

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, sagte, die nicht zuletzt durch den Missbrauchsskandal ausgelöste Krise treibe ihn um. "In der Situation, wo wir jetzt sind, betrügen wir viele Menschen um eine Brücke zu Gott. Und das ist das, woran ich leide. Ich schöpfe daraus die Kraft, alles zu tun, was in meiner Macht steht, es zu ändern", so der Bischof in einer ZDF-Sendung vom Katholikentag.

Bätzing steht derzeit wegen der Beförderung eines Priesters in der Kritik, der Jahre zuvor zwei Frauen belästigt hatte. In der Fernsehdiskussion verteidigte der Limburger Bischof sein Vorgehen. Angesichts der Reue des Beschuldigten sowie bereits erfolgter Strafen und einer Entschuldigung habe er sich gefragt, ob es nicht die Möglichkeit einer Rehabilitation geben müsse.

Stuttgart

Nach Medienbericht Katholikentag in Stuttgart: Vorwürfe gegen Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz

Der Limburger Bischof Bätzing hat einem Medienbericht zufolge einen Priester trotz Belästigungsvorwürfen befördert. Das sorgt beim Katholikentag in Stuttgart für Kritik.

Sorge um Menschen in der Ukraine prägen Katholikentag in Stuttgart

Auch die Sorge um die Menschen in der Ukraine und Aufrufe zum Frieden haben den Beginn des Katholikentages geprägt. Man bete für die Opfer des Konflikts, sagte der gastgebende Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Gebhard Fürst, am Donnerstag vor rund 9.000 Besucherinnen und Besucher beim zentralen Himmelfahrtsgottesdienst auf dem Stuttgarter Schlossplatz. Dieser fand vor einem rekordverdächtig großen, roten Martinsmantel aus 1.100 Stoffstücken statt, die von Kindern und Jugendlichen hergestellt wurden.

Baden-Württemberg

1.100 Stoffstücke zusammengefügt Gläubige feiern auf dem Katholikentag in Stuttgart einen Gottesdienst vor riesigem Martinsmantel

80 Meter lang und drei Meter breit: Der rote Martinsmantel auf dem Katholikentag 2022 ist ein zentrales Element in der Stuttgarter Innenstadt.

Mit einem Aufruf zum Ende des Krieges in der Ukraine war der Katholikentag eröffnet worden. Dabei appellierte Bundespräsident Steinmeier an die russische Regierung: "Respektieren Sie die Souveränität der Ukraine, stellen Sie die Kampfhandlungen ein! Herr Putin, beenden Sie das Leid und die Zerstörung in der Ukraine! Ziehen Sie Ihre Truppen zurück!" Viele Besucher der Feier trugen Schals in den Farben der ukrainischen Nationalflagge, Gelb und Blau.

Steinmeier: Solidarität mit den Schwächsten der Welt zeigen

Neben Ukraine-Krieg und globaler Corona-Pandemie dürfe der Kampf gegen den Klimawandel nicht in den Hintergrund treten, mahnte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Bereits zur Eröffnung des Katholikentages am Mittwochabend hatte er zu einem anderen Lebensstil aufgerufen: Solidarität mit den Schwächsten der Welt und der Kampf gegen die Hungerkatastrophe erfordere ein Umdenken: "Dann werden wir anders leben, anders wirtschaften und ja, auch auf manches verzichten müssen", sagte Steinmeier.

Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte, der Katholikentag finde in einer Zeit von zwei Krisen statt: Erderwärmung und Ukraine-Krieg. Er wünsche sich, dass die Teilnehmer während des Katholikentages Kraft und Zuversicht bekommen, um gestärkt aus den Tagen hervorzugehen.

Papst Franziskus erklärte in seiner Grußbotschaft aus Rom: "So sind wir in diesen Tagen mit unseren Gedanken bei den Menschen in der Ukraine und wir beten für alle Menschen, deren Leben bedroht und beeinträchtigt ist."

Klimaforscher: Drei Milliarden Menschen könnten ihren Wohnraum verlieren

Die Folgen des Klimawandels können nach Überzeugung des Klimaforschers Hans Joachim Schellnhuber sehr viel dramatischer ausfallen als bislang angenommen. Im schlimmsten Fall könnten drei Milliarden Menschen ihren Wohnraum verlieren und deshalb in andere Regionen ziehen, sagte Schellnhuber am Donnerstag auf dem Katholikentag. "Wir reden vom Umzug der Menschheit", betonte der frühere Direktor des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung.

Stuttgart

Eröffnung am Mittwochabend Alles Wichtige zum Katholikentag 2022 in Stuttgart auf einen Blick

Am Mittwoch hat in Stuttgart der Katholikentag 2022 begonnen. Hier gibt es Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Rund 1.500 Veranstaltungen bis Sonntag

Auf dem Abend der Begegnung wurden am Mittwochabend den Angaben zufolge 20.000 Menschen in der Stuttgarter Innenstadt gezählt. In rund 1.500 Veranstaltungen geht es bis Sonntag neben Klimagerechtigkeit, Flucht und Migration auch um Bildung, Gesundheit sowie um die Hilfe für Notleidende.

Viel Raum nehmen auch Debatten zu den Folgen des Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche ein. Neben Gottesdiensten und einem geistlichen und spirituellen Angebot wartet auf die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ein umfangreiches Kulturprogramm. Das Christentreffen wird in der Regel alle zwei Jahre vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken veranstaltet.

Bundeskanzler Scholz spricht am Freitag auf dem Katholikentag

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist am Freitag (11 Uhr) prominenter Gast des Katholikentags in Stuttgart. Er nimmt an der Veranstaltung "Deutschlands Politik in unsicheren Zeiten" teil. Dabei dürfte es unter anderem um die Folgen des Kriegs in der Ukraine gehen. Im Anschluss findet eine zentrale Friedenskundgebung unter dem Motto "Solidarität mit den Menschen in der Ukraine" statt. Bis Sonntag nehmen laut Veranstaltern rund 25.000 angemeldete Besucherinnen und Besucher an der Veranstaltung teil.

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