Klimawandel, Corona-Pandemie und jetzt Krieg in Europa. Für viele junge Menschen bedeutet das eine enorme psychische Belastung. Der Kinderschutzbund Karlsruhe hört zu, wenn Kinder und Jugendliche über ihre Ängste und Sorgen reden wollen - und das bereits seit 40 Jahren.
Nummer gegen Kummer hört zu und gibt Kindern und Eltern Rat
Unter der Nummer gegen Kummer gibt es Rat und Hilfe in allen Lebenslagen. Birgit Grosshans leitet den zuständigen Fachbereich beim Kinderschutzbund, sie arbeitet dort seit 2005 ehrenamtlich als Telefonberaterin. Wir haben mit Frau Grosshans gesprochen.
Frau Grosshans, was fragen Kinder und Jugendliche bei Ihnen in der Beratung zum aktuellen Geschehen, zum Krieg in der Ukraine?
Genauso wie in der Corona-Krise ist es so, dass diese Fragen eigentlich zeitverzögert kommen. Das dauert meistens ein, zwei Wochen, bis das bei den Kindern tatsächlich im Bewusstsein ist. Und man muss auch immer bedenken, dass Kinder nicht so reflektiert sind und sagen: 'Okay, ich habe Angst, ich rufe jetzt bei der Nummer gegen Kummer an'. Sondern das ist ein Prozess.
Nicht alle Kinder - je nachdem in welchem Alter - sind überhaupt in der Lage zu verstehen, dass man sich Hilfe holen kann. Also das gehört noch dazu. Nichtsdestotrotz haben wir natürlich Kinder, die anrufen. Die sich einfach melden mit: "Ich habe Angst". Und da gilt es dann tatsächlich in einem vertrauten Gespräch erst mal diese Angst überhaupt zuzulassen, also über Angst zu reden. Was ist überhaupt Angst? Wann hattest du schon mal Angst? Wann ist die Angst wieder weggegangen? Das sind so Dinge, um überhaupt erst einmal zu dem Thema Angst einen Bezug zu finden. Ich habe Bilder gesehen und ich habe Angst. Und ich möchte jetzt mit jemandem reden.
Junge Menschen werden im Moment geradezu überflutet durch soziale Medien mit Informationen und eben auch mit Bildern. Was ist Ihr Rat? Wie sollte man damit umgehen?
Also, dass Kinder Bilder anschauen - ich glaube, da muss man sich aus seinem "wohlbehüteten Gedanken-Karussell" verabschieden. Kinder gucken noch ganz andere Bilder an. Grundsätzlich ist es eben so, dass heutzutage alles für jeden zugänglich ist. Und die Frage ist dann eher: Wie kann ich mit den Kindern, die anrufen und die vielleicht das eine oder andere Bild umtreibt - also die mit diesem Bild schon eine Zeit lang leben - wie kann ich mit den Kindern darüber reden? Das ist eher so, dass wir versuchen, Kinder und Jugendliche zu stärken und zu befähigen, mit der Situation besser umzugehen. Weil wir können die Situation ja nicht wegreden.
Es gibt bei Ihnen ja auch ein Elterntelefon. Melden sich denn auch Eltern bei Ihnen, um Rat zu bekommen, wie sie mit Kindern das Thema Krieg behandeln können?
Genau, das tatsächlich auch. Und das auch schon vermehrt am Elterntelefon, wo Eltern anrufen und fragen: Soll ich meine Kinder Nachrichten gucken lassen oder nicht? Oder wenn mein Kind sagt, 'ich habe Angst', was soll ich denn da machen? Und kann ich mit meinem Kind auf eine Demonstration gehen oder nicht? Also solche Fragen kommen ganz klar. Und auch da ist es wieder so, dass es die Aufgabe der Eltern ist, genau hinzuhören und genau hinzugucken. Also, dieses Schreckgespenst Angst oder Krieg tatsächlich auf der einen Seite stehen zu lassen, auf der anderen Seite aber auch nach zu fragen: Was macht das denn mit dir? Wovor fürchtest du dich? Und was für Gefühle löst das eigentlich aus?