Ukrainerinnen in Karlsruhe (Foto: SWR, /LauraBisch)

Freundschaft fürs Leben

Wie der Ukrainekrieg zwei Familien in Karlsruhe zusammenbringt

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Laura Bisch
Laura Bisch, Reporterin und Redakteurin im SWR Studio Karlsruhe (Foto: SWR, SWR)

Fast ein Jahr ist es jetzt her, dass Russland die Ukraine angriff und damit viele Menschen in die Flucht trieb. So auch vier Frauen und ihre Kinder. Sie erlebten in Karlsruhe, wie aus Solidarität Freundschaft wurde.

Am 24. Februar jährt sich der Angriff Russlands auf die Ukraine zum ersten Mal. Für Olena Puhach, ihre Tochter Polina und sechs weitere Mitgeflüchtete markiert dieser Tag eine Zäsur: Kurz darauf flohen sie nach Deutschland.

Die Bernsees nehmen die Geflüchteten auf

Dort angekommen, wurden sie zunächst von Stadt zu Stadt geschickt - eine langfristige Lösung schien nicht in Sicht. Bis sie ins Bild kommen: Familie Bernsee aus Karlsruhe - bestehend aus Vater Jochen, Mutter Claudia und Tochter Jolanda.

Ukrainerinnen in Karlsruhe (Foto: SWR, /LauraBisch)
Claudia und Jochen Bernsee in ihrer Küche.

Das besondere Glück für die Ukrainerinnen: Die deutsche Familie hat ein altes Haus direkt neben ihrem eigenen. Bewohnbar ist es zum Zeitpunkt der Ankunft der Ukrainerinnen eigentlich nicht, erzählt Jochen Bernsee. Doch die Bernsees wägen ab - und entscheiden sich, die Familie aus der Ukraine erst mal in dem Haus aufzunehmen. Es habe "wenigstens ein Dach und eine funktionierende Toilette" gegeben, erzählt Claudia Bernsee.

"Da ist eine Familie, die bei Minusgraden auf einem Bahnsteig übernachtet. Lass uns das probieren - ein paar Tage, besser als nichts."

Übergangslösung wird zur Dauerlösung

Aus der Übergangslösung wurde eine Dauerlösung - sie habe gespürt, dass das Bedürfnis der Ukrainerinnen nach Sicherheit groß gewesen sei, erklärt Claudia Bernsee weiter.

Mit der Hilfe anderer Bewohnerinnen und Bewohner der Straße in Karlsruhe habe man es geschafft, das Haus in ein bis zwei Tagen herzurichten und so bewohnbar zu machen. Jochen Bernsee erklärt in der Küche des alten Hauses:

"Hier war nichts, wir mussten den Boden neu machen. Es wurde gekocht auf einer E-Herdplatte auf der Fensterbank. Mittlerweile haben wir eine kleine Küche mit provisorischer Abluft. Aber besser als nichts."

In den ersten Wochen trägt Familie Bernsee die anfallenden Kosten. Mittlerweile zahlt das Jobcenter ein Wohngeld und übernimmt Kosten etwa für den Hort für die kleine Polina oder den Integrationskurs der Erwachsenen. Den besuchen die Frauen vier Mal pro Woche.

Sprachbarriere kaum noch vorhanden

Mit dem Deutschlernen klappt es bisher ganz gut - die Erwachsenen verstehen schon einiges, können sich bruchstückhaft verständigen. Die Kinder sprechen dagegen schon nahezu fließend Deutsch.

Ukrainerinnen in Karlsruhe (Foto: SWR, /LauraBisch)
Mama Olena macht Hausaufgaben mit ihrer Tochter Polina - sie geht mittlerweile in eine deutsche Klasse.

Eine dauerhafte Belastung ist dagegen das Heimweh und die Trennung von ihren Männern und Kindern in der Heimat, erzählt Olena Puhach. Sie floh mit ihrer Tochter aus der Ukraine und ließ Mann und ihre erwachsene Tochter in der Ukraine zurück. Olena Puhach erinnert sich an die Anfänge in Deutschland:

"Als wir hier hergekommen sind, war das Schwierigste die Trennung von unseren Allerliebsten. Aber seit wir hier sind, ist es im Vergleich nicht mehr so schwer. Alle helfen uns."

Bernsees helfen den Ukrainerinnen täglich

Eine besonders große Hilfe sind dabei die Bernsees von nebenan: Sie helfen der Familie etwa bei Behördengängen oder mit Anträgen. Kommuniziert wird oft mit einer Übersetzer-App auf dem Smartphone. Beeindruckt hat Olena Puhach aber vor allem die Herzlichkeit der Menschen in Deutschland.

"Von morgens bis abends fragen sie uns, wie sie uns helfen können. Das Ausmaß der Hilfsbereitschaft hat uns verwirrt - wir wussten nicht, dass es so etwas gibt."

Deutschland sei mittlerweile wie ein zweites Zuhause geworden. Eine gemeinsame Hoffnung teilen die Bernsees aber dennoch mit den Ukrainerinnen: dass sie zurück in ihre Heimat können.

Aber bei noch einem Punkt sind sich beide Seiten einig: Ihre Beziehung wird für immer bestehen. Denn aus Solidarität und Nachbarschaftshilfe ist längst Freundschaft geworden.