Stadt Pforzheim verleiht Reuchlinpreis (Foto: IMAGO, Pressestelle, Stadt Pforzheim)

Auszeichnung für Verdienste um Toleranz und Respekt

Pforzheim verleiht Reuchlinpreis

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Peter Lauber
Ein Bild von Peter Lauber (Foto: SWR, Patricia Neligan)

Die Stadt Pforzheim verleiht am Samstag den diesjährigen Reuchlinpreis. Die Auszeichnung geht an die deutsch-iranische Islamwissenschaftlerin Katajun Amirpur.

Katajun Amirpur habe mit in ihren Arbeiten zu einem tieferen Verständnis für die von ihr beschriebenen Länder, Menschen und Denktraditionen beigetragen, heißt es in der Begründung für die Auszeichnung der Wissenschaftlerin. Amirpur werbe nicht für den Iran und schon gar nicht für die dortige Theokratie, aber sie finde eine Form der Darstellung, die immer auch die andere Seite gebührend betrachte.

"Sie findet eine Form der Darstellung, die uns dazu aufruft, die andere Seite zu sehen.“

Die 51-jährige lehrt seit 2018 an der Universität Köln Islamische Studien, zuvor war sie an der Universität Hamburg tätig. Bei der feierlichen Verleihung im Theater Pforzheim will Amirpur auch über die aktuelle politische Entwicklung im Iran sprechen.

Stadt Pforzheim verleiht Reuchlinpreis (Foto: IMAGO, Pressestelle, Stadt Pforzheim)
Die diesjährige Preisträgerin Katajun Amirpur Pressestelle Stadt Pforzheim

Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde boykottiert Verleihung

Überschattet wurde die Preisverleihung im Vorfeld von einem angekündigten Boykott der Veranstaltung durch den Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde in Pforzheim, Rami Suliman. In einem Interview mit den Badischen Neuesten Nachrichten wirft Suliman der Preisträgerin vor, sich nicht kritisch genug gegenüber dem iranischen Regime und dessen feindseliger Haltung Israels gegenüber distanziert zu haben. Das habe Amirpur zwar inzwischen in einem Telefonat mit ihm getan, aber diese Aussagen wolle sie nicht veröffentlichen, so Suliman laut BNN.


Die Heidelberger Akademie der Wissenschaften, die die Kandidaten für den Reuchlinpreis vorschlägt, weist die Vorwürfe zurück und verweist auf zahlreiche regimekritische Artikel der Wissenschaftlerin. Auch die Stadt Pforzheim steht weiter zu ihrer Entscheidung.

Philosophen und Theologen unter den Preisträgern

Der Pforzheimer Reuchlinpreis wird seit 1955 für herausragende Leistungen auf dem Gebiet der Geisteswissenschaften vergeben, insbesondere im Zusammenhang mit dem Toleranzgedanken. Namensgeber ist der in Pforzheim geborene Humanist Johannes Reuchlin.

Zu den bisherigen Preisträgern zählen Persönlichkeiten aus unterschiedlichen Disziplinen, darunter die Theologen Wolfgang Huber und Kardinal Lehmann, der Archäologe Hermann Parzinger oder der Philosoph Hans-Georg Gadamer.  Der Preis ist mit 10.000 Euro dotiert.

Humanist und Vorbild für eine multireligöse Gesellschaft -

Johannes Reuchlin gehörte zu den größten Humanisten Europas. Er war ein Kenner der jüdischen Schriften. In einem Klima von Hass und Ausgrenzung trat er im 15./16. Jahrhundert gegen Antisemitismus und für mehr Toleranz ein. "Verbrennt nicht, was ihr nicht kennt", forderte er. Und: "Erkundet das Fremde, zerstört es nicht". Seine Maxime gilt auch heute noch, besonders für seine Heimatstadt Pforzheim, wo heute Menschen aus 136 Nationen leben. Eine Stadt, die mit einem Reuchlin-Jahr dafür sorgt, dass das Erbe des berühmten Humanisten nicht in Vergessenheit gerät.

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Johannes Reuchlin war Philosoph, Diplomat und Jurist und sein Einsatz für den religiösen und kulturellen Dialog, für mehr Offenheit und Toleranz gilt als wegweisend. Besonderen Mut erwies Johannes Reuchlin als er 1510 aufgefordert wurde, für Kaiser Maximilian ein Gutachten zu erstellen, ob die jüdischen Bücher im Land eingesammelt und verbrannt werden sollten. Johannes Reuchlin war der einzige Gutachter, der sich damals dagegen aussprach und deswegen als Ketzer angeklagt wurde. Am 30. Juni 1522 starb Johannes Reuchlin. In seiner Geburtsstadt Pforzheim und an vielen weiteren seiner Wirkungsstätten wird aus diesem Anlass das ganze Jahr an den großen Humanisten erinnert.

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