William von Baskerville ermittelt in der Klosterkapelle, Sherlock Homes jagt Jack the Ripper in der Burgruine und Michel aus Lönneberga treibt seinen Schabernack in der Turnhalle. Möglich macht das das "Regionentheater aus dem Schwarzen Wald". Seit 2014 bringt es Kultur dorthin, wo sie sonst Mangelware ist. Das in Bad Teinach-Zavelstein (Landkreis Calw) ansässige Ensemble tritt überall auf, wo man es einlädt: überwiegend im Schwarzwald, aber auch deutschlandweit und bis in die Schweiz. Häufig an ungewöhnlichen Plätzen, wie in der Marzipanmanufaktur in Bad Liebenzell (Landkreis Calw).
Das Theater, das zu den Leuten kommt
15 Minuten vor Beginn der Vorstellung ist der Saal rappelvoll – und der Intendant persönlich kassiert die letzten Eintrittsgelder. 140 Kinder und Eltern warten schon gespannt auf das, was sich gleich abspielen wird, hier im Räuberwald. Kurz zuvor standen hier noch Knet-, Kugel- und Ausrollmaschinen für Marzipanfiguren aller Art. Firmenchefin Andrea Matt hat alles beiseite geräumt, um Platz für Ronja Räubertochter zu schaffen.
Ob Altes Wasserwerk, Waldfreibad oder Schulaula – Theaterleiter Andreas Jendrusch verwandelt scheinbar jeden beliebigen Ort in eine Theaterbühne. Schon Stunden zuvor haben er und sein kleines Team Kulissen, Licht und Tontechnik aufgebaut, Stühle gestellt für die Großen, Sitzkissen verteilt für die Kleinen.
Bauernhof und Klosterkirche werden zur Bühne des Regionentheaters
Im Raum nebenan - zwischen Materiallager und Kühlaggregaten – schlüpfen die Schauspieler in ihre Räuberkluft. Für Ensemblemitglied Birgit Heintel sind derlei Umstände Alltag. Mit der szenischen Lesung "Der Name der Rose" etwa treten sie vorwiegend in Klosterkapellen auf, erzählt sie. Auch auf den Vogtsbauernhöfen oder mitten im Wald habe man schon gespielt.
Und dann wirbelt Birgit Heintel als Räubermama auch schon durch den Räuberwald - bis zum Happy-End nach 90 Minuten, das vom Publikum begeistert beklatscht wird.
An mehreren Stadttheatern war Intendant Jendrusch zuvor beschäftigt – bis er 2014 von Jahresverträgen die Nase voll hatte und seine eigene Bühne gründete – nach dem Motto "Zurück zu den Wurzeln", wie der 44-Jährige meint. Ehrliches Theater wolle er machen - für Menschen, die Theater nicht gewohnt seien. 15 bis 20 Stücke im Jahr produziert das "Regionentheater aus dem schwarzen Wald" - neben Kinderstücken auch Krimis, Komödien und Klassiker. Darunter auch schwerere Kost, wie zuletzt ein Stück rund um das Thema Rechtsextremismus.
Wenig Geld, aber viel Idealismus
Die vier Festangestellten und etwa 15 freiberuflichen Schauspieler haben das Vor-Corona-Niveau von jährlich rund 150 Vorstellungen fast schon wieder erreicht. Das Theater lebt fast ausschließlich von eigenen Einnahmen, lediglich der Kreis Calw gewährt einen kleinen Zuschuss.
Während das Geld stets knapp sei, mangele es an Idealismus und Spaß an der Sache nie, versichern Jendrusch und sein Schauspieltrupp. Wenn er von Eltern höre, dass deren Kinder noch tagelang vom Theaterbesuch erzählten und unbedingt wieder kommen möchten, dann weiß Jendrusch, dass sich die Tingelei durch die Provinz mal wieder gelohnt hat.