Schild am Eingang des Oberlandesgerichts Karlsruhe (Foto: SWR)

Neue Technologien in der Justiz

Welche Rolle Künstliche Intelligenz am Oberlandesgericht Karlsruhe spielt

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AUTOR/IN
Laura Bisch

Beim Jahrespressegespräch im Oberlandesgericht Karlsruhe ging es am Dienstag vor allem um ein Thema: den Einsatz Künstlicher Intelligenz. Dabei wird klar: Davon ist das OLG noch weit entfernt.

Ein komplettes Gerichtsverfahren online oder ein Gerichtsroboter, der über kleinere Streitigkeiten entscheiden soll: Das alles gibt es - etwa in China, den USA oder Estland.

Aber wie sieht es am Oberlandesgericht in Karlsruhe aus? Wie viel Zukunft steckt da schon in den Arbeitsprozessen? Um diese Frage ging es beim jährlichen Pressegespräch am Dienstag.

Die selbsterklärte Überschrift in diesem Jahr: Künstliche Intelligenz, Algorithmen, Software, Ditgitalisierung. Das alles klingt nach High-Tech und Zukunft. Die Realität im Oberlandesgericht in Karlsruhe sieht anders aus.

Noch zumindest. Denn wenn es nach Alexander Riedel, dem Präsidenten des Gerichtes, geht, soll Software immer mehr Aufgaben von Richterinnen und Richtern übernehmen. Riedel glaubt, dass in den nächsten zwei bis drei Jahren "etwas passieren" muss.

Massenverfahren binden Kapazitäten

Zum Beispiel bei Massenverfahren - etwa beim Dieselskandal. So sind nach Angaben des Oberlandesgerichtes Karlsruhe alleine dort im Jahr 2021 rund 1.930 neue Berufungsverfahren im Zusammenhang mit Dieselmotoren eingegangen. Die Dieselverfahren stellten dadurch fast 45 Prozent der neu eingegangenen zivilrechtlichen Berufungsverfahren dar, so das Gericht.

Insgesamt seien seit 2018 über 7.400 Berufungsverfahren im Zusammenhang mit dem Dieselskandal beim Oberlandesgericht Karlsruhe eingegangen. Das frisst Kapazitäten.

Alexander Riedel, Präsident des Oberlandesgerichtes Karlsruhe (Foto: SWR, SWR/Laura Bisch)
Alexander Riedel, Präsident des Oberlandesgerichtes Karlsruhe

Kategorisierungs-Software kann helfen

Eine Hilfe könnte eine Software sein, die Fälle kategorisieren kann, erklärt Präsident Riedel. Das könne bei einem Dieselverfahren bedeuten, dass die Software etwa den Hersteller des Fahrzeugs, den verbauten Motor oder für die Frage einer möglichen Verjährung relevante Daten anhand der Schriftsätze der Parteien automatisiert ermittelt und für eine systematische Einordnung des Verfahrens verwendet.

So ein "Fallkategorisierungs-Tool" ist zum Beispiel beim Amtsgericht Frankfurt am Main bei Verfahren um Flugverspätungen oder Flugausfällen im Einsatz.

Schriftsätze können schon per Software verglichen werden

Auch im Oberlandesgericht Karlsruhe könnte so ein Kategorisierungs-Tool eine enorme Hilfe sein, erklärt Riedel. Bislang steht eine Einführung aber nicht kurz bevor.

In Benutzung ist dagegen bereits eine Software, die Schriftsätze aus verschiedenen Verfahren vergleichen kann. Nützlich zum Beispiel bei eben den Dieselskandal-Verfahren, wo laut Riedel viele teils 100-seitige Klageschriften fast identisch aussehen.

E-Akte in Karlsruhe eingeführt

Außerdem im täglichen Gebrauch: die E-Akte - also eine digitale Akte, die die auf Papier ersetzt. Für Präsident Riedel ist das ein Erfolg.

"Das klappt im Wesentlichen gut und wird auch - vor allem seit Corona - gut angenommen, weil es die Möglichkeit des Homeoffice erst eröffnet."

Diese Möglichkeit ist für Alexander Riedel auch nicht ganz unwichtig, um auf Dauer junge Menschen für eine Karriere beim Oberlandesgericht zu begeistern.

Riedel: "Keine sich selbst entwickelnden Systeme"

Wo sich auf der einen Seite Chancen durch digitalen Fortschritt auftun, da gibt es auch Grenzen. Für Riedel und das Oberlandesgericht Karlsruhe sind die ganz klar:

"Wir wollen keine praktisch sich selbst entwickelnden Systeme haben. Und vor allem wollen wir keine Systeme haben, die mehr oder weniger eine Prognose oder Abschätzung liefern."

Man könne sich am Oberlandesgericht Karlsruhe etwa nicht vorstellen, Künstliche Intelligenz im Strafbereich einzusetzen. Riedel sagte dazu: "Wir haben die Glaubwürdigkeit von Zeugen - das muss im Gerichtssaal passieren."

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Laura Bisch