Walter Lübcke. Hausdurchsuchungen in verschiedenen Bundesländern, auch in Baden-Württemberg (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/Uwe Zucchi/dpa)

Kommentar zum Lübcke Urteil

Der Bundesgerichtshof zum Fall Lübcke

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AUTOR/IN
Gigi Deppe

Der Bundesgerichtshof hat sein langerwartetes Urteil im Mordfall Walter Lübcke verkündet. Ein Kommentar von Gigi Deppe.

Wer im Oberlandesgericht Frankfurt beim Prozess wegen des Mordes an Walter Lübcke zugehört hat, dem musste das auffallen: Stephan Ernst, der Hauptangeklagte, wirkte teilweise wirr und wenig intelligent. Er hatte sich zwar in früheren Jahren zeitweise von der rechtsextremen Szene distanziert. Aber nach Kontakt mit Markus H., dem zweiten Angeklagten, war er dort wieder eingetaucht. War Markus H. vielleicht doch der Strippenzieher beim Lübcke-Mord oder mindestens ein geistiger Unterstützer?

Strippenzieher im Hintergrund?

Das Oberlandesgericht Frankfurt fand nein, es gebe nicht genügend Beweise gegen Markus H. Keine Spur am Tatort. Und was sonst von ihm bekannt wurde, dass er etwa mit Stephan Ernst Schießen geübt hatte, das würde nicht ausreichen. Dazu die widersprüchlichen Schilderungen von Stephan Ernst. Erst sei Markus H. bei dem Anschlag auf Lübcke nicht dabei gewesen, dann aber doch. Mal habe Markus H. geschossen, dann aber doch Stephan Ernst. Daraus können wir nichts herleiten, sagt der erfahrene Frankfurter Senat. Und der Bundesgerichtshof als oberstes deutsches Strafgericht segnet das jetzt ab. Ausführlich hätten die Bundesrichter das Urteil aus Frankfurt überprüft, aber nichts gefunden, was gegen die juristische Handwerkskunst verstoßen hätte.

Dass Stephan Ernst als Mörder verurteilt und das von Karlsruhe jetzt bestätigt wurde, klingt logisch. Aber der Freispruch für den zweiten Angeklagten, für Markus H. ist unbefriedigend.  Ganz sicher muss der für die Familie Lübcke schmerzhaft sein – eben auch, weil sie die beiden Angeklagten ja an vielen Tagen im Frankfurter Gerichtssaal beobachten konnten und sich sicherlich einen Reim auf ihr Verhältnis gemacht haben. 

Verurteilung nur bei zweifelsfreier Überzeugung der Schuld

Der Vorsitzende Richter am Bundesgerichtshof Jürgen Schäfer hat versucht, auf das Leid der Familie einzugehen. Ja, es sei beeindruckend, was insbesondere die Ehefrau von Walter Lübcke im Karlsruher Gerichtssaal vorgetragen habe. Aber es gebe eben nicht mehr Beweise. Und dann wies Schäfer daraufhin: Es sei eine große Errungenschaft des Strafverfahrens, dass Angeklagte nur verurteilt werden, wenn das Gericht zweifelsfrei von ihrer Schuld überzeugt ist.

Manchmal geht es nicht besser

Auch wenn der grundsätzliche Freispruch für Markus H. unbefriedigend und der öffentlichen Druck angesichts der politischen Brisanz groß ist – natürlich muss es so sein, dass Richterinnen und Richter nur verurteilen, wenn sie sich sicher sind, wer für eine Tat die Verantwortung trägt. Die Justiz stand schon in der Weimarer Zeit im Verdacht, bei rechtsextremen Tätern weniger genau hinzusehen als bei linksextremen. Aber hier hat die Öffentlichkeit das Frankfurter Verfahren kritisch begleitet, und niemand hat den Vorwurf erhoben, die Richter dort würden es nicht so genau nehmen. Manchmal geht es eben nicht besser. Und das gehört zum Rechtsstaat, damit zu leben. Mir gefällt, dass die Familie Lübcke sagt: Walter Lübcke ist für den Rechtsstaat eingetreten. Und dazu hätte auch gehört, die heutige Entscheidung zu akzeptieren, selbst wenn es schwer fällt.

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