Pflegepersonal wegen Corona am Limit

Brettener Intensivpflegerin: "Wir stehen kurz vor dem Abgrund!"

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Matthias Stauss
Ein Bild von Matthias Stauss (Foto: SWR)

Nadine Knittel arbeitet als Pflegerin auf der Intensivstation im Klinikum Bretten. Die vierte Corona-Welle spüren sie und ihr Team mit voller Wucht. Noch halten sie durch - noch.

Plötzlich muss es ganz schnell gehen. Eine Patientin auf der Intensivstation in der Rechbergklinik Bretten (Landkreis Karlsruhe) braucht dringend Hilfe. Sie ist nicht mit Corona infiziert, liegt aber nach einer schweren Darmoperation auf der Intensivstation. Beim Frühstück hat sie sich unglücklich verschluckt und Nahrung in die Lunge bekommen. Das bedeutet Lebensgefahr.

Lebensgefahr aus dem Nichts

Nadine Knittel reagiert schnell. Mit über 20 Jahren Berufserfahrung als Pflegekraft weiß sie, was zu tun ist. Zusammen mit ihren Kolleginnen und einem Oberarzt bereitet sie alles vor, damit das Essen schnell aus der Lunge gesaugt werden und die Patientin künstlich beatmet werden kann. Nach ein paar Minuten die Entwarnung - alles gerade nochmal gut gegangen.

Versorgung der Corona-Patienten: Pause oft Fehlanzeige

Eigentlich war Nadine Knittel in dieser Schicht ausschließlich für die Betreuung einer Corona-Patientin eingeteilt. Sie liegt ein paar Zimmer weiter und muss beatmet werden. Die Patientin ist Mitte fünfzig und ungeimpft. Ihre Betreuung kostet viel Zeit.

Intensivpflegerin Nadine Knittel bei ihrer Arbeit mit einer Covid-Patientin (Foto: SWR)

Damit die Patientin sich nicht wund liegt, muss sie alle zwei Stunden gewendet werden. Das schafft Nadine Knittel nur mit der Hilfe von drei anderen Kollegen. Vor dem Betreten des Zimmers müssen alle extra Schutzkleidung anziehen. Die Versorgung von Corona-Patienten ist eine zusätzliche Belastung für das Team - körperlich und psychisch.

"Wir haben in letzter Zeit viele Patienten verloren. Das macht was mit einem."

Die eigene Pause komme bei den vielen Aufgaben oft zu kurz, sagt Knittel. Das gilt auch für ihre Kollegen, die sich um die anderen Intensivpatienten kümmern. Acht sind es aktuell, drei davon sind mit Corona infiziert.

Einige Pflegekräfte bleiben auf der Strecke

Eigentlich bietet die Intensivstation noch Platz für zwei weitere Patienten. Die können aber nicht belegt werden, weil es an Pflegepersonal fehlt. Corona hat dazu geführt, dass einige ihren Job wegen Überlastung oder Krankheit aufgeben mussten.

""Alle unsere Akkus sind leer!"

Im Team von Nadine Knittel fehlen aktuell vier Kolleginnen und Kollegen. Ihre Arbeitskraft muss von den anderen aufgefangen werden. Für Nadine Knittel heißt das: Statt den normalen 50 Prozent Teilzeit arbeitet sie gerade 75 Prozent. Die Zahl ihrer Überstunden gehen in die Hundert. Trotzdem wirkt sie während der Schicht hellwach und motiviert.

"Wenn ich hinschmeiße, die Patienten sind trotzdem da"

Das Ganze geht aber nicht spurlos an ihr vorbei. Die zweifache Mutter hat in den letzten Monaten öfter darüber nachgedacht auszusteigen. Aber "wer versorgt dann die Patienten?". Nadine Knittel fordert daher noch mehr personelle Unterstützung auf der Intensivstation. In der Verantwortung sieht sie da vor allem die Politik.

"Ich brauche keine finanzielle Sonderzahlung. Ich brauche Fachpersonal, das mit anpackt."

Die Pflegedirektion der Rechbergklinik hat den Personalmangel erkannt und sucht händeringend nach neuen Mitarbeitern. Und es kommen auch vereinzelt Bewerbungen, sagt Ioannis Papadopoulos, stellvertretender Direktor für Pflegemanagement. Aber es sind eben nicht genug.

"Der Markt an Pflegepersonal ist schon leer gefegt."

Deswegen will die Klinik eigene Mitarbeiter von der Normalstation für die Intensivstation weiterbilden. Auch die Bundeswehr wurde zur Hilfe angefordert. Denn Ioannis Papadopoulos geht davon aus, dass "sich die Lage noch weiter verschärft und das Ganze noch eskaliert, was Covid betrifft."

Guter Zusammenhalt im Team macht Hoffnung

Auf die erfahrenen Kräfte um Nadine Knittel könnten also noch weitere harte Wochen zukommen. Sie sei froh, dass sie so ein tolles Team habe. "Wir stärken uns gegenseitig und kämpfen um jedes einzelne Leben."