Michael Paolone trägt ein Henkerbeil in seine Werkstatt und spannt es in seinen Schraubstock. Manchmal wirkt seine Arbeit schon etwas martialisch. Er ist der Herr über die Klingen, oder genauer gesagt, der Waffenmeister am Badischen Staatstheater in Karlsruhe.
Gerade repariert er den Griff des Beils. Fährt dann noch mit einem Winkelschleifer über die Kante der Klinge, als ob er das Beil schärfen würde. Doch dabei geht es nur um die Optik.
Es soll ein bisschen farblicher Kontrast zwischen der Kante und dem restlichen Blatt entstehen. So, dass es aussieht wie eine geschliffene Klinge. Aber in Wirklichkeit ist sie stumpf.

Für blutige Szenen gibt es extra präparierte Waffen
Auch die anderen Hieb- und Stichwaffen sind stumpf. Paolone kontrolliert vor einer Aufführung alle Schwerter einzeln. Fährt mit einem Tuch über die Klingen. Falls nötig, feilt er kleine kaputte Kanten ab, damit auch kein einziger Grat absteht. Denn bei Fechtszenen bekommen die Show-Waffen die eine oder andere Delle ab. Letztlich darf sich aber niemand auf der Bühne verletzen.
Natürlich auch dann nicht, wenn es mal blutig werden soll. Für diesen Zweck hat der Herr über die Klingen auch schon mal ein "Blutmesser" gebastelt. Der Griff besteht aus einem umgebauten Duschgel-Fläschchen. In die Klinge hat er winzige Rillen gefräst. Wenn ein Schauspieler mit dem Messer hantiert und gleichzeitig den Griff drückt, läuft rote Farbe heraus: Theaterblut.
Waffenmeister war früher Industriemechaniker
Seit 29 Jahren ist Michael Paolone Waffenmeister am Badischen Staatstheater in Karlsruhe. Früher hat er als Industriemechaniker gearbeitet und kam eher zufällig ans Theater. In seinem Job ist viel Kreativität gefragt und Verantwortungsbewusstsein. Denn er sorgt auch dafür, dass auf der Bühne echtes Feuer brennt - ohne, dass dabei die ganze Kulisse abgefackelt wird.
Bei den Händel-Festspielen ist er für das Drama per musica "Siroe, Re di Persia" besonders viel im Einsatz. Regisseur Ulrich Peters liebt in seinem Bühnenbild das Flackern des echten Feuers:
Das ist wunderbar, dass man in Karlsruhe noch einen Waffenmeister hat. Viele Theater haben das gar nicht mehr. Da gibt es auch niemand, der wirklich kompetent ist. Und dann ist die Feuerwehr sofort zurückhaltend und sagt: Wir wissen nicht, ob wir das genehmigen können. Und hier ist das gar kein Problem. Das ist wirklich ganz toll!
Bei Brenndauer von Flammen kommt es auf das Timing an
Michael Paolone schraubt vor der Generalprobe erstmal die Feuerschalen am Boden fest, für den Fall, dass ein Darsteller darüber stolpern sollte. Als Brennstoff dient ein spezieller Alkohol oder eine Brandpaste. Die Menge bestimmt die Brenndauer, da ist Erfahrung gefragt. Zusätzlich werden die Feuer in der Werkstatt vorher einmal getestet.
Denn während der Aufführungen kommt es auf das richtige Timing an: Die Flammen dürfen nicht zu früh ausgehen. Aus Sicherheitsgründen sollen sie aber auch nicht unnötig lange brennen. Einige Feuer zünden die Opernsänger während des Auftritts mit Fackeln an, andere entfacht Paolone im richtigen Moment mit einem elektronischen Zünder per Fernbedienung. Denn bei Proben und Aufführungen steht Michael Paolone hinter der Kulisse in Sichtweite zur Bühne. Zumindest, solange etwas brennt. Das sind Sicherheitsvorschriften.

Ein Höhepunkt bei den Händel-Festspielen in Karlsruhe: Ein Feuerschwert
Während der Aufführung von "Siroe" bereitet Paolone dann noch einen kleinen Höhepunkt vor. Ein Feuerschwert, das eine ganze Arie lang brennen soll. Dazu hat er einen breiten Docht in das Schwert eingearbeitet, der mit Alkohol getränkt wird und so minutenlang brennt. Langweilig sei die Arbeit am Theater in den all den Jahren nie geworden:
Man ist auch mal stolz, wenn alles so funktioniert, wie man es gemacht hat. Und man sieht nachher auch ein Ergebnis, wenn es in der Premiere dem Zuschauer und dem Regisseur gefällt.
Und darum hat er es auch nie bereut, Waffenmeister geworden zu sein.