Springhart (Foto: IMAGO, epd)

Opferschutztag in Karlsruhe

Gewalt in Institutionen – Wie stoppt man potentielle Täter?

Stand
AUTOR/IN
Lilly Fleischer
Alena Lagmöller

Am Opferschutztag ging es um Gewalt in Institutionen wie der evangelischen Kirche. So reflektierte die Landesbischöfin der evangelischen Kirche in Baden auch die Rolle ihrer Organisation. Eine der Kernfragen: Wie kann Gewalt verhindert werden?

In Institutionen wie der Kirche, Sportvereinen oder pädagogischen Einrichtungen konnten Täter jahrelang Menschen missbrauchen, ohne dass sie ernsthafte Konsequenzen zu befürchten hatten. Das ist die bittere Erkenntnis aus den Berichten von Opfern, die sich sukzessive an die Öffentlichkeit gewandt haben, um von ihren Erlebnissen zu berichten.

Tatprävention ist Opferschutz

Während dem Verhalten der Institutionen im Umgang mit den gegen sie gerichteten Vorwürfen viel Aufmerksamkeit geschenkt wurde, beleuchtete der 6. BIOS-Opferschutztag am 13.10. in Karlsruhe auch die Prävention systematisierter Gewalt. Kern des Opfertages waren Vorträge zur therapeutischen Arbeit mit Betroffenen und zur Prävention durch Gewaltschutzkonzepte. Das Thema Gewalt in Institutionen bezeichnete Klaus Böhm, Vorsitzender des BIOS e.V. vor dem Hintergrund der jüngsten Missbrauchsskandale in Kirche und Sportvereinen als "Dauerbrenner". Deshalb habe der BIOS e.V. das Thema ausgewählt. Fragt man Böhm, was passieren muss, um erhebliche Gewalt in Institutionen in Zukunft zu verhindern, sieht er den Gesetzgeber in der Pflicht: "Im Rahmen der Tagung bin ich mehr und mehr zu der Überzeugung gekommen, dass es eigentlich tatsächlich einheitliche Richtlinien geben müsste, vielleicht durch den Gesetzgeber."

92 Fälle in der evangelischen Kirche in Baden gemeldet

Die Landesbischöfin der Evangelischen Kirche in Baden, Prof. Dr. Springhart, wies in ihrem Grußwort darauf hin, dass sexualisierte Gewalt ein Thema ist, das klare und unabhängige Verfahren erfordert, dass sich aber nicht durch diese Verfahren erledigen kann. Bis März 2022 hatten sich 92 Menschen gemeldet, die in der evangelischen Kirche in Baden und in den Reihen der Diakonie sexualisierte Gewalt erfahren haben.  

Landesbischöfin: "Opferschutz ist eine Aufgabe für uns alle"

Gewalttaten in der evangelischen Kirche in Baden in Zukunft zu verhindern ist Prof. Dr. Springhart besonders wichtig. Perfektion kann dabei aber nicht erlangt werden: "Mein Realismus sagt mir, dass es wir nie ganz verhindern werden können." Dennoch soll es nicht so weitergehen, wie bisher. "Wir brauchen in unseren Institutionen eine grundlegende Sensibilisierung für die Macht- und die Abhängigkeitsverhältnisse – auch zwischen Erwachsenen – und für die oft schleichende Grenzverletzungen, auch für die versteckte Gewalt." Dabei möchte Sie mit gutem Beispiel vorangehen und ansprechbar sein – für alle Betroffenen.

Prävention: Therapie für tatgeneigten Personen

Ein wichtiger Baustein zur Bekämpfung von Gewalt in Institutionen ist die Schaffung von Therapieangeboten für tatgeneigte Personen. Damit sind Menschen gemeint, die sich die Ausübung von körperlicher oder sexualisierter Gewalt vorstellen, aber noch nicht in strafrechtlich relevanter Weise in Erscheinung getreten sind. Neben dem Programm "Kein Täter werden" der Charité in Berlin ist BIOS Baden-Württemberg deutschlandweit der einzige Verein, der Hilfe für solche Personen bietet. Ziel der BIOS-Programme ist es, die betroffenen Personen dabei zu unterstützen, ihre Neigungen zu kontrollieren und dadurch das Risiko der Begehung von Straftaten zu reduzieren.

BIOS-Programme gefährdet

Der Bund stellt bis 2025 jährlich fünf Millionen Euro für diese Projekte zur Verfügung. Doch die Finanzierung der Programme des BIOS e.V. für tatgeneigte Personen aus diesen Mitteln ist gefährdet. Ursache dafür könnte, nach Ansicht des Vereins, die andauernde Behandlung der Klient*innen während der Pandemie sein. Deshalb ist fraglich, ob die Förderkriterien noch erfüllt werden. Dabei hat Deutschland dringenden Aufholbedarf: Wegen der unvollständigen Umsetzung der EU-Richtlinie zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern hat die Europäische Union 2019 ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Die Kommission kritisierte in einer Mitteilung die Mitgliedsstaaten besonders für die lückenhafte Umsetzung im Hinblick auf die Tatprävention.

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Lilly Fleischer
Alena Lagmöller