Städtepartnerschaft Karlsruhe Krasnodar (Foto: SWR)

"Menschen an der ukrainischen Grenze wollen Frieden!"

Karlsruhe-Krasnodar: Deutsch-russische Partnerschaft in Kriegszeiten

STAND
AUTOR/IN
Mathias Zurawski

Der Ukraine-Krieg hat begonnen. Nicht weit von der ostukrainischen Grenze entfernt liegt die russische Stadt Krasnodar, Partnerstadt von Karlsruhe. Die Menschen dort wollen keinen Krieg, sagt ein Kenner der Stadt.

Jan-Dirk Rausch war 1980 einer der ersten Karlsruher, die im Rahmen der damals neuen Partnerschaft die Stadt Krasnodar besuchten. Der Mitinitiator der Freundschaftsgesellschaft Karlsruhe-Krasnodar hat viele Bekannte und Freunde in der westrussischen 900.000-Einwohner-Metropole und hat auch in diesen Tagen intensiven Kontakt.

Was haben Sie gedacht, als sie am Donnerstagmorgen von den russischen Angriffen auf die Ukraine gehört haben?

Mir ging es wie ganz vielen anderen auch. Ich hätte nicht gedacht, dass es zu solch einem umfangreichen Angriff kommt. Und die ersten Gedanken waren natürlich bei unseren Freunden in Krasnodar und in der Ukraine, wo wir auch viele Menschen kennen, schon lange kennen. Frieden ist das Wichtigste, das man braucht. Und wir hoffen, dass alles an der Bevölkerung glimpflich vorbeigeht. Wir haben aber auch keinen Einfluss auf das, was die Führung macht, genauso wie die russische Bevölkerung.

Wie steht denn die Bevölkerung in Krasnodar zum russischen Angriff? Sie müsste ja eigentlich zur russischen Politik stehen…

Die Stadt Krasnodar ist ursprünglich von Kosaken aus dem ukrainischen Raum gegründet worden, und es gibt natürlich in Krasnodar bis zum heutigen Tag viele Ukrainer, auch wenn sie die russische Staatsangehörigkeit haben. Schon als wir in den vergangenen Tagen Kontakt hatten, war immer das zentrale Wort "Frieden". Niemand aus der Bevölkerung will nach meiner Einschätzung Krieg, sondern Frieden und freundschaftliche Beziehungen in alle Himmelsrichtungen. Ohne Gewalt.

Wie gestaltet sich das Zusammenleben in Krasnodar zwischen Ukrainern und Russen? Die ostukrainische Stadt Mariupol ist ja weniger als 300 Kilometer entfernt…

Zur Krim sind es auch weniger als 200 Kilometer. Aber es gibt im Zusammenleben der verschiedenen Nationalitäten in Krasnodar keine Reibungspunkte oder so etwas. Es sind ja insgesamt, wenn man auch noch die Kaukasusvölker dazurechnet, über hundert Nationalitäten, die in Krasnodar leben und die ja auch ihre eigenen Volksvereine und ihre eigenen Kulturvereine haben. Aber das ist schon immer ein friedliches Zusammenleben miteinander und ich denke, das wird auch so bleiben,

Wovor haben die Menschen in Krasnodar Angst?

Also, ich denke in erster Linie vor den Folgen. Und die Folgen werden die Bevölkerung wahrscheinlich eher treffen, als die Regierung. Das fängt damit an, dass der Rubel fällt, dass alles teurer wird, dass der Lebensstandard sinken könnte. Da ist zum Beispiel auch die Auszahlung von Löhnen und Renten, die möglicherweise gefährdet ist, wenn es Sanktionen gegen Banken gibt. Das trifft die Menschen unmittelbar und direkt, und davor haben sie natürlich Angst.

Eine deutsch-russische Städtepartnerschaft hat historisch gesehen immer auch mit Krieg zu tun. Auch Krasnodar war vom Zweiten Weltkrieg und vom Überfall der Deutschen betroffen. Was geht Ihnen und den Menschen in Krasnodar durch den Kopf, wenn jetzt wieder von Krieg die Rede ist?

Wir haben gerade darüber gesprochen und haben gesagt: Wir sind wieder so weit wie damals. Wobei wir mit "damals" eigentlich die Zeit der Ostpolitik meinen, als es darum ging, freundschaftliche Kontakte in die Sowjetunion aufzubauen. Ich muss aber auch sagen, dass diese freundschaftlichen Beziehungen nicht zwischen Stadtverwaltungen und Organisationen bestehen, sondern zwischen den Menschen. Und die sind, glaube ich, über die Jahre und Jahrzehnte hinweg so unerschütterlich, dass sie auch bestehen bleiben.

So unerschütterlich, dass sie auch jetzt bestehen bleiben?

Es wird natürlich von außen bestimmte Einflüsse geben, die die Begegnungen verhindern können. Das haben wir jetzt mit der Corona Pandemie auch erlebt, dass wir gar nicht so ohne weiteres nach Krasnodar fliegen konnten und umgekehrt auch nicht, wegen dieser Restriktionen auf beiden Seiten. Und wenn ich jetzt höre, dass der Luftraum gesperrt ist, zunächst einmal nur bis zum 2. März, dann gibt es ja eine weitere Erschwernis für die persönlichen Begegnungen. Und ich hoffe nur, dass wir uns, ohne irgendwelche Sachen befürchten zu müssen, mit den Menschen aus Krasnodar treffen können, entweder hier oder dort, und einfach unsere persönlichen Freundschaften pflegen können. Und auch die Kontakte zwischen Vereinen und privaten Organisationen

Sie hatten in diesen Tagen mehrfach Kontakt nach Krasnodar. Welche Emotionen haben Sie gespürt?

Angst. Weil Krieg in Russland in jeder Familie eine andere oder vielleicht noch stärkere emotionale Bewandtnis hat als bei uns, weil ja in nahezu jeder russischen Familie auch im Zweiten Weltkrieg Menschen gestorben sind. Und Krieg? Naja, Russland hat in Tschetschenien einen kleinen Krieg geführt oder auch einen längeren Krieg, hat auch in Georgien einen Krieg geführt. Aber in einem solchen Ausmaß wie jetzt hat Russland das zu unseren Lebzeiten nicht erlebt. Man mag jetzt darüber spekulieren, wie das Ganze militärisch weitergeht, aber völlig gleichgültig: Die Menschen haben Angst davor und sie wollen diesen Krieg nicht.

Welchen Eindruck haben Sie und die Menschen in Krasnodar von Putins Politik und seiner Rolle?

Ich achte eigentlich mehr auf das, was Putin für das eigene Land tut. Putin hat in den letzten Jahren das Land vor allem durch den Geheimdienst beherrschen lassen und viele Freiheiten, auch unternehmerische Freiheiten und kulturelle Freiheiten, die es vielleicht vor zehn Jahren noch gab, die gibt es nicht mehr. Mir kommt es leider so vor, als wenn er sich vom Volk und von den ihn umgebenden Völkern vernachlässigt oder unverstanden fühlt und deswegen auch einsame Entscheidungen trifft. Aber wir können es nicht beurteilen. Mir liegt daran, dass wir die Kontakte zu den Menschen, die wir ja über viele Jahre haben, auch fortsetzen können und dass niemand auf die Idee kommt, die Bevölkerung für irgendwelche Zwecke zu instrumentalisieren.

Was hoffen Sie im Augenblick am meisten?

Dass der Konflikt nicht eskaliert, ganz klar. Und dass es möglichst bald vorbei ist und dass die Bevölkerung möglichst nicht darunter leiden muss. Und zwar auf beiden Seiten.

Baden-Baden

Städtepartnerschaften im Ukraine-Krieg Baden-Baden lässt Partnerschaft mit russischer Stadt Sotschi ruhen

Die Stadt Baden-Baden lässt ihre Städtepartnerschaft mit der russischen Stadt Sotschi ruhen. Andere Städte wie Karlsruhe und Pforzheim halten an den Partnerschaften mit Russland fest.

Baden-Baden

Kommentar Friedensgespräche im Kurhaus? - Baden-Baden positioniert sich im Ukraine-Konflikt

Baden-Baden steht für Internationalität und Austausch. Oberbürgermeisterin Mergen hat nun vorgeschlagen, dass sich die Beteiligten im Ukraine-Konflikt in Baden-Baden zu einem Dialog treffen.

Karlsruhe

Auswirkungen des Ukraine-Kriegs Karlsruher EnBW sieht derzeit keine Gefährdung der Gasversorgung

Der Karlsruher Energiekonzern EnBW sieht momentan keine Gefährdung der Gasversorgung. Nach Angaben einer Unternehmenssprecherin liefern die russischen Vertragspartner derzeit die zugesagten Gasmengen.

STAND
AUTOR/IN
Mathias Zurawski