Was tun, wenn es in der Automobilindustrie nicht mehr gut läuft? Vor dieser Frage stehen derzeit zahlreiche Zulieferbetriebe, gerade auch in der Region Nordschwarzwald. Viele Unternehmen orientieren sich um, suchen neue Absatzmärkte - etwa in der Rüstungsindustrie oder in der Luft- und Raumfahrttechnik.
Zu den Betrieben, die sich gerade aufmachen, neue Wege zu beschreiten, gehört auch der Stanzteile-Hersteller Hapema aus Engelsbrand bei Pforzheim. In den riesigen Werkshallen stehen mehrere Hightech-Maschinen. Diese spucken im Sekundentakt metallene Stanzteile aus, die über weitere Zwischenschritte in Komponenten eines Autos eingebaut werden.

Krise längst bei Zulieferern angekommen
Eine der Maschinen wird gerade neu eingerichtet, sie soll fünf Zentimeter große, silbrig glänzende zylinderförmige Stanzteile produzieren. 80 Stück in der Minute, fünf bis sechs Millionen Teile im Jahr. Bauteile für Elektroautos seien das, erläutert Produktionsleiter Florian Kächele.
Die Anschaffung der zwei Millionen Euro teuren, lasergesteuerten Maschine war eine Investition in die Zukunft, sagt Eva Christmann, die Juniorchefin des Familienunternehmens. Dort arbeiten knapp 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Krise in der Automobilbranche sei längst auch schon in den Engelsbrander Werkshallen angekommen, so Christmann.
Zwar würden die Kontakte, die die Firma herstelle, sowohl in Autos mit Verbrennungsmotoren als auch mit Elektroantrieb benötigt, meint sie. Doch man merke deutlich, dass die Industrie insgesamt schwächele und der Wettbewerb immer härter werde.

Konkret bedeute das bei Hapema: Immer häufiger werden Aufträge storniert oder verschoben. Zudem musste das Unternehmen demnach in Kurzarbeit gehen. "Auch aus sozialer Verantwortung heraus", sagt Eva Christmann, um möglichst alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter halten zu können.
Früher Überstunden und Nachtschichten, heute Kurzarbeit
Eine Situation, die noch vor Kurzem undenkbar gewesen wäre, sagt der langjährige Mitarbeiter German Dürrwächter. Lange Zeit habe die Stanztechnik-Branche in der Region einen regelrechten Boom erlebt, weiß der Werkzeugmacher. 60 bis 80 Überstunden im Monat und Nachtschichten, das sei damals normal gewesen. Dass er jetzt zuschauen müssen, wie Betriebe ums Überleben kämpfen oder gar dichtmachen müssen, tue ihm weh.
Das war früher mal eine boomende Branche. Ich habe mir nicht vorstellen können, dass es mal so weit kommt. Mir macht das schon Angst.

Das Problem: Noch sei der Betrieb auf Gedeih und Verderb auf Aufträge aus der Automobilbranche und deren Zulieferer angewiesen, sagt Eva Christmann. Auf etwa 70 Prozent schätzt sie den entsprechenden Anteil am Umsatz. Deswegen heißt für sie das Zauberwort: "Transformation". Auch die Firma Hapema will neue Produkte für neue Geschäftsfelder produzieren - und hat damit auch schon begonnen.
Wir wollen die Abhängigkeit von der Automobilbranche reduzieren, um das Unternehmen langfristig erfolgreich zu halten.

Unternehmerin: Hightech aus Engelsbrand in allen Branchen anwendbar
Die 31-Jährige sieht für ihre Stanzteile Einsatzmöglichkeiten in sämtlichen Branchen. Das Unternehmen habe das Knowhow, hochkomplexe Hightechprodukte für alle nur denkbaren Anwendungsbereiche anbieten zu können, davon ist sie überzeugt. Für die Medizinbranche produziere der Betrieb bereits. Jetzt habe man zusätzlich die Luft- und Raumfahrt sowie die Rüstungsindustrie im Visier.
Gerade aus der Verteidigungsindustrie erhoffen wir uns lukrative Aufträge.
Christmann holt sich dabei auch Rat von externen Fachleuten. So hat sie in dieser Woche an einem Workshop im Pforzheimer Zentrum für Präzisionstechnik teilgenommen. Dort hat der Unternehmensberater und Experte für Luft- und Raumfahrttechnik Wolfgang Bott interessierte Unternehmen über die Möglichkeiten und Voraussetzungen einer Produktionsumstellung informiert.
Bott ist überzeugt, dass es zwischen 30 bis 40 Betriebe im Nordschwarzwald gibt, die für diese Zulieferung in die Luft- und Raumfahrttechnik interessant wären:
Experte rechnet mit starkem Wachstum in Luftfahrtbranche
Die Zahl der Unternehmen in der Region Nordschwarzwald, für die er große Chancen in der Luft- und Raumfahrt sieht, schätzt Bott auf 30 bis 40. Ein Engagement in diesem Bereich, glaubt Bott, könnte die Unternehmen stabilisieren und Standorte sichern. Zumal der Experte in den nächsten 20 Jahren mit einem starken Wachstum in dieser Industrie rechnet.
Wir gehen davon aus, dass in Baden-Württemberg die Zulieferindustrie in der Luftfahrt in eine ähnliche Größenordnung kommen wird wie die Automobilindustrie.
Mit Hightech made im Ländle, davon ist Eva Christmann fest überzeugt, werde auch ihr Unternehmen diese Krise überwinden können. Der Wirtschaftsstandort Deutschland, so ihre Überzeugung, könne sich nur durch innovative Technologie behaupten. So wie auch die komplexe Stanztechnik in Kombination mit modernster Lasertechnologie bei Hapema. "Das", so Eva Christmann, "ist der große Vorteil, den wir haben."