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Niederlage für Kläger

Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe lehnt Eilantrag gegen Impfpflicht für Pflegeberufe ab

Stand

Ein Eilantrag gegen die Impfpflicht in Heimen und Kliniken ist gescheitert. Sie kann damit auch in BW am 15. März in Kraft treten. Die endgültige Entscheidung steht aber noch aus.

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat einen Eilantrag gegen die einrichtungsbezogene Impfpflicht in Heimen und Kliniken abgelehnt. Damit bleibt das von Bundestag und Bundesrat beschlossene Gesetz in Kraft. Baden-Württembergs Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für einen Start der Corona-Impfpflicht für das Pflegepersonal begrüßt.

"Wir fühlen uns durch die Entscheidung der Karlsruher Richter gerade auch im Hinblick auf die politischen Diskussionen der letzten Tage im Kurs der Landesregierung bestätigt".

Für die Landes-CDU erklärt Innenminister Thomas Strobl: Jetzt sei der Bund gefragt, noch offene Fragen zu klären. Sonst gebe es im März Chaos bei der Umsetzung. Ähnlich die Reaktion der FDP: Das Gericht ermögliche die sektorale Impfpflicht, nun bleibe die Frage der organisatorischen Umsetzung. Die AfD bezeichnet das Bundesverfassungsgericht als - Zitat: "Erfüllungsgehilfe der Regierung".

Die Nachteile, die den überwiegend im Gesundheitswesen tätigen Antragstellern durch die Impfpflicht drohten, seien weniger schwer als die Nachteile, die bei einem Aussetzen der Regelung für vulnerable Menschen zu befürchten seien, begründete das Gericht in Karlsruhe seinen Beschluss. Das bedeutet aber nicht, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht grundsätzlich verfassungsmäßig ist - dies muss noch im Hauptverfahren geprüft werden.

"Der Schutz besonders schutzbedürftiger Personen muss im Vordergrund stehen".

74 Verfassungsbeschwerden

Gegen die Impfpflicht geklagt haben viele ungeimpfte Beschäftigte in Heimen und Kliniken, aber auch Einrichtungsleiter. Insgesamt sind 74 Verfassungsbeschwerden von etwa 300 Klägerinnen und Klägern eingegangen. Der zuständige Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts unter Gerichtspräsident Stephan Harbarth hat die Klagen noch nicht umfassend geprüft.

Deshalb mussten die Richterinnen und Richter nun eine Folgenabwägung vornehmen, was die schlimmeren Konsequenzen zur Folge hätte: Wenn sie erst einmal alles laufen lassen, obwohl die Verfassungsbeschwerde berechtigt wäre - oder wenn sie eine Vorschrift außer Kraft setzen, die sich später als verfassungsgemäß herausstellt.

Diese Abwägung ging zum Nachteil der Klägerinnen und Kläger aus. "Die Impfpflicht begegnet zum Zeitpunkt dieser Entscheidung keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken", heißt es in der schriftlichen Begründung.

Impfpflicht soll Risikopatienten schützen

Die Impfpflicht gilt für Beschäftigte in Einrichtungen wie Kliniken, Pflegeheimen und Arztpraxen und war am 10. Dezember von Bundestag und Bundesrat beschlossen worden. Sie soll alte und geschwächte Menschen vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus schützen. Betroffene müssen bis zum 15. März nachweisen, dass sie voll geimpft oder genesen sind - oder ein Attest vorlegen, dass sie nicht geimpft werden können. Fehlt der Nachweis, muss das Gesundheitsamt informiert werden. Es kann ein Betretungs- oder Tätigkeitsverbot aussprechen, hat aber Ermessensspielraum.

Kritiker befürchten, dass es wegen der Impfpflicht zu Personalengpässen in den Kliniken und Pflegeheimen kommt, wenn ungeimpfte Beschäftigte nicht mehr arbeiten dürfen. Bayern hatte auch deshalb am Montag angekündigt, die Umsetzung des Gesetzes vorerst auszusetzen, weil offene Fragen ungeklärt seien.

Lucha erleichtert nach Karlsruher Entscheidung

Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) hat auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur einrichtungs- und unternehmensbezogenen Impfpflicht mit Erleichterung reagiert. "Wir fühlen uns durch die Entscheidung der Karlsruher Richter gerade auch im Hinblick auf die politischen Diskussionen der letzten Tage im Kurs der Landesregierung bestätigt. Der Schutz besonders schutzbedürftiger Personen muss im Vordergrund stehen", sagte Lucha.

"Das Sozialministerium trifft derzeit letzte Vorbereitungen zur Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht in Baden-Württemberg und befindet sich im Zeitplan. Die Handreichungen für Einrichtungen und die Gesundheitsämter befinden sich derzeit im Abstimmungsverfahren - auch die kommunalen Landesverbände sind eng eingebunden", so Lucha.

BW-Landesregierung lange uneins über Teil-Impfpflicht

Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kann die Impfpflicht in Heimen und Kliniken nun auch in Baden-Württemberg am 15. März in Kraft treten.

Die Grün-Schwarze Landesregierung in Baden-Württemberg hatte sich zuletzt darauf geeinigt die einrichtungsbezogene Impfpflicht wie geplant einzuführen. Zuvor hatten sich mehrere CDU-Politiker, darunter Landeschef Thomas Strobl, für eine Aussetzung der Teil-Impfpflicht ausgesprochen. Strobl betonte nach der Einigung mit den Grünen, es sei lediglich darum gegangen, offene rechtliche Fragen zu klären. "Niemand in der Koalition hat die Umsetzung der Impfpflicht in Baden-Württemberg in Frage gestellt."

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