Es ist kalt auf dem Gutenbergplatz in Karlsruhe. Auf dem gut gefüllten Wochenmarkt haben zwischen den Gemüse-, Brot- und Wurstständen Tobias Bunk (CDU) und Fabian Gaukel (Volt) ihre kleinen Zelte nebeneinander aufgebaut. Sie wollen den winterlichen Samstagmorgen nutzen, um vor der Bundestagswahl am 23. Februar für sich zu werben: mit Flyern, mit Plakaten und mit Gesprächen.
Wahlforscher: Ungewöhnliche Häufung in Karlsruhe
Beide sind Direktkandidaten für ihre Parteien, beide im Karlsruher Gemeinderat und beide unter 30 Jahre alt. Mit Zoe Mayer (Grüne) und Philipp Berner (FDP) gibt es in Karlsruhe noch zwei weitere Direktkandidaten, die auch noch nicht 30 geworden sind. Diese Häufung "ist ungewöhnlich", bestätigt Wahlforscher Frank Brettschneider von der Universität Hohenheim. Karlsruhe hat damit wohl ein Alleinstellungsmerkmal.
- Die erste Bundestagswahl für die CDU nach der Ära Ingo Wellenreuther
- Volt in Karlsruhe setzt auf den Mann mit dem markanten Bart
- Bei der FDP bleibende Erfahrungen schon vor der Wahl
- Die zweite Bundestagswahl für die "Titelverteidigerin" der Grünen
Die erste Bundestagswahl nach der Ära Ingo Wellenreuther
Tobias Bunk hat mehrere Wahlhelfer dabei und spricht die vorbeilaufenden Menschen an. Nur wenige bleiben stehen. Wenn, dann geht es meist direkt um die Migrationspolitik der Union. Der gelernte Unternehmensjurist trägt eine schlichte Winterjacke und eine türkise Mütze mit dem Logo seiner Partei drauf. Er soll die Nachfolge von CDU-Urgestein Ingo Wellenreuther antreten. Die beiden kennen sich gut. Bunk ist der Leiter seines Wahlkreisbüros.
Jetzt, wo Wellenreuther nicht mehr antritt, will Bunk selbst in den Bundestag. "Ich bin nicht der junge Ingo Wellenreuther. Ich treffe meine eigenen Entscheidungen", sagt er. Sein Vorgänger hatte bei der letzten Bundestagswahl 2021 das Direktmandat an Zoe Mayer und die Grünen verloren.

Ob Bunk ihr das Mandat wieder abnehmen kann, ist fraglich. Seine eigene Bekanntheit hat noch Luft nach oben, wie er selbst zugibt. An diesem Tag will er auf mehreren Marktplätzen vorbeischauen. Freizeit habe er aktuell kaum noch. "Aber ich weiß, warum ich es mache. Ich mache es aus Überzeugung und mit großer Freude."
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Volt in Karlsruhe setzt auf den Mann mit dem markanten Bart
Fabian Gaukel bleibt lieber länger auf einem Markt, anstatt gleich weiterzuziehen. Volt hat sichtbar weniger Wahlhelfer für ihre Stände als die CDU. Dafür hat der gelernte Fachinformatiker ein seltenes Markenzeichen: Seinen langen rötlichen Bart, dazu seine etwas ausgebleichte Europaflagge, die er als Schal um den Hals trägt. "Der rote Bart wird dann häufig erkannt", schmunzelt er.

Dass seine Partei auf junge Gesichter setzt, ist nicht neu. Schon bei den Kommunal- und Europawahlen konnte Volt damit punkten. Dass jetzt auch die anderen Parteien in Karlsruhe nachziehen, findet er gut. "Die großen Parteien haben gemerkt, dass sie auch mal die Jugend vorlassen müssen und sie nicht nur in den Jugendorganisationen zwischenparken (können)."
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Im Karlsruher Gemeinderat hat er die Erfahrung gemacht, dass er wegen seines Alters am Anfang unterschätzt wurde. "Ihr Jungen, jetzt könnt ihr mal was lernen", sei die Haltung gewesen. Auch im Straßenwahlkampf sei er schon öfters belächelt worden.
Gerade an Infoständen merkt man schon häufiger, dass man als junge Person belächelt wird.
Bleibende Erfahrungen schon vor der Wahl
Nicht belächelt, sondern ausgebuht und beschimpft wird an diesem Samstag Philipp Berner. Der Direktkandidat der FDP steht in einer quietschgelben Regenjacke an seinem Wahlkampfstand in der Innenstadt und bekommt den Frust von hunderten Demonstranten ab. Sie laufen auf ihrem Weg zum Marktplatz an ihm vorbei.
"Scheiß FDP", rufen sie unter anderem in Richtung von Philipp Berner und seinen Wahlhelfern. Die Demonstranten sind sauer, dass die FDP im Bundestag letzte Woche genauso wie die AfD und die Union abgestimmt hat. Der Antrag der Union für eine strengere Migrationspolitik hatte so eine Mehrheit bekommen.
Friedlich, aber laut "Brandmauer"-Demo in Karlsruhe mit mindestens 5.000 Demonstranten
Friedrich Merz mit einer Pinocchio-Nase und CDU-Plakate mit rotem AfD-Pfeil: Mindestens 5.000 protestierten am Samstag in Karlsruhe gegen die CDU und ihre Migrationspolitik.
Dass der Wahlkampf noch mal so an Fahrt aufnimmt, habe er nicht erwartet. Die Buhrufe treffen den IT-Unternehmer. Fast regungslos steht er da: "Ich würde niemals mit einer anderen Person so reden, egal welche politische Haltung sie hat." Er selbst stehe zum Kurs seiner FDP.

Für Berner ist es das erste Mal, dass er als Direktkandidat in Karlsruhe antritt. Der Platz wurde frei, weil sein Vorgänger Michael Theurer von der Politik zur Bundesbank gewechselt ist. Dann habe Berner gesagt: "Okay, da habe ich Bock drauf." Er selbst spricht aber auch davon, dass er noch ein paar mehr Erfahrungen sammeln müsse.
Gemeinsamer Auftritt bei Podiumsdiskussion
Bei einer Podiumsdiskussion des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) im Tollhaus Mitte Januar wurde das sichtbar. Berner hatte bei dem gewerkschaftsfreundlichen Publikum einen schweren Stand. Am Ende musste er sich sogar Lacher gefallen lassen, als er bei einer Frage zur Reichensteuer ins Straucheln kam.
Auch Tobias Bunk, Fabian Gaukel und Zoe Mayer waren mit auf der Bühne. Die Runde komplettierten Manfred Hentz (BSW), Parsa Marvi (SPD) und Marcel Bauer (Die Linke). Die AfD und andere Parteien waren vom Veranstalter nicht eingeladen worden.
Die zweite Bundestagswahl für die "Titelverteidigerin"
Im Gegensatz zu Philipp Berner bekam Zoe Mayer für ihre Aussagen öfter lauten Applaus. Sie sprach frei und teilte auch mal gegen die anderen Parteien aus. Als es um die Schuldenbremse ging, sagte sie in Richtung Tobias Bunk: "Die CDU wird die Schuldenbremse aufheben und sagen, es ging nicht anders." Bunk hatte mit diesem Vorwurf offensichtlich nicht gerechnet und verpasste es, direkt zu kontern.

Natürlich will die gelernte Wirtschaftsingenieurin ihr Direktmandat in Karlsruhe verteidigen. Wenn nicht, hat die 29-Jährige auch gute Chancen, über die Landesliste der Grünen in den Bundestag einzuziehen. "Ich freue mich, wenn ich das jetzt noch mal vier Jahre machen darf." Aber die Zeiten seien unvorhersehbar und man wisse nicht, ob man das nächste Mal noch dabei ist.
In der Politik zu planen, macht keinen Sinn. Und wer in der Politik Pläne aufstellt, wird in der Regel sehr unglücklich.
Was sich Mayer wünscht, sind mehr junge Menschen im Bundestag. "Es ist ganz häufig so, dass es viele junge Kandidierende gibt. Das Problem ist, dass davon in der Regel sehr wenige im Bundestag landen." Sie begründet das damit, dass man junge Menschen häufig auf hintere Listenplätze setze. Die Chancen für ein Bundestagsmandat werden immer schlechter, je weiter unten man auf einer Liste steht.
Was sagen die Wählerinnen und Wähler über "die Jungen"?
Zurück auf dem Gutenbergplatz: Hier finden es die meisten Befragten gut, dass in Karlsruhe so viele junge Menschen kandidieren.
"Es ist mal gut, dass frischer Wind in die Parteien kommt", findet Ramona Baumgärtner. Thomas Gieble meint: "Ich finde es toll, wenn junge Leute an der Wahl teilnehmen und aktiv ihre Positionen präsentieren". Für Thomas Leisner ist dagegen "nicht so wichtig, ob die Kandidaten jung oder alt sind. Die sollen sich engagieren, das reicht mir dann schon."