Am 16. März ist es so weit: Für bestimmte Berufsgruppen kommt die Impfpflicht. Einige Arbeitnehmer stehen damit kurz vor der Arbeitslosigkeit, denn sie müssen als Ungeimpfte mit einer Kündigung rechnen. "Es ist eine sehr schwere Situation für mich und für meine Familie", erzählt ein 39-Jähriger im SWR-Gespräch.
Er ist seit 14 Jahren medizinisch-technischer Radiologieassistent und Abteilungsleiter in einem baden-württembergischen Klinikum. Er möchte anonym bleiben. "Ich habe drei Kinder. Meine Frau kann wegen den Kindern nicht mehr arbeiten. Ich bin der Versorger in der Familie. Wie es beruflich bei mir weitergeht, weiß ich immer noch nicht", sagt er. Er habe bereits nach anderen Jobs gesucht, aber für ihn sei bisher nichts in Frage gekommen. "Ich will es irgendwie immer noch nicht wahrhaben."
Bedenken wegen Lähmungen nach Erstimpfung
Er sei von Anfang an für das Impfen gewesen und sei es eigentlich immer noch. "Ich habe mich letztes Jahr im Februar mit dem BioNTech-Impfstoff impfen lassen", erzählt er. Am nächsten Tag habe er vorübergehend Lähmungen in der rechten Körperhälfte festgestellt.
"Jetzt geht es mir dank Cortison wieder besser. Kein Arzt hat mir bisher bestätigt, dass das vom Impfen kommt, aber ich habe Angst mich nochmal impfen zu lassen." Daher gelte er in seiner Klinik als ungeimpft. Er ist damit einer von vielen, der am 16. März per Gesetz nicht mehr zur Arbeit darf und von seinem Arbeitgeber dem Gesundheitsamt gemeldet werden muss.
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Corona-Impfpflicht mit "Hintertür"
Der 39-Jährige hofft auf eine "Hintertür" im Gesetz. Als Abteilungsleiter habe er nämlich keinerlei Patientenkontakt. "Im Intranet der Klinik wurde uns das Prozedere in einem Schreiben erklärt. Das Gesundheitsamt nimmt dann Einzelprüfungen vor, bevor es eventuell zur Kündigung kommt", erzählt er weiter. Vielleicht gelte für ihn eine Ausnahme.
"Solange es mit diesem unklaren Verfahren 'Hintertüren' gibt, die Impfpflicht zu umgehen, wird genau darauf spekuliert."
Auch Pflegeeinrichtungen sind sich dieser Gesetzeslücke bewusst. "Für nicht geimpfte Bestandsmitarbeiter tritt kein verpflichtendes, automatisches Beschäftigungsverbot ein", so Bernhard Schneider von der Evangelischen Heimstiftung in Stuttgart. "Wir müssen als Arbeitgeber zuerst alle Mitarbeitenden ohne den erforderlichen Impfstatus an das Gesundheitsamt melden." Über ein Arbeitsverbot müsse dann im Einzelfall entschieden werden, so Schneider im Gespräch mit dem SWR. "Solange es mit diesem unklaren Verfahren 'Hintertüren' gibt, die Impfpflicht zu umgehen, wird genau darauf spekuliert." In letzter Konsequenz werde es auch Kündigungen geben. "Bis dahin ist es aber ein schwieriger und bürokratischer Weg, den der Gesetzgeber im Infektionsschutzgesetz vorgegeben hat", kritisiert Schneider. Er spreche sich schon lange für eine allgemeine Impfpflicht aus.

Pflegeeinrichtung in BW geht eigenen Weg
Deshalb habe man sich in seiner Einrichtung für einen klaren Weg entschieden: "Alle Mitarbeitenden, die bis zum 15. März keinen Impfnachweis und kein ärztliches Attest vorlegen können, werden wir freistellen und dem Gesundheitsamt melden", so Schneider. Aktuell seien über 90 Prozent der mehr als 10.000 Beschäftigten geimpft oder genesen.
Man nehme das Risiko von Personalausfällen durch Infektionen, Quarantänen und die Impfpflicht ab 16. März sehr ernst, so Schneider. Der Krisenmodus werde wieder hochgefahren. "Wir versuchen auch mit Unterstützung von Hilfsorganisationen und der Bundeswehr Krisenpläne vorzubereiten. Trotzdem wird es auch wieder Urlaubssperren, Sonderschichten und Überstunden geben." Man werde wahrscheinlich auch vorübergehend Aufnahmen ablehnen müssen, wenn es nicht genügend Mitarbeitende gebe.
Rechtliche Konsequenzen bleiben offen
So eine Situation wie die Corona-Pandemie habe es noch nie gegeben, so Rechtsanwalt Christopher Henkelmann von der Kündigungsschutzkanzlei Fink & Partner. "Die Impfpflicht an sich ist ein sehr intensiver Eingriff in die persönliche Unversehrtheit, in die Handlungsfreiheit und vor allem primär in die Berufsfreiheit", so Henkelmann. Man sorge durch die aktuelle Impfpflicht im Gesundheitswesen dafür, dass man Menschen von ihrem erlernten Beruf ausschließe. "Auf der anderen Seite haben die Menschen die Möglichkeit, über ihren Impfstatus frei zu verfügen. Zudem gibt es hier ein sehr hohes Schutzbedürfnis der Allgemeinheit." Der Gesetzgeber habe die Abwägung zugunsten der Allgemeinheit getroffen.
Doch die Frage sei, wo man die Grenze ziehe. "Wenn jemand eine Bürotätigkeit im Krankenhaus ausführt, dann hat er zwar keinen direkten Patientenkontakt. Aber ein Krankenhaus ist ein geschlossenes System mit viel Kontakt unter den Mitarbeitenden." Auch sei immer noch offen, ob Optionen geschaffen werden müssten, um Kündigungen zu vermeiden, wie beispielsweise eine Homeoffice-Tätigkeit. "Man weiß auch nicht, ob gekündigte Ungeimpfte Arbeitslosengeld bekommen und ob das als verhaltensbedingter Pflichtverstoß gewertet wird. Hier gibt es noch keine Klarheit."
Klageverfahren und Verfassungsbeschwerden sind zu erwarten
Eins sei aber klar, so Henkelmann: "Die Menschen, die ungeimpft in der Pflege oder in den Krankenhäusern arbeiten, werden mit Abmahnungen und Kündigungen rechnen müssen. Ob die nachher rechtskräftig sind, das müssen die Gerichte entscheiden."
Arbeitgeber im Gesundheitswesen dürfen ab dem 16. März keine Ungeimpften mehr beschäftigen. Wer dies trotzdem tue, müsse mit hohen Bußgeldern oder Schließungen rechnen, so Henkelmann. Es sei davon auszugehen, dass es nach den ersten Kündigungen und Freistellungen Verfassungsbeschwerden geben werde.