Eine Hand hält ein Telefon. Symbolbild Trickbetrüger. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Roland Weihrauch)

"Enkeltricks" gehen zurück

Falsche Polizisten: Immer mehr Schockanrufe in Baden-Württemberg

Stand

Meist ältere Menschen werden mit einer angeblichen Notlage von Angehörigen unter Druck gesetzt, damit sie zahlen. Das BW-Innenministerium registrierte 2021 über 2.000 solcher Versuche.

Die Zahl der Betrugsversuche mit sogenannten Schockanrufen bei überwiegend älteren Menschen ist in Baden-Württemberg förmlich explodiert. Waren laut dem Innenministerium 2017 lediglich 17 solcher Anrufe registriert worden, waren es 2020 schon 319 und 2021 dann 2.157 Fälle. Die Zahl steigt weiter: "Für das Jahr 2022 zeichnet sich bislang ein deutlicher Anstieg der betrügerischen Anrufstraftaten ab", teilte das Ministerium der Deutschen Presse-Agentur (dpa) mit.

Expertinnen und Experten gehen außerdem von einer hohen Dunkelziffer aus. Viele Opfer schämten sich und erstatteten deshalb keine Anzeige. Genaue Zahlen zum vergangenen Jahr sollen erst mit der polizeilichen Kriminalstatistik im Frühjahr bekannt gegeben werden.

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Opfer werden massiv unter Druck gesetzt

Bei der immer populärer werdenden Masche "Schockanruf" rechnen Kriminelle skrupellos mit der Schockstarre erschütterter Opfer. Die Kriminellen täuschen als angebliche Kinder, Enkel, vermeintliche Polizeibeamte oder Rechtsanwälte eine Notlage oder gar die Lebensgefahr eines Angehörigen vor und setzen ihre Opfer massiv unter Druck. Kinder oder Enkel seien lebensbedrohlich erkrankt und bräuchten dringend Geld für ein ausländisches Medikament - so einer der Tricks. Auch beliebt: Der Angehörige sitze im Gefängnis und müsse eine Kaution stellen.

Laut Landeskriminalamt erkundigen sich die Täter nach Bargeld, Münzen oder Schmuck, die der Angehörige dann etwa einem vermeintlichen Staatsanwalt oder Polizisten übergeben soll. Oft holten auch vom Anrufer oder Hintermännern beauftragte "Läufer" Geld oder Wertgegenstände selbst an der Haustür des Betroffenen ab. Ihre Belohnung: für gewöhnlich zehn Prozent der Beute.

Weniger "Enkeltricks", aber kombinierte Anrufe

Die Betrügerinnen und Betrüger haben offenbar die Masche gewechselt. Wurden der Polizei früher viele solcher Telefonate gemeldet, ging diese Zahl zuletzt deutlich zurück. Beim sogenannten "Enkeltrick" melden sich angebliche Verwandte wegen eines vorgetäuschten finanziellen Engpasses oder weil sie für den sofortigen Kauf einer Immobilie Geld benötigen. Besonders perfide ist die Masche, wenn nach dem "Enkeltrick"-Betrüger ein angeblicher Polizist anruft und um Hilfe bei der Festnahme des Ersteren bittet. Immer beliebter werden auch Betrugsversuche per WhatsApp.

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Die Trickbetrüger sitzen häufig in der Türkei. Ein Zentrum ist laut den deutschen Ermittlungsbehörden die Stadt Izmir. Insgesamt bringt diese Masche viel Geld: Nach Angaben des Innenministeriums erbeuteten die Anruferinnen und Anrufer durch Telefonate als angebliche Enkel sowie durch Schockanrufe 2021 insgesamt rund 15,2 Millionen Euro. Die allermeisten Anrufe - rund 96 Prozent - bleiben aber erfolglos.

Innenminister Strobl sieht Banken in Verantwortung

Der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) kennt das Phänomen aus dem eigenen Bekanntenkreis: "Eine Mutter, die wirklich tough ist und mit beiden Beinen fest im Berufsleben steht, wurde angerufen, ihre Tochter habe im Ausland einen schweren Verkehrsunfall verursacht und sitze in Untersuchungshaft", erinnert er sich. Menschen würden in einen Ausnahmezustand versetzt durch die Angst um das, was ihnen am liebsten sei - ihre Familie, ihre Freunde. "Die Vernunft wird durch den Schock ausgeschaltet", sagt Strobl. "Wie fremdgesteuert heben da auch wirklich gestandene Menschen unter Schock große Geldsummen von der Bank ab", sagte Strobl.

Gefragt sind aus seiner Sicht nicht zuletzt die Geldinstitute: Bankangestellte sollten wachsam bleiben und im Zweifel nachfragen, wenn zum Beispiel eine ältere Kundin völlig aufgelöst in der Filiale erscheine und nach einem außergewöhnlich hohem Geldbetrag frage. "Da ist Einfühlungsvermögen, gesunder Menschenverstand und Kundenbindung gefragt", betonte Strobl.

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