In ganz Deutschland wird am heutigen Holocaust-Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert. 1996 hatte der damalige Bundespräsident Roman Herzog den Tag der Befreiung des NS-Konzentrationslagers Auschwitz durch die Rote Armee am 27. Januar 1945 zum Gedenktag erklärt. Seitdem erinnert das Parlament rund um diesen Tag mit einer eigenen Veranstaltung an die Opfer der Verfolgung und Ermordung durch die Nationalsozialisten. Auch in Baden-Württemberg finden Veranstaltungen statt, um die Erinnerung wach zu halten.
- Gedenkveranstaltung im Bundestag
- Rede der Holocaust-Überlebenden Inge Auerbacher
- Zentrale Gedenkfeier für BW in Ravensburg
- Weitere Gedenkveranstaltungen im Land
Holocaust-Gedenkveranstaltung im Bundestag
Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) hat bei der Gedenkveranstaltung im Parlamentsgebäude in Berlin am Donnerstag davor gewarnt, dass der Antisemitismus in Deutschland erstarke und zum Handeln aufgerufen. Auch der heutigen Judenfeindlichkeit müsse man sich in Deutschland stellen, sagte sie.
"Er ist ein Problem unserer Gesellschaft. Der ganzen Gesellschaft. Der Antisemitismus ist mitten unter uns."
Die Parlamentspräsidentin betonte die Bedeutung der Erinnerung an die Geschichte und forderte dazu auf, sie lebendig zu halten. Zudem plädierte Bas für "Mut zur Intoleranz" gegenüber denjenigen, die zu Hass aufstacheln und die Verbrechen der Nazis relativieren. Das Wissen um die Geschichte habe nicht verhindert, dass ein Drittel der deutschen Bevölkerung meine, die Juden hätten vielleicht doch zu großen Einfluss. Dieses Wissen habe auch nicht verhindert, dass die Corona-Pandemie "auf ohnehin grassierenden Judenhass wie Brandbeschleuniger wirkt"
Erst am Mittwoch hatte sich die neue Generalkonsulin des Staates Israel für Süddeutschland, Carmela Shamir, bei ihrem Antrittbesuch im baden-württembergischen Innenministerium bestürzt gezeigt angesichts antisemitischer Auswüchse auf den Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen. "Wir waren schockiert, als wir die Slogans gesehen haben und die Bilder von Menschen, die den Davidstern tragen", so Shamir gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa).
Holocaust-Überlebende aus BW hält Gedenkrede im Bundestag
Inge Auerbacher, geboren in Kippenheim (Ortenaukreis), Jüdin und Überlebende des Holocaust, hielt am Donnerstag die Gedenkrede im Deutschen Bundestag. Sie appellierte an die Menschen in Deutschland, sich dem Antisemitismus entgegenzustellen.
"Leider ist dieser Krebs wieder erwacht, und Judenhass ist in vielen Ländern der Welt, auch in Deutschland, wieder alltäglich. Diese Krankheit muss so schnell wie möglich geheilt werden."
Sie schloss ihre Rede mit den Worten: "Menschenhass ist etwas Schreckliches. Wir sind alle als Brüder und Schwestern geboren. Mein innigster Wunsch ist die Versöhnung aller Menschen."
Holocaust-Gedenktag Überlebende Inge Auerbacher erinnert im Bundestag an eine grauenhafte Zeit
Beim Holocaust-Gedenktag hat die Überlebende Inge Auerbacher, die ihre Kindheit in Jebenhausen bei Göppingen verbrachte, im Bundestag die Grauen dieser Zeit sichtbar gemacht.
Inge Auerbacher wurde 1934 in Kippenheim geboren und wuchs als einziges Kind in einer strenggläubigen jüdischen Familie auf. Als junges Mädchen erlebte sie die Verfolgung durch die Nationalsozialisten. Im Alter von sieben Jahren wurde sie mit ihren Eltern aus Göppingen-Jebenhausen deportiert und kam für mehrere Jahre ins KZ Theresienstadt - sie überlebte. Ihre Erlebnisse während des Holocaust hat sie in Büchern, in Gedichten und Geschichten thematisiert. Zum Holocaust-Gedenktag 2019 sprach Inge Auerbacher bereits vor der UNO.
Zentrale Gedenkfeier für Baden-Württemberg in Ravensburg
Die zentrale Gedenkfeier für Baden-Württemberg findet als Online-Veranstaltung in Ravensburg statt. Die Präsidentin des baden-württembergischen Landtags, Muhterem Aras (Grüne), wird am Mahnmal für deportierte Sinti an der St. Jodokskirche einen Kranz niederlegen. Weitere Teilnehmer sind der Ravensburger Oberbürgermeister Daniel Rapp (CDU), und der Vorstandsvorsitzende des Landesverbands der Sinti und Roma Baden-Württemberg, Daniel Strauß. In Ravensburg wurde 1937 ein kommunales Zwangslager zur Inhaftierung der örtlichen Sinti und Roma errichtet.
77 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz Landtag gedenkt in Ravensburg der Opfer des Nationalsozialismus
In Ravensburg hat am Mittag die Gedenkstunde des baden-württembergischen Landtags für die Opfer des Nationalsozialismus stattgefunden. Die Veranstaltung wurde im Internet übertragen.
In der "Schwäbischen Zeitung" kritisierte Aras den Umgang mit Sinti und Roma in Baden-Württemberg. "Wir sind eben nicht so tolerant und offen, wie wir es manchmal vorgeben", sagte sie. Es sei eine Mutprobe für Sinti und Roma, zu ihrer Identität zu stehen. Für Aras sei es entscheidend, dass man in den Schulen Wissen über Sinti und Roma vermittle. Als Gründe für die Diskriminierung von Sinti und Roma sieht die Landtagspräsidentin bestehende Vorurteile und fehlende Begegnungsmöglichkeiten.
Erinnerung im Bistum Rottenburg-Stuttgart
Rottenburgs katholischer Bischof Gebhard Fürst kommt am Donnerstagvormittag in die Gedenkstätte des ehemaligen KZ Hailfingen/Tailfingen. Gemeinsam mit dem Rottenburger Oberbürgermeister Neher, dem Gäufeldener Bürgermeister Schmid und Vertretern der israelitischen Religionsgemeinschaft und des Gedenkstättenvereins erinnert er an die Opfer des Holocausts.
Konzert in der Synagoge in Hechingen
In der Synagoge Hechingen findet am Abend ein Konzert statt unter dem Motto "In den finsteren Zeiten / wird da auch gesungen werden?". Das Programm versucht, eine Antwort auf diese titelgebenden Worte Bertolt Brechts zu finden – oder, genau genommen, viele verschiedene. Denn neben Werken jüdischer Komponisten und Dichter aus dem Lager Theresienstadt tragen Tarek El Barbari (Gesang, Rezitation, Klavier) und Philip Dahlem (Klavier) auch armenische, arabische, sephardische, katalanische und deutsche Musik und Texte vor.
Universität stellt Datenbank vor
Die Universität Tübingen hat in einer Datenbank biografische Informationen über tausend Menschen zusammengestellt, die nach ihrem Tod während der NS-Zeit ohne ihr Einverständnis in der dortigen Anatomie landeten. Ihre Biographien wurden im Rahmen des Tübinger Forschungsprojekt „Gräberfeld X“ ermittelt.

Freiburg: Gedenken in Präsenz im Bürgerhaus am Seepark
In Freiburg wird der Holocaust-Gedenktag mit einer Gedenkveranstaltung der Stadt und des SWR Studios Freiburg begangen. Die Veranstaltung findet in diesem Jahr wieder als Präsenzveranstaltung statt, aus Platzgründen im Bürgerhaus am Seepark. Dafür war eine Voranmeldung nötig. Vergangenes Jahr gab es pandemiebedingt einen Livestream aus dem Freiburger Theater.
Im Zentrum der Veranstaltung steht das Schicksal von Menschen, die von den Nazis willkürlich als "Asoziale" verfolgt wurden und deren Geschichte bislang öffentlich kaum wahrgenommen und gewürdigt wurde. "Asoziale" waren für die Nazis unter anderem Bettler, Obdachlose, Wanderarbeiter - Sinti und Roma bezeichneten sie als "geborene fremdrassige Asoziale".
Gedenken auch in anderen Kommunen in Südbaden
Auch andere Kommunen in Südbaden gedenken in verschiedenen Formen der Opfer der Nazis. In Müllheim (Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald) beispielsweise hat der Friedensrat Markgräflerland bereits am Sonntag eine Gedenkveranstaltung abgehalten. Am jüdischen Friedhof wurden dabei unter anderem Bilder von Kindern aus Müllheim und Badenweiler gezeigt, die von den Nazis nach Auschwitz deportiert worden waren.
Friedensrat Markgräflerland Gedenkveranstaltung zum 77. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz
Der Friedensrat Markgräflerland hat am Sonntag eine Gedenkveranstaltung zur Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz abgehalten. Dort wurde an die Opfer der Nationalsozialisten gedacht.
Brennende Lichter in der Region Heilbronn-Franken
Zum offiziellen Holocaust-Gedenktag werden am Donnerstag an verschiedenen KZ-Gedenkstätten Lichter entzündet, als Zeichen der Erinnerung und Mahnung. Unter anderem wird die Gedenkstätte am Hessentaler Bahnhof in Schwäbisch- Hall ab 18 Uhr hell erleuchtet, um der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz durch Soldaten der Roten Armee zu gedenken. Und auch das Klinikum am Weissenhof in Weinsberg erinnert heute mit einer Kranzniederlegung am Mahnmal neben der Klinikkirche an die Opfer des Nationalsozialismus. Allein aus der damaligen Heilanstalt Weinsberg waren 908 Patienten in die Tötungsanstalt nach Grafeneck gebracht worden. Das Euthanasieprogramm hatte am 18. Januar 1940 offiziell unter dem Decknamen T4 begonnen. Insgesamt fielen dem Ausrottungsprogramm etwa 300.000 psychisch kranke Menschen zum Opfer.
Gedenken mit Rundgang in Bad Schönborn
In Bad Schönborn (Landkreis Karlsruhe) findet wie jedes Jahr am Holocaust-Gedenktag ein Rundgang vom jüdischen Friedhof zur Gedenkstele des in der Nazizeit ermordeten SPD-Politikers Ludwig Marum statt. Am selben Ort entzünden Mitglieder des Aktionsbündnisses "Zeichen setzen" Kerzen und erinnern an die Schicksale der im ehemaligen KZ Kislau im Ortsteil Mingolsheim inhaftierten Männer.
77 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz Mahnungen und Informationen: Holocaust-Gedenktag zwischen Rastatt und Bad Schönborn
Städte und Kirchen in der Region haben am Holocaust-Gedenktag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz gedacht. Die evangelischen Landeskirchen wenden sich gegen jede Form der Leugnung.
Die Aktion ist Teil des bundesweiten Flashmobs "Lichter gegen Dunkelheit", mit dem Gedenkstätten auf ihre Arbeit aufmerksam machen. Auch in anderen Städten wird der Opfer des Holocaust gedacht - unter anderem in Rastatt wehen die Flaggen zum Gedenken auf Halbmast.
Viele Aktionen auch im Rhein-Neckar-Raum
An der zentralen Gedenkstätte in Schwetzingen (Rhein-Neckar-Kreis) wird Oberbürgermeister Rene Pöltl (parteilos) einen Kranz niederlegen. Außerdem werden Schülerinnen und Schüler der Karl-Friedrich-Schimper Gemeinschaftsschule mit persönlichen Beiträgen an das Schicksal jüdischer Mitbürger erinnern.

In Mannheim werden Stolpersteine geputzt
Im Mannheimer Stadtteil Neckarstadt-Ost wird unter anderem der SPD-Landtagsabgeordnete Stefan Fulst-Blei Stolpersteine putzen. Auch zahlreiche Kirchengemeinden in der Region werden mit Gedenkstunden an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern, sagte Klaus Müller, Landeskirchlicher Beauftragter für das christlich-jüdische Gespräch in der evangelischen Landeskirche in Baden dem SWR.