Ein deutscher Reisepass liegt in einem Labor der Kriminaltechnik der Bundespolizei. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Matthias Balk)

Einige Städte melden Rekordwerte

Nach Corona-Jahren: Enorme Nachfrage nach Reisepässen in BW

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Oliver Linsenmaier
Bild von Oliver Linsenmaier (Foto: privat)

Während der Corona-Pandemie waren sie für viele Menschen quasi nutzlos: Reisepässe. Doch nun sind Fernreisen wieder möglich - und die Zahl der Anträge schnellt nach oben.

Seitdem in Deutschland und damit auch Baden-Württemberg beinahe alle Corona-Regeln gefallen sind, zieht die Nachfrage nach Reisepässen enorm an. In manchen Städten des Landes wurden im Frühjahr so viele Anträge gestellt wie noch nie. Für die Bürgerinnen und Bürger bedeutet das aber auch längere Wartezeiten. Gerade mit Blick auf die Sommerferien ist schon bald Eile geboten.

"Aktuell liegen wir bei vier Wochen vom Zeitpunkt der Antragstellung bis zum Tag, an dem der Reisepass geliefert wird und damit bei uns im Bürgerservicezentrum abgeholt werden kann", erklärt Toni Klein, Sprecher der Stadt Freiburg, auf SWR-Anfrage. In Karlsruhe und Stuttgart können es aktuell sogar bis zu sechs Wochen sein.

Druck- und Versandzeit verdoppeln sich beinahe

Denn unabhängig vom Ausstellungsort werden alle deutschen Reisepässe von der Bundesdruckerei erstellt. Diese verzeichnet enorm viele Eingänge, weswegen sich die Bearbeitungszeit fast verdoppelt hat. Wie die Tagesschau berichtet, dauerte die Produktion und der Versand eines Reisepasses, laut Bundesinnenministerium im Januar im Schnitt noch 10,1 Werktage, im April waren es 18. Vor der Coronapandemie waren es sogar nur 9,4 bis 10 Werktage.

Wie sehr die Nachfrage nach Reisepässen in den vergangenen Monaten gestiegen ist, belegen Zahlen aus einigen Großstädten in Baden-Württemberg. So wurden in Karlsruhe von Januar bis Mai 2022 insgesamt 5.257 Reisepässe beantragt. Im gleichen Zeitraum 2021 waren es 3.390.

Noch deutlicher wird die aktuelle Entwicklung im Vergleich zur Zeit vor der Corona-Pandemie. So wurden in Freiburg im März und April 2019 insgesamt 2.345 Reisepässe beantragt. In den beiden folgenden Corona-Jahren gingen die Zahlen in den Vergleichsmonaten stark zurück und lagen bei 639 (2020) und 1.305 (2021).

"Nach März 2020 gab es einen massiven, nie zuvor erlebten Einbruch. Erst im Juni 2021 wurden wieder die früheren 'Normalwerten' erreicht."

Monatsrekord bei den Reisepass-Anträgen in Freiburg

Von "Normalwerten" kann derzeit keine Rede sein. Alleine im März 2022 wurde in Freiburg mit 2.043 beantragten Reisepässen ein neuer Rekord aufgestellt. Im April waren es immerhin 1.455 dieser Ausweisdokumente, so dass in den beiden Monaten insgesamt 3.498 Reisepässe beantragt wurden.

Ein ähnliches Bild zeigt sich in der Landeshauptstadt Stuttgart: Vom 1. April bis 13. Mai 2019 wurden hier 4.589 Reisepässe beantragt. In 2020 sanken die Zahlen in diesem Zeitraum auf 192, um in 2021 wieder auf 3.261 anzuziehen. Aktuell ist der Wert aber noch deutlich höher. Vom 1. April bis 13. Mai 2022 beantragten 4.992 Stuttgarterinnen und Stuttgarter einen Reisepass.

Reisebeschränkungen während der Pandemie entscheidend

Dabei sind sich alle Sprecher der drei Großstädte einig: Verantwortlich für diese Entwicklung waren die Reisebeschränkungen während der Corona-Pandemie. "Reisepässe, welche in den letzten zwei Jahren abgelaufen sind, wurden mehrheitlich nicht neu beantragt. Die Antragswelle hat sich, durch die neuen Lockerungen für das Reisen, nun auf dieses Jahr verschoben", sagt Gerrit Münster von der Stadt Karlsruhe auf SWR-Anfrage.

Brexit spielt ebenfalls eine Rolle

Aber auch der Brexit spielt eine Rolle, wie Oliver Hillinger, Sprecher der Stadt Stuttgart, erklärt: "Inzwischen verreisen die Menschen wieder mehr ins nicht-europäische Ausland wofür Reisepässe benötigt werden. Ebenso wird für Reisen nach Großbritannien seit dem Brexit nun ein Reisepass für die Einreise benötigt, eine Personalausweis reicht hierfür nicht mehr aus."

Die Sorge vor einer Ausweitung des Ukraine-Krieges auf andere Teile Europas wird dagegen von keiner der Behörden als Grund für die gestiegenen Anträge genannt.

Deutlich mehr Express-Anträge

Dass einige Bürgerinnen und Bürger nach zwei Jahren Pandemie plötzlich recht schnell einen Reisepass gebraucht haben, zeigt sich auch an den sogenannten Express-Anträgen. Express-Pässe werden innerhalb weniger Tage produziert und ausgehändigt. In Karlsruhe stiegen die Zahlen zwischen Januar und Mai auf 504 Expresspass-Anträge (im Vergleich zu 111 im gleichen Zeitraum 2021).

In Freiburg waren es zwischen Januar und April 2019 exakt 647 Express-Pässe, in 2020 und 2021 zusammen nur 507 und nun: 821. In Stuttgart läuft es ähnlich: 445 Express-Anträge vom 1. April bis 13. Mai 2019 stehen 596 im selben Zeitraum 2022 gegenüber. In den beiden Jahren zuvor waren es insgesamt gerade einmal 287.

Wer also innerhalb von drei bis fünf Tagen einen Reisepass benötigt, kann immer noch auf das Express-Verfahren ausweichen. Allerdings ist das auch deutlich teurer als der normale Antrag.