Detektiv demonstriert wie Ladendiebe mit Hilfe eines präparierten Koffers die Sicherungsetiketten überlisten. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Boris Roessler)

Forschungsinstitut hat Zweifel

Inflation und Ladendiebstähle: Wird in der Krise wirklich mehr geklaut?

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In der Forschung gibt es Zweifel daran, dass in der Krise mehr geklaut wird. Auch die Heilbronner Polizei ist skeptisch. Zuvor hatte der Handelsverband über mehr Fälle geklagt.

Seit die Kunden in Deutschland die Inflation im Geldbeutel spüren, gibt es im Handel die Angst, dass mehr geklaut wird. So sagte zum Beispiel ein Sprecher des Handelsverbands Baden-Württemberg Anfang des Monats zu den Diebstählen: "Wir registrieren branchenübergreifend einen starken Anstieg". Frank Horst vom Forschungsinstitut EHI ist da eher skeptisch. Auch in anderen Krisen oder wirtschaftlich schwierigen Jahren mit hoher Arbeitslosigkeit, sei die Zahl der Ladendiebstähle eher konstant geblieben, sagte er dem SWR.

Das EHI untersucht seit rund 20 Jahren die Inventurdifferenzen im Handel. Demnach kamen dem Handel 2020 und 2021 jeweils Waren im Wert von gut 4 Milliarden Euro abhanden. Etwas mehr als die Hälfte davon sollen Kunden gestohlen haben. Über 800 Millionen Euro Servicekräfte und Mitarbeiter. Auch im Polizeipräsidium Heilbronn hat die Zahl der angezeigten Ladendiebstähle im November 2022 wieder das Niveau von 2019 (9.123 Fälle) erreicht. Es gab 2022 zwar einen starken Anstieg im Vergleich zum Vorjahr, doch da herrschten im Handel pandemiebedingte Einschränkungen.

Polizeistatistik zeigt bei Diebstahl nur die Spitze des Eisbergs

Die polizeiliche Kriminalstatistik ist bei Ladendiebstählen ohnehin nur sehr wenig aussagekräftig. Denn hier landen nur die angezeigten Fälle. Das EHI schätzt die Dunkelziffer bei etwa 98 Prozent. Die meisten Anzeigen im Handel werden von Ladendetektiven gefertigt. An diesen wurde während der Pandemie besonders gespart, sagt Frank Horst. Bei den großen Ketten seien die Mitarbeiter angehalten, jeden Diebstahl anzuzeigen. Es gebe aber eine gewisse Anzeigenverdrossenheit, denn bei Ersttätern werde das Verfahren in der Regel eingestellt.

"Mehr Anzeigen heißt nicht mehr Fälle, sondern eben nur mehr angezeigte Fälle. Zum Beispiel weil die Händler verstärkt kontrollieren."

Elektronische Sicherungen auf Butter als Indiz?

Im Juli und August hatten Discounter wie Lidl für Schlagzeilen gesorgt, nachdem dort an Butter oder Fleisch elektronische Sicherungen aufgetaucht waren. Medien wie der Westen oder die BILD mutmaßten, dass der Einsatz an untypischen Artikeln ein Aufrüsten des Handels gegen Diebstahl sei.

Es handele sich dabei um ein lokales Alltagsphänomen, so die Einschätzung von Frank Horst. Wenn ein Händler feststelle, dass bestimmte Waren in seinem Markt verstärkt gestohlen werden, sichere er diese. Typisch sind Rasierklingen, Spirituosen, Kaffee oder Tabak. Dies könne aber auch mal die Butter sein. Das sei etwas ganz Normales. Zumal nur vergleichsweise wenige Händler elektronische Diebstahlsicherungen im Einsatz hätten, so Horst.

Ob Ladendiebstähle im Zuge der Inflation tatsächlich zugenommen haben, wird sich vermutlich erst bei der Auswertung der Inventurdifferenzen für 2022 zeigen, so Frank Horst.

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