Immer mehr Menschen nutzen die Heilbronner Tafel, um an günstige Lebensmittel zu kommen. Der stellvertretende Leiter Marco Schönberger zählt rund 15 neue Antragsteller täglich. Gleichzeitig gehen schon seit Jahren die Lebensmittelspenden durch die Supermärkte zurück, berichtet er. Dabei ist die Arbeit der Tafel existenziell: Der Hartz IV-Empfänger und Mitarbeiter Raymund Schmid sagt, ohne die günstigen Preise der Tafel käme er "nicht über die Runden."
Der Alltag in der Tafel
Kurz nach 10 Uhr vormittags. Die Lieferwagen trudeln jetzt Schlag auf Schlag ein. Seit 7:30 Uhr klappern sie rund 100 Filialen in der Region ab, auf der Suche nach Spenden. Jetzt heißt es ausladen, sortieren, umverpacken. Was ist in gutem Zustand und kann verkauft werden, was wird an Lebensmittelretter weitergereicht, was taugt zumindest noch als Tierfutter? Oder bleibt nur die letzte Station: der Bio-Komposter vor der Lagerhalle?
Mitarbeiter und gleichzeitig Kunde
Raymund Schmid macht sich an die Arbeit. Er scannt Artikel für das Kassensystem ein, damit vorne im Laden auch abgerechnet werden kann. Sechs Stunden ist er täglich da, von Montag bis Freitag. Als Arbeitsgelegenheit für 1,50 Euro die Stunde.
Raymund Schmid ist langzeitarbeitslos. Er hat früher für eine Spedition gearbeitet, seine Chancen auf einen neuen Job sieht er mit 58 Jahren als sehr schlecht. Die steigenden Lebensmittelpreise spürt er hautnah, die Abschläge für Gas wurden bei ihm bereits erhöht, von Strom war noch gar nicht die Rede. Wenn er an die Abrechnung im nächsten Jahr denke, komme ihm jetzt schon das kalte Grauen, sagt er. Geld zurücklegen sei da nicht drin.
"Wer mir zeigen kann, wie man in einer Stadt wie Heilbronn von 479 Euro noch was zurücklegen kann, der ist ein Künstler. Da sag ich, Hut ab!"
Nach Dienstschluss kann Raymund Schmid auch selbst hier einkaufen. Die Lebensmittel kosten ein Viertel des Ursprungspreises, aber manchmal ist eben nicht alles verfügbar. Dann muss er doch zum Discounter.
Der Bedarf steigt
Der Tafelladen nebenan ist hell und modern eingerichtet. Wären nicht die zwei Dutzend wartenden Personen vor der Türe und die Geräusche aus dem Lager nebenan, das nur durch eine Trennwand abgeschirmt ist, man würde sich wie in einem normalen Supermarkt vorkommen. Zwar etwas kleiner und einige Regale sind auch leer - aber die wichtigsten Dinge für den Alltag sind da.
Herein kommt man nur mit einer Berechtigungskarte. Von denen werden im Schnitt 15 neue ausgegeben, pro Tag. Seit dem Krieg in der Ukraine ist der Bedarf um 50-60 Prozent gestiegen, jetzt kommen auch noch Inflation und die Energiepreise dazu.
Tafelladen versorgt bis zu 6.000 Haushalte
Marco Schönberger, stellvertretender Leiter der Tafel in Heilbronn, berichtet, wie immer mehr Menschen anrufen, die sich trotz Job den normalen Lebensmitteleinkauf nicht mehr leisten können. Die anrufen und fragen, ob sie für die Tafel berechtigt sind. Nicht jedem kann geholfen werden, unterstützt werden diejenigen, die es am nötigsten haben.
"Wir sind keine Versorger, sondern Unterstützer."

Bis zu 6.000 Haushalte versorgt allein der Tafelladen in Heilbronn. Das kann nur mit ehrenamtlichen Helfern gestemmt werden. Davon braucht es eine ganze Menge, denn viele können nur zwei bis drei Stunden aushelfen. Rund 300 Ehrenamtliche sind für die Tafel in Heilbronn tätig.
Spendenbereitschaft als soziale Verantwortung
Der nächste Lieferwagen fährt rückwärts in die Halle zum Entladen. Er ist zu rund einem Drittel gefüllt. Das gilt mittlerweile als gut. Vor Corona wäre der Wagen noch komplett voll gewesen. Viele Supermärkte verkaufen Lebensmittel kurz vor dem Verfallsdatum mittlerweile selber. Das sei zwar schön, wenn Supermärkte effizienter arbeiten, aber es sei halt auch gut, wenn sie einen sozialen Beitrag leisten, findet Marco Schönberger.
"Lebensmittel retten - Menschen helfen!"
Pause vor der Lagerhalle. Hinter den Stühlen liegen auf Paletten große Gebäckstücke mit Sprüchen zu Erntedank, ein Stammkunde holt gerade Futter für seine Schweine ab. Raymund Schmid raucht Zigarillos, die sind billiger als Zigaretten. Ein kleiner Luxus, der aber manchmal auch warten muss, wenn andere Ausgaben anstehen.
Schiffsreise als Traum
Er berichtet davon, wie er trotz allem die Hoffnung und seine Träume noch nicht ganz aufgegeben hat. Vielleicht mal einen Urlaub, falls es ein entsprechender Job zulässt. Am liebsten eine Schiffsreise. Die Wahrscheinlichkeit sei gering. Aber besser als gar keine.