Neue Boulderwand in der Heilbronner Kinderklinik (Foto: SWR, Kim Hartmann)

SLK-Kinderpsychosomatik will hoch hinaus

Nach Corona ist der Therapiebedarf bei Kindern groß

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Laura Cloppenburg

Eine neue Kletterwand in der Heilbronner Kinderklinik soll psychisch belasteten Kindern helfen. Weil der Therapiebedarf infolge Corona gestiegen ist, soll es dabei nicht bleiben.

Seit März gibt es im Ergotherapieraum der SLK-Kinderklinik am Gesundbrunnen in Heilbronn ein neues Spielgerät: Eine Boulderwand, an der sich die kleinen Patientinnen und Patienten im tristen Klinikalltag austoben können. Dabei gehe es aber nicht nur um Spaß, sondern auch um seelische Gesundheit, heißt es.

Klettern als therapeutisches Mittel

Dass Klettern als therapeutisches Mittel erfolgreich sein kann, habe sich insbesondere in der Psychosomatik erwiesen, so Birgit Stock. Sie leitet die Station in der Heilbronner Kinderklinik seit zwölf Jahren.

Therapiebedarf bei Kindern und Jugendlichen enorm gestiegen

Die leitende Oberärztin beobachtet mit wachsender Sorge, wie groß der Behandlungsbedarf derzeit ist. Immer schwerer seien die Erkrankungen, immer jünger ihre Patientinnen und Patienten. Die Corona-Pandemie habe in einem ohnehin belasteten Bereich das Brennglas auf bestehende Probleme gelegt.

Damit bestätigt die Heilbronner Kinder- und Jugendpsychiaterin das allgemeine Bild. Der Vorsitzende des Fachverbands der Kinder- und Jugendpsychiater, Gunter Joas, hatte bereits im Februar 2023 auf die dramatische Lage in Baden-Württemberg aufmerksam gemacht und den Bettenmangel angemahnt.

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Heilbronner Stiftung will helfen

"Große Hilfe für kleine Helden" gibt es von der ebenso benannten Heilbronner Stiftung. Die hat sich zum Ziel gesetzt, dort einzuspringen, wo die Krankenhausfinanzierung zu kurz greift. Die Kletterwand zum Beispiel konnte Ergotherapeutin Manuela Frank mithilfe der Gelder aus den Spendentöpfen anschaffen.  

"Also wenn ich die Türe aufschließe, kommt erstmal so: Wooow! Und dann fragen die Kinder als allererstes: Darf ich an die Boulderwand?"

Neue Therapiemöglichkeiten durch Boulderwand

An der Kletterwand lernen die kleinen Patientinnen und Patienten wieder, ihren Körper wahrzunehmen und Selbstwirksamkeit zu erfahren, so die Ergotherapeutin. Sie erstellt für jedes Kind, je nach Krankheitsbild, ein gezieltes Trainingsprogramm. Weil die Boulder-Griffe sich immer wieder neu zu Routen stecken lassen, sind die Möglichkeiten unendlich.

Mal ist die Übung herausfordernder, mal spielerisch mit begleitender Erzählung zum Parkour. Da werden die Matten dann zu Wasser, die Wand zur Felswand und die Griffe zu Tieren. Dann wird angeklettert, gegen Angst-, Panik- oder Essstörung, sozialen Rückzug oder Depression.

Auch Ergotherapeutin Manuela Frank nimmt den gesteigerten Therapiebedarf am Kinderklinikum in Heilbronn wahr, besonders die Fälle von Essstörungen hätten spürbar zugenommen, sagt sie.

"Corona war für viele Kinder wie ein Wirbelwind im Kopf."

Umbau der Psychosomatikstation geplant

Bei einer Kletterwand soll es daher nicht bleiben. Die Stiftung "Große Hilfe für kleine Helden" plant zusammen mit dem SLK-Klinikum den Umbau der psychosomatischen Station. Es ist das dritte Leuchtturmprojekt der Stiftung, nach dem Umbau der Onkologie 2013 und der Neonatologie 2017. Das Ziel auch diesmal: Eine wohnliche, kinderfreundliche Atmosphäre in den sonst so tristen, sterilen und zweckmäßigen Krankenhausalltag bringen.

1,5 Millionen Euro soll der Umbau der Station C71 kosten. 500.000 Euro will die Klinik übernehmen, eine Million die Stiftung. Aktuell sammelt diese daher Spenden, denn nur die Hälfte des benötigten Betrags kann sie aus Rücklagen aufbringen.

Geplant sind neue Aufenthaltsräume, mehr Raum, um die Familien stärker in die Therapie einzubeziehen und wohnlichere Krankenzimmer. Birgit Stock kann das kaum erwarten, "weil die Kinder hier eben nicht nur zwei bis drei Tage krank sind, wie auf den anderen Stationen", meint sie.

"Unsere Patienten sind manchmal drei bis sechs Monate hier. Das ist ihr zweites Zuhause und umso wohnlicher muss es aussehen."

Baustart für September geplant

Auch eine moderne Wohnküche ist vorgesehen. Das sei wichtig vor allem für die Kinder und Jugendlichen, die an Essstörungen leiden. Durch gemeinsames Kochen sollen sie ein neues Verhältnis zum Essen lernen. Mittlerweile liegen erste Visualisierungen des beauftragten Architekturbüros vor. Im September sollen die Bauarbeiten beginnen.

Bettenkapazität erhöht sich kaum

Behandlungskapazitäten werden sich durch den Umbau nur marginal erhöhen: die aktuell 12 Betten erhöhen sich um zwei auf 14. Mehr gehe aktuell allein personell nicht, ohne dass die Therapiequalität leidet, so Stationsleiterin Birgit Stock. Für sie und ihre Mitarbeitenden heißt das: den übervollen Wartelisten mit neuen Wegen begegnen.

"Wir müssen uns gut vernetzen, wir müssen auch mit den ambulanten Kollegen immer wieder Arrangements und Konstrukte machen, die wir nicht gemacht haben bisher, weil wir einfach die Not haben."

Auch wenn der Umbau kein Ausbau ist: Birgit Stock erhofft sich, dass die besseren Therapiemöglichkeiten am Ende vielleicht auch schnellere Behandlungserfolge mit sich bringen, wodurch dann wiederum mehr Patienten geholfen werden könnte. Auch für das drängende Problem des Nachwuchsmangels könnte der Umbau helfen: ein angenehmeres, zielgerichtetes Arbeitsumfeld führe auch zu mehr Motivation beim Personal.

Bei Ergotherapeutin Manuela Frank ist deutlich zu sehen: Die Möglichkeiten, die ihr die neue Boulderwand im Therapieraum der Kinderklinik bietet, machen ihr jeden Tag aufs Neue Freude. Vor allem, weil sie bereits nach den ersten Wochen Behandlungserfolge bei ihren Schützlingen erkennen kann.

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Laura Cloppenburg