Noch immer Stellen unbesetzt

Warum immer mehr Frauen in Baden-Württemberg Richterinnen werden

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Jan Arnecke
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Jens Nising
Jens Nising, Redakteur und Reporter Südwestrundfunk

Noch immer sucht die Justiz im Land nach neuen Richterinnen und Richtern, Arbeit gibt es genug. Dabei richtet sie sich bewusst auch an Frauen, versucht den Job attraktiv zu machen.

Den 10. März haben die Vereinten Nationen zum "Internationalen Tag der Richterinnen" erklärt. Noch vor drei Jahren waren in Baden-Württemberg 23 Richterinnen- und Richterposten unbesetzt. Die Situation scheint sich etwas verbessert zu haben, dennoch haben die Vorsitzenden nicht nur im Sitzungssaal alle Hände voll zu tun. Aber woran liegt das? Und warum gibt es in Baden-Württemberg mehr Richterinnen als Richter?

Vor allem Frauen werden Richter

Laut dem baden-württembergischen Justizministerium sind inzwischen fast alle Stellen mit Richtern oder Richterinnen besetzt. Schaut man sich die Zahlen des Ministeriums an, sind es vor allem Frauen, die als Richterinnen oder Staatsanwältinnen arbeiten. Die Statistik fasst diese beiden Berufe zusammen und da heißt es: Der weibliche Anteil liegt bei 53 Prozent. Noch deutlicher wird es bei den Referendarinnen und Referendaren - also den Richterinnen und Richtern von morgen. Da liegt die Frauenquote bei satten 80 Prozent.

Ein Blick hinter die Kulissen des Amtsgerichts Heilbronn

Zu den 53 Prozent, die schon voll ausgebildet sind, zählt auch die Heilbronner Richterin Catrin Waldhier. Sie arbeitet am Amtsgericht Heilbronn. Der SWR hat sie begleitet und mit ihr über ihren Job gesprochen. Sie erzählt, schon als Kind wollte sie, dass es gerecht zugeht.

[…] Weil ich halt einfach den Gerechtigkeitssinn hab, dass wenn Leute sich nicht dran halten, die halt auch zu ermahnen und gegebenenfalls auch zu bestrafen.

Doch auch wenn sich die Situation in Sachen Personalstärke wohl entspannt hat, Arbeit gibt es genug und dafür eigentlich noch zu wenige Richterinnen und Richter im Land. Vor allem kleinere Verfahren halten sie auf, fressen Zeit. Sie kommen zum Teil nicht hinterher. Daraus resultieren Überstunden und es führt dazu, dass manche Fälle auch länger liegen bleiben müssen. Das erfährt auch Catrin Waldhier in ihrem Arbeitsalltag.

Von Akten umgeben: Auch Catrin Waldhier kostet die Bearbeitung kleinerer Delikte viel Zeit.
Von Akten umgeben: Auch Catrin Waldhier kostet die Bearbeitung kleinerer Delikte viel Zeit.

Kleinere Delikte fressen Zeit

Zwar geht es vor Gericht auch um die großen Fälle, um Mord, Erpressung, Drogen oder organisierte Kriminalität. Doch es seien eben die kleineren Delikte, die zusätzlich oder überproportional Zeit fressen, erklärt Waldhier im Gespräch mit dem SWR. Beispielsweise wurde am Amtsgericht Heilbronn der Fall um einen Mann verhandelt, der sein Blitzerknöllchen nicht zahlen wollte.

Es ging um ein Bußgeld von 40 Euro, es kam zur Verhandlung, der Mann musste die Strafe schlussendlich trotzdem bezahlen. Doch auch mit solchen Fällen müssen sich Catrin Waldhier und ihre Kolleginnen und Kollegen eben auseinandersetzen. Der Wunsch nach noch mehr Kolleginnen und Kollegen bleibt also weiterhin bestehen.

Warum die Frauenquote in Baden-Württemberg so hoch ist

Dass sich vor allem Frauen für den Beruf des Richters entscheiden, könnte an der besonderen Regelung in Baden-Württemberg liegen. Richterinnen und Richter können ihren Tag recht frei gestalten, erklärt Waldhier. Sie legt die Termine der Verhandlungen selbst fest, kann ansonsten aber auch im Homeoffice arbeiten und auch Teilzeit ist möglich - für alle Richterinnen und Richter im Land.

Man hat keinen Chef, der einem sagt, wann man zu kommen und wann man zu gehen hat, sondern man kann sich selbst einteilen. Hauptsache man erledigt seine Arbeit.

Darüber hinaus wirbt die baden-württembergische Justiz auch damit, dass man nach der Elternzeit problemlos wieder einsteigen könne, betont auch Alexander Jörg, der Vizepräsident des Amtsgerichts Heilbronn. Das ist wohl vor allem für Frauen besonders attraktiv.

Richter terminieren, Rechtsanwälte werden terminiert

Anders sieht es da bei den Rechtsanwältinnen aus. Die können zwar mehr verdienen, sind dafür in ihrem Arbeitsalltag aber überhaupt nicht flexibel. Die Richterinnen und Richter legen die Verhandlungstermine fest, die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte werden sozusagen terminiert und müssen sich danach richten. Das bestätigt auch die Heilbronner Rechtsanwältin Anke Stiefel-Bechdolf: "Derjenige, der sich mehr für die Life-Balance entscheidet oder auch vielleicht für die Selbstbestimmungsmöglichkeiten der Arbeitszeit, der muss sich für die Justiz entscheiden. Denn es machen die Richter die Termine. Wir werden terminiert."

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