Explosionen und Feuer nach verweigerter Hausdurchsuchung

Schüsse auf Polizisten: Mutmaßliche "Reichsbürger" in Boxberg-Bobstadt wegen illegalen Waffenbesitzes festgenommen

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In Boxberg-Bobstadt ist am Mittwochmorgen ein Polizeieinsatz wegen illegalen Waffenbesitzes eskaliert. Nach Schüssen und Bränden kam es zu Festnahmen mutmaßlicher "Reichsbürger".

Der Einsatz der Polizei unter Mitwirkung eines Spezialeinsatzkommandos (SEK) in Boxberg-Bobstadt (Main-Tauber-Kreis) begann gegen 6 Uhr am Mittwochmorgen. Es sollte eine Waffe beschlagnahmt werden, so Hans Becker, Polizeipräsident des Präsidiums Heilbronn. Ein 54-jähriger Mann, wohl der Vater der dort wohnenden Familie, widersetzte sich der Durchsuchung.

Die Polizei bestätigte, dass dabei mehrere Schüsse abgegeben wurden. Ein Beamter erlitt eine Schussverletzung am Bein und musste ins Krankenhaus gebracht werden, er sei aber nicht lebensgefährlich verletzt, hieß es.

Brand und mehrere Explosionen - Entschärfer sicherten das Haus

Das Anwesen geriet wenig später in Brand. Um die Einsatzkräfte und Anwohner nicht zu gefährden - im Haus wurde Munition vermutet, außerdem gab es frei laufende Hunde - waren Löscharbeiten zunächst nicht möglich. Es kam zu mehreren lauten Explosionen.

Verhandlung per Notruf

Laut Polizei meldete sich der Mann wenig später per Notruf aus dem Gebäude, daraufhin verhandelten die Einsatzkräfte mit ihm. Schlussendlich verließ der Mann mit einer weiteren Person das Gebäude. Alle sieben Menschen, die auf dem Gelände leben, wurden festgenommen, teilte die Polizei dem SWR mit.

Das Haus wurde inzwischen von Entschärfern gesichert. Es bestand der Verdacht, dass dort Munition oder Ähnliches gelagert wird. SWR-Reporter vor Ort berichteten noch Stunden später von vereinzelten Explosionen. Später brach außerdem erneut ein Feuer aus.

Ortskundige Autofahrer wurden gebeten, das Gebiet um Bobstadt weiträumig zu umfahren. Anwohner sollten ihre Türen und Fenster geschlossen halten, hieß es weiter. Hubschrauber waren über Boxberg-Bobstadt in der Luft. Noch am späten Nachmittag waren viele Polizisten, Spezialeinsatzkräfte und Rettungsdienste vor Ort.

Festgenommener Mann ist offenbar sogenannter Reichsbürger

Da ein politisch motivierter Hintergrund nicht ausgeschlossen werden kann, ermitteln das Landeskriminalamt Baden-Württemberg und das Polizeipräsidium Heilbronn. Inzwischen bestätigte Polizeipräsident Hans Becker vom Präsidium Heilbronn, dass es konkrete Hinweise aus der Bevölkerung gebe, dass der festgenommene Mann der sogenannten Reichsbürger-Szene zuzurechnen sei.

Zudem war der Mann offenbar wegen anderer Delikte bereits bei der Polizei bekannt. Er besaß eine Waffe - die zugehörige Waffenbesitzkarte wurde ihm allerdings entzogen. Weil er seine Waffe nicht abgeben wollte, kam es zum Polizeieinsatz am Mittwochmorgen.

Der Ortsvorsteher von Bobstadt, Alwin Deissler, sagte dem SWR, dass sich die Familie mit zwei Kindern immer mehr zurückgezogen habe, wohl weil sie große Hunde halte. Im Zusammenhang mit Waffen sei ihm über besagte Personen aber nichts bekannt gewesen.

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Polizeigewerkschaft sieht zunehmende Gefahr in "Reichsbürgern"

Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) sieht in den sogenannten Reichsbürgern eine "zunehmende Gefahr für den Rechtsstaat und die Innere Sicherheit". Das teilte sie in einer Pressemeldung am Mittwochnachmittag mit. Die Gewerkschaft bringt diese Einschätzung auch unmittelbar mit dem Großeinsatz in Boxberg-Bobstadt in Zusammenhang - wohin man aktuell mit "großer Sorge" blicke.

"Wenn - wie offensichtlich hier - Täter auf die Polizei schießen, ist das die schreckliche Realität und zeigt, mit welcher Brutalität und Skrupellosigkeit die Täter vorgehen. Das zeigt auch, dass 'Reichsbürger' vor nichts zurückschrecken."

Dass in Bobstadt das SEK beteiligt war, so heißt es in der Meldung weiter, sei ein Zeichen dafür, dass Polizei, Behörden und Justiz bereits von einer größeren Gefährdung ausgegangen seien. Dabei könne man immer nur hoffen, dass alles gut ausgehe und alle eingesetzten Kräfte gesund aus dem Einsatz nach Hause kämen. Leider müsse man bei solchen Einsätzen immer auch mit Waffengewalt rechnen.

Innenminister Strobl: "Keine Waffen in Händen von Extremisten"

Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) erklärte zu dem Einsatz der Polizei in Boxberg-Bobstadt, dass "dieser brutale Schusswaffen-Angriff" belege, wie wichtig "sehr konsequentes Vorgehen gegen jegliche Extremisten, darunter auch die 'Reichsbürger'", in Sachen Schusswaffen sei.

"Wer unsere Regeln des Zusammenlebens derart verachtet und sich gegen den Staat militant auflehnt, muss mit aller Härte des Gesetzes zur Rechenschaft gezogen werden."

Seit fünf Jahren gelte in Baden-Württemberg: "Keine Waffen in Händen von Extremisten" - das werde konsequent durchgesetzt, auch und gerade gegen sogenannte Reichsbürger und Selbstverwalter, so Strobl.

Nun gelte es, durch die behördlichen Ermittlungen die genauen Hintergründe ans Licht zu bringen, ließ Strobl in einer Mitteilung verlauten.

Weiterer Reichsbürger-Angriff im Februar

Auch in Efringen-Kirchen (Kreis Lörrach) war es vor Kurzem zu einem gewaltsamen Vorfall mit einem radikalisierten sogenannten Reichsbürger gekommen. Ein 61-Jähriger überfuhr im Februar mit seinem Auto einen Polizisten und verletzte ihn schwer. Das Opfer ist bis heute dienstunfähig, der Beschuldigte schweigt weiter zu den Vorwürfen.

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SWR