Der Plan, bestimmte Meiler deutscher Atomkraftwerke als Notreserve am Netz zu lassen, steht immer mehr infrage. Die Bundesregierung und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) wollen dadurch die Energieversorgung sichern. Nach der Debatte um Isar 2 wegen eines verschlissenen Druckventils geht es jetzt auch um den möglichen Weiterbetrieb von Block II des Atomkraftwerks Neckarwestheim (Kreis Heilbronn). Dort gibt es schon seit Jahren Risse in Rohren.
Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim (VGH) verhandelt am 14. Dezember daher über die Betriebsgenehmigung des AKW Neckarwestheim II über das Jahresende hinaus.
Ziel: AKW-Weiterbetrieb noch in letzter Minute verhindern
Laut gemeinsamer Mitteilung hoffen die Atomkraftgegnerinnen und -gegner von ".ausgestrahlt" und dem Bund der Bürgerinitiativen Mittlerer Neckar (BBMN) jetzt, einen Weiterbetrieb von Neckarwestheim noch in letzter Minute verhindern zu können. Dann sei jede Überlegung über eine Laufzeitverlängerung in Form von Streckbetrieb hinfällig, sagte Franz Wagner vom Bund der Bürgerinitiativen Mittlerer Neckar, die klagen.
"Daraus muss aus unserer Sicht eine Konsequenz gezogen werden, nämlich alle Vorbereitungen in Richtung Reservebetrieb oder Streckbetrieb müssen eingestellt werden, weil gar keine Planbarkeit mehr vorliegt."
Umweltministerium will Urteil am VGH abwarten
Seit Jahren mahnen sie zur Abschaltung mit dem Argument, die Risse in den Rohren seien ein Risiko. Einen Eilantrag zur sofortigen Abschaltung hatte der Verwaltungsgerichtshof im Frühjahr abgelehnt, am Dienstag aber hat er auf den 14. Dezember die Hauptverhandlung angesetzt.
Habe die Klage Erfolg, müsse das Umweltministerium (UM) den weiteren Betrieb des Reaktors unterbinden, so die Mitteilung der Atomkraftgegnerinnen und -gegner. Das baden-württembergische Umweltministerium nimmt auf SWR-Anfrage dazu schriftlich Stellung: "Was das UM zu tun hätte, hängt an der Frage, was entschieden wird, und an der Frage, ob Rechtsmittel gegen das Urteil zugelassen und dann auch eingelegt werden."
Risse an Dampferzeugerheizrohren laut Umweltministerium bedenkenlos
Bei Revisionen wurden in der Vergangenheit immer wieder Risse an den Oberflächen von Dampferzeugerheizrohren festgestellt. Diese waren nach Ansicht des Umweltministeriums in der Vergangenheit jedoch kein Sicherheitsrisiko. Und auch jetzt bezieht sich das Umweltministerium in seiner Stellungnahme darauf, dass die Rohre "im Kernkraftwerk GKN II unter Zuziehung von Sachverständigen sicherheitstechnisch bewertet [wurden]."
Bei Beanstandungen seien Abhilfemaßnahmen getroffen worden. "Die Anlage wird entsprechend den Vorgaben des kerntechnischen Regelwerks betrieben, die erforderlichen Nachweise liegen alle vor und sind von mehreren Sachverständigen mit positivem Ergebnis geprüft worden", heißt es.
Isar 2 kämpft ebenfalls mit kaputten Teilen
Am Montag war bereits bekannt geworden, dass für einen Weiterbetrieb von Isar 2 über den Jahreswechsel hinaus ein Druckventil im Kühlkreislauf ausgetauscht werden müsste. Es sei verschlissen.
Die Bundesregierung erwägt, die Atomkraftwerke Neckarwestheim II und Isar 2 in Bayern bis Mitte April einsatzbereit zu halten. Notreserve heißt, es bleibt noch Personal im Atomkraftwerk, Sicherheitschecks werden durchführt, aber es wird kein Strom mehr produziert. Um ein Reservekraftwerk ans Netz zu bringen, brauche es laut Bundesregierung ungefähr eine Woche. Hintergrund ist, dass durch die Gaskrise möglicherweise ein Energienotstand im Winter droht.
AKW Neckarwestheim als Notreserve Umweltministerin will Sicherheitsfragen klären
Das Atomkraftwerk Neckarwestheim 2 soll für Notfälle bis April verfügbar bleiben. BW-Umweltministerin Walker (Grüne) betont offene Fragen - vor allem bei der Sicherheit.
Gesetz zum Atomausstieg: Laufzeitende am 31. Dezember 2022
Eigentlich wäre das Atomkraftwerk auch Ende des Jahres Geschichte gewesen: Im Gesetz zum Atomausstieg war vereinbart worden, dass die verbliebenen deutschen Atomkraftwerke Isar 2 in Bayern, Neckarwestheim II und Emsland in Niedersachsen als letzte Meiler am 31. Dezember 2022 abgeschaltet werden. Für einen möglichen Notreservebetrieb wird die Entscheidung voraussichtlich im Dezember fallen - sowohl vonseiten des Gerichts als auch von der Politik.