Die Debatte um die Sicherheit in Psychiatrischen Einrichtungen nach einem Ausbruch vor rund zwei Wochen hält weiter an. Drei der Männer sind noch flüchtig, bisher gibt es keine Spur. Einer der Ausbrecher war schnell gefasst worden. Die Männer kamen teils wegen Gewaltdelikten ins Gefängnis. In die psychiatrische Abteilung des Klinikums am Weissenhof Weinsberg (Kreis Heilbronn) kamen sie wegen Suchterkrankungen.
Oft keine Experten-Diagnose
Da setzt die Forderung der Kliniken für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie in Baden-Württemberg an: Oft liege keine Abhängigkeitsdiagnose eines Experten vor, ein Aufenthalt in einer Klinik sei oft eine Empfehlung des Gerichts. Das müsse geändert werden, so die Facharbeitsgruppe Maßregelvollzug, in der die Leitungskräfte zusammenarbeiten.
Udo Frank, Sprecher der Facharbeitsgruppe Maßregelvollzug, erläutert im Gespräch mit dem SWR, welchen Änderungsbedarf er sieht: Derzeit können Menschen, für die ein Gericht neben der Haft die Unterbringung im Maßregelvollzug angeordnet hat, theoretisch schon nach der Hälfte der Haftzeit frei kommen. Für alle anderen Häftlinge besteht diese Chance erst nach zwei Dritteln der Zeit. Somit besteht laut Frank der Anreiz, dass Menschen in den Maßregelvollzug wollen, weil sie die Hoffnung haben, dadurch schneller frei zu kommen. Dieses Privileg müsse abgeschafft werden, fordert Frank.
"Es muss gelingen, Fehlanreize für kriminell geprägte Personen abzuschaffen und die Zuweisungen in die Suchtforensik auf kranke behandlungsgeeignete und -motivierte Patienten zu beschränken."
Oftmals Suchtprobleme bei Häftlingen
Außerdem kritisiert Frank, dass der Rechtsbegriff der "Suchtmittelabhängigkeit" zu unscharf sei. Suchtprobleme seien bei Häftlingen sehr häufig, sagte Frank dem SWR. Unterschiede zwischen Häftlingen mit einfachen Suchtproblemen und Menschen, die wirklich eine hochspezialisierte Suchtbehandlung benötigen, müssten besser herausgearbeitet werden, bevor die Unterbringung erfolgt, so Frank.

Die aktuelle Gesetzeslage hat Auswirkungen in den Kliniken: Es sei unverständlich, heißt es in einer Mitteilung der Kliniken für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie in Baden-Württemberg, "dass den sogenannten Entziehungsanstalten gemäß § 64 StGB mittlerweile in größerer Zahl strafrechtlich schuldfähige und damit voll verantwortliche Personen mit hoher krimineller Belastung zugewiesen werden, bei denen keine Abhängigkeitsdiagnose vorliegen muss, und bei denen überwiegend der Sicherungsaspekt im Vordergrund steht."
Höhere Therapie-Abbruch-Quote
Damit sei die Belegung im Suchtmaßregelvollzug bundesweit erheblich angestiegen und habe auch zu hohen Therapie-Abbruch-Quoten geführt. Hintergrund seien unscharfe und nahezu beliebig auslegungsfähige Begriffe im Einweisungsparagrafen 64 des Strafgesetzbuchs, heißt es weiter.
Die Kliniken fordern eine rasche Gesetzesreform auf Bundesebene, um Fehlanreize für kriminell geprägte Personen abzuschaffen, heißt es. Aktuell tagt dazu eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe, deren Ergebnisse erwartet werden. Bereits 2019 hatte das ZfP-Südwürttemberg eine Reform gefordert. Auch Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) forderte bereits eine Streichung des Paragrafen.
Sicherheitsstandards sehr hoch
Trotz allem verweisen die Kliniken für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie in Baden-Württemberg darauf, dass sehr streng auf Sicherheitsstandards geachtet werde und diese auch immer wieder aktualisiert würden. So gab es in der Klinik in Weinsberg seit der Nutzung des Gebäudes im Jahr 2006 keinen Ausbruch.