Was nach einem schweren Unfall für Laien nur ein großes Trümmerfeld auf der Autobahn ist, erzählt Gutachter Dieter Wolpert aus Untermünkheim (Kreis Schwäbisch Hall) eine ganze Geschichte. Er ist Kfz-Sachverständiger bei der DEKRA in Heilbronn und wird von Staatsanwaltschaft und Gerichten regelmäßig zur Klärung von Unfällen beauftragt. Denn vor Gericht geht es immer auch um die Schuldfrage.
Darauf achten Gutachter besonders
Die Unfallsachverständigen sind rund um die Uhr in Bereitschaft und fahren mit ihren Privatautos zur Unfallstelle. Dort angekommen, markiert Wolpert zunächst die wichtigsten Spuren. "Das sind Brems- und Schleuderspuren, Trümmerteile und Flüssigkeitsspuren - außerdem sind die Schäden an den Fahrzeugen und deren Endlage von großer Bedeutung", erklärt er.
Besonders wichtig sei es, die genauen Kollisionsstellen zu finden. Zum Beispiel, um zu klären, wer bei einem Frontalunfall nicht auf seiner Fahrbahnhälfte fuhr. Zusätzlich achtet er auch auf Wetterverhältnisse und Sicht.



Nachdem Wolpert seine Markierungen gesetzt hat, macht er Fotos mit dem Smartphone und lässt eine Drohne steigen. Bei Dunkelheit braucht er dafür die Unterstützung von Feuerwehr oder Technischem Hilfswerk (THW), die die Unfallstelle entsprechend ausleuchten. Ist der Gutachter fertig, kann der Abschleppwagen kommen. Der größte Feind des Gutachters ist bei einem Rettungseinsatz das Ölbindemittel, denn das macht viele Spuren unbrauchbar. Auch deshalb hält Wolpert regelmäßig Vorträge bei Feuerwehren.
Passen die Ergebnisse zur Obduktion?
Bei tödlichen Unfällen geht es für den Experten und seine Kollegen auch manchmal in die Rechtsmedizin. Dort wird verglichen, ob die Verletzungsmuster überhaupt zum ermittelten Unfallhergang passen. Manchmal bekommt Wolpert hier weitere Informationen, die bis dahin fehlten. Zum Beispiel, ob Betäubungsmittel im Spiel waren oder wo genau ein Auto einen Fußgänger am Körper erfasst hat.

Nach einem tödlichen Unfall folgt die Auswertung am Rechner
Ausgewertet wird auch digital: Nach der Begehung des Unfallorts geht es für den Gutachter an den Computer. Wer schon einmal Gebäude fotografiert hat, weiß, dass es zu Verzerrungen kommen kann - beispielsweise stürzende Linien. Deshalb errechnet eine Software aus vielen Drohnenbildern ein maßstäblich entzerrtes Luftbild (Orthobild). Dadurch lassen sich mithilfe der Spuren Geschwindigkeit und Ablauf errechnen. Ein Simulationsprogramm kann danach auch eine entsprechende Animation des Ablaufs erstellen.
Seit Juli 2024 ist in neuen Fahrzeugen auch eine Art Blackbox Pflicht, das sogenannte Event Data Recovery (EDR). Es zeichnet Daten kurz vor und nach einem Unfall auf. Diese Informationen können mitunter bei der Lösung eines Falles helfen. Manchmal werden auch die Wracks auf mögliche technische Defekte hin untersucht. Das hier aber die Ursache liegt, sei extrem selten, so Wolpert.

Aussage vor Gericht
Wenn Wolpert alle seine Informationen zusammen hat, schreibt er sein Gutachten. Das hat im Schnitt etwa 30 Seiten. Mehr als 120 Verkehrsunfälle bearbeitet er pro Jahr. Bei Strafprozessen stellt er seine Ergebnisse persönlich vor, beantwortet etwaige Fragen. Bei Zivilprozessen wird er nicht von der Staatsanwaltschaft, sondern vom Gericht beauftragt. Hier geht es um die Frage, wer welche Schuld trägt und wer wem was bezahlen muss.
