Michael Freitag ist Bauleiter bei Bittermann & Weiß, einem Holzbauunternehmen aus Großrinderfeld-Gerchsheim (Main-Tauber-Kreis). In den letzten zwei Jahren hat Freitag viel Neues gelernt - nicht nur über Viren und Aerosole, sondern auch über das Thema Homeoffice.
"Vor der Pandemie dachte ich über Homeoffice, dass dann alle zu Hause in der Sonne liegen oder Fernsehen gucken."
Seit vielen Monaten arbeitet Michael Freitag nun selbst zwei Tage die Woche von zu Hause aus. Der Bauleiter hat gemerkt: "In Wirklichkeit bin ich zu Hause viel produktiver. Im Vergleich zu einem Tag im Büro arbeite ich zu Hause das Doppelte weg."
Und Fernsehen während der Arbeitszeit? Nein, auf die Idee sei er tatsächlich nie gekommen.

Homeoffice-Pflicht fällt
Michael Freitag ist mit seiner Einstellung nicht allein. Viele Arbeitnehmer in Heilbronn-Franken haben durch die Corona-Pandemie Vorteile entdeckt, die das Arbeiten zu Hause bieten kann. Das Pendeln entfällt, Arbeit und Familie lassen sich oft flexibler vereinen, zwischendurch kann man die Waschmaschine einschalten.
Nun aber soll die Homeoffice-Pflicht fallen. Solange das Pandemiegeschehen es bis dahin zulässt, sind Firmen ab dem 20. März nicht mehr gesetzlich verpflichtet, ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Homeoffice anzubieten. Das hat die Bund-Länder-Runde am Mittwoch als Teil der schrittweisen Lockerungen der Corona-Maßnahmen beschlossen.
Südwestmetall: Gesetzliche Regelung nicht nötig
Jörg Ernstberger, Geschäftsführer der Südwestmetall-Bezirksgruppe Heilbronn/Region Franken, begrüßt den voraussichtlichen Wegfall der Homeoffice-Pflicht. Arbeitgeber müssten weiterhin flexibel auf das Pandemiegeschehen reagieren und würden dies auch tun, so Ernstberger. Es sei aber zu bedenken, dass Arbeiten zu Hause auch negative Seiten habe.

So hat der Arbeitgeberverband Südwestmetall laut Ernstberger zum Beispiel vermehrt Rückmeldung zu Spannungen aus Unternehmen erhalten, weil Mitarbeiter eine "Zwei-Klassen-Gesellschaft" beklagt hätten - denn in manchen Bereichen wie etwa der Produktion ist Homeoffice nicht möglich.
Ernstberger hält eine weitere gesetzliche Regelung zum Homeoffice nicht für notwendig. Das Thema sei bei den Betriebsparteien gut aufgehoben, die sich individuell in Form von Betriebsvereinbarungen dazu verständigen könnten.
Werden Arbeitnehmer zurück ins Büro gezwungen?
Müssen Arbeitnehmer wie Michael Freitag mit Wegfall der verpflichtenden Homeoffice-Regelung nun Sorge haben, dass ihre Vorgesetzten sie verstärkt zurück ins Büro zwingen - obwohl sie da gar nicht mehr hinwollen?
Ein Stimmungsbild unter Arbeitgebern in Heilbronn-Franken zeigt, dass dies nicht zu erwarten sein dürfte. Mehrere Arbeitgeber sagten auf SWR-Anfrage, dass der Wegfall der Homeoffice-Pflicht für sie kaum Auswirkungen habe, da das Thema inzwischen einfach Realität und in Betriebsvereinbarungen oder anderweitig geregelt sei.
Die Stadt Heilbronn beispielsweise, die rund 3.200 Menschen beschäftigt, will Homeoffice künftig nicht zurückfahren, sondern vielmehr noch ausweiten.
"Bei uns ist das Thema Homeoffice Realität und nicht mehr wegzudenken."
Mindestens die Hälfte ihrer Arbeitszeit sollen Beschäftigte der Stadt Heilbronn auch künftig von zu Hause arbeiten dürfen, nach individueller Absprache auch noch mehr - so ist es laut Personalchef Tilo Schilling vorgesehen.

Etwa 1.200 Mitarbeitende der Stadt haben derzeit die Möglichkeit zu Homeoffice. In einigen Bereichen, zum Beispiel in Kindertagesstätten oder einer eigenen Reinigung der Stadt, ist Homeoffice nicht möglich.
Pläne bei Wittenstein und Würth
Auch beim Maschinenbauer Wittenstein mit Sitz in Igersheim (Main-Tauber-Kreis) wurde während der Pandemie die Betriebsvereinbarung zu Homeoffice überarbeitet, wie Personalchefin Karin Markert dem SWR sagte. Die Möglichkeit, bis zu zwei Fünftel der wöchentlichen Arbeitszeit von zu Hause aus zu arbeiten, sieht die Vereinbarung demnach für Beschäftigte vor. Bei Menschen, die für ihren Job viel unterwegs sind, können es laut Markert auch mehr sein.
Die Personalchefin plant für die kommenden Monate kleine Anreize, um Mitarbeitenden die Rückkehr ins Büro attraktiver zu machen.
"Anstelle von Weihnachtsfeiern haben wir auch Budget ausgegeben, dass man dieses Thema noch nachholen kann, etwa mit einer Teamfeier."
Würth: Zwei Home-Office-Tage pro Woche möglich
Auch die Würth-Gruppe aus Künzelsau (Hohenlohekreis) teilte auf SWR-Anfrage mit, dass das Unternehmen die Chancen und Möglichkeiten, die das mobile Arbeiten bietet, nutzen konnte und einen guten Weg gefunden habe, den Mitarbeitenden "mit der nötigen Flexibilität entgegenzukommen."

Diese höhere Flexibilität wolle das Unternehmen auch künftig beibehalten, so ein Sprecher. In einer Betriebsvereinbarung sei geregelt, dass jeder Würth-Mitarbeitende auch künftig zwei mobile Office-Tage pro Woche in Abhängigkeit seiner Tätigkeit in Anspruch nehmen kann.
Hoffnung auf Flexibilität der Vorgesetzten
Der Bauleiter Michael Freitag aus dem Main-Tauber-Kreis geht davon aus, dass der voraussichtliche Wegfall der Homeoffice-Pflicht im März für ihn persönlich keine Konsequenzen haben wird.
Die Arbeit von zu Hause aus laufe sehr gut. Freitag glaubt, dass das auch sein Vorgesetzter merke. "Mein Chef wird nicht auf die Idee kommen zu sagen: Jetzt kommt ihr alle wieder in die Firma", sagt Freitag.