Privater Transport liefert Hilfsgüter in die Ukraine

Verstörende Situationen für Weikersheimer auf dem Weg ins Kriegsgebiet

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AUTOR/IN
Timo Leiß

1.200 Kilometer – von Weikersheim bis kurz hinter die ukrainische Grenze. Eine private Initiative liefert Hilfsgüter in die Ukraine. Trotz Fliegeralarm ist der Transport geglückt.

Es ist kurz nach 7 Uhr am Samstagmorgen, als Hans-Joachim Haas den Motor des 40-Tonners startet. Weder die Strecke noch die 22-stündige Fahrt bis ins Krisengebiet haben die Helfer aus Weikersheim (Main-Tauber-Kreis) abgehalten. Im Gepäck haben sie 38 Paletten mit Lebensmitteln, Medikamenten, Krücken und Hygieneartikeln – alles Spenden aus der Region.

In der Ukraine ist die Versorgung vielerorts zusammengebrochen. Ein Teil der Hilfsgüter ist für ein Waisenhaus bestimmt, in dem Kinder untergekommen sind, die ihre Eltern im Krieg verloren haben. Begleitet wird Haas von seiner Frau Birgit, seiner Familie und Freunden aus Weikersheim. Die Helfer wissen noch nicht, was sie in der Ukraine erwartet. Einfach so weitermachen wollen sie aber nicht. Sie wollen helfen.

Mit dabei ist auch Hans-Albrecht Müller. Sein Schwager lebt in der Ukraine. Kurz nach Ausbruch des Kriegs ist er schon einmal mit einem Kleinbus in die Ukraine gefahren, um Lebensmittel an notleidende Ukrainer zu liefern. Auf der Rückfahrt wurde ihm klar: Ein kleiner Bus reicht nicht. Jetzt begleitet er den großen Lastwagen, fährt voraus, klärt mit seinem ukrainischen Schwager den Grenzübertritt in die Ukraine.  

17 Stunden ist der Hilfstransport bis zur polnischen Grenzen unterwegs. Schon auf dem Weg durch Polen begegnen den Weikersheimern Helfer aus ganz Europa.  

"Es waren sehr viele Fahrzeuge unterwegs, die aus England gekommen sind. Es war ein ganzer Konvoi aus Spanien dabei, auch aus Italien. Die Hilfsbereitschaft, die hier gezeigt wird, ist schon enorm."

Am Grenzübergang Krakowez: Stunden des Wartens für die Helfer. Vor der polnisch-ukrainischen Grenze haben sich kilometerlange Warteschlangen gebildet.

Als humanitärer Hilfstransport können die Weikersheimer am Stau vor der Grenze vorbeifahren, dennoch dauert es Stunden. Mitten während der Grenzformalitäten: Fliegeralarm. Die Luftabwehr hat Flugkörper in der Westukraine geortet und Alarm geschlagen.  

"Da wird einem schon mulmig, da denkt man dann schon über das eine oder andere kurz nach. Man hat auch gemerkt, die Leute, auch die Zöllner dort, die waren dann sehr nervös plötzlich und angespannt … bis sich das dann wieder gelegt hat, ging bestimmt eine halbe, dreiviertel Stunde um."

Hinter der Grenze erwarten die Helfer, wie sie sagen, erschreckende und belastende Bilder. Mitten in der Nacht, schildert Haas, kommen dem Hilfstransport alte Frauen entgegen, die ihr Hab und Gut in Plastiktüten in Richtung Grenze schleppen. Junge Mütter, die ihre Kleinkinder bei -8 Grad auf dem Arm tragen auf der Suche nach sicherer Unterkunft. Haas kann kaum glauben, dass er so was "in unserer heutigen Zeit, mitten in Europa, mitten unter uns erleben muss."

Kurz hinter der Grenze ist der Hilfstransport an seinem Ziel. Die 18 Tonnen Hilfsgüter werden umgeladen.

Ukrainische Helfer bringen die Spenden, die in Weikersheim gesammelt wurden, nach Terebowlja, eine Stadt ungefähr so groß Weikersheim.   

"Diese Dankbarkeit die einem da entgegenkommt, die ist schon enorm. Die Leute sehen das auch nicht als selbstverständlich. Die entschuldigen sich zig mal dafür, für etwas, für das sie eigentlich überhaupt nichts können und freuen sich darüber, dass sie diese Unterstützung bekommen."

Haas, seine Frau, seine Familie, die Helfer machen sich auf den Rückweg. Auch jetzt dauert es an der Grenze wieder Stunden, auch weil die polnischen Grenzer genau kontrollieren, wer aus dem Kriegsgebiet nach Polen und in die EU einreisen will. Erst kurz hinter der Grenze machen die Helfer Rast, planen aber schon den nächsten Hilfstransport. Die Menschen aus der Region um Weikersheim hatten so viel gespendet, dass die Helfer gar nicht alles mitnehmen konnten. Knapp 1.200 Kilometer entfernt wartet deshalb erneut fast eine ganze Lkw-Ladung Hilfsgüter auf die Rückkehr der Helfer und den nächsten Transport.

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Timo Leiß