Die Evangelische Heimstiftung fordert von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), die Koalitionsparteien beim Thema "allgemeine Impfpflicht" zu einen und möchte Klarheit zum Thema. Es gebe weiterhin kein schlüssiges Schutzkonzept für Pflegeheime, kritisiert Bernhard Schneider, Hauptgeschäftsführer der Evangelischen Heimstiftung (EHS). Nun steigt die Inzidenz, Experten warnen vor einem Corona-Chaos und fordern konkrete Maßnahmen für ein mögliches "ungünstiges Szenario" im Herbst. Es muss gehandelt werden, fordert Schneider. Aber es passiert: nichts.

"Es sind Geschichten aus Absurdistan, die da gerade geschrieben werden. Ich könnte ja lachen, wenn es nicht so traurig wäre."
Landesweit betreibt die EHS 99 Einrichtungen, davon 22 in Heilbronn-Franken, unter anderem in Satteldorf und Crailsheim (jeweils Kreis Schwäbisch Hall), Neuenstadt und Brackenheim (jeweils Kreis Heilbronn) oder Heilbronn. Dazu kommen Tagespflegeeinrichtungen und mobile Dienste, im Main-Tauber-Kreis beispielsweise in Tauberbischofsheim und Bad Mergentheim.
Pflegebedürftige müssen vor Ansteckung geschützt werden
Stattdessen übe man sich in Berlin in "Corona-Blabla", langen Ankündigungen und politischen Machtkämpfen, bemängelt Schneider. Olaf Scholz müsse als Bundeskanzler den politischen Streit beenden und endlich eine Richtung vorgeben. Aber er schweige.
Eine allgemeine Impfpflicht ist die wichtigste Maßnahme, um das Virus einzudämmen und damit alte, pflegebedürftige Menschen vor Ansteckungen zu schützen, heißt es bei der EHS. Die ist aber nach wie vor nicht in Sicht. Stattdessen dürfen Besucher weiterhin ungeimpft in den Einrichtungen ein- und ausgehen. Die einzigen, die sich impfen lassen müssen, sind Pflege- und Betreuungskräfte.
Das empfänden viele Mitarbeitende als ungerecht und verließen scharenweise den Beruf, so Schneider. Damit riskiere die Politik den Zusammenbruch des Gesundheitswesens im Oktober, "es drohe ein neuer Aderlass" bezüglich der Mitarbeitenden, prophezeit er.

Versorgungsengpässe in der Pflege im Herbst
"Wir haben keine Reserven mehr, um die vielen Krankmeldungen zu kompensieren", sagt der Hauptgeschäftsführer der Evangelischen Heimstiftung mit Hauptsitz in Stuttgart. Sie rechnet deshalb zum Herbst mit erheblichen Versorgungsengpässen sowohl im Pflegeheim als auch in der ambulanten Pflege.
"Den Verantwortlichen in Berlin muss klar sein: Wenn sie sich weiterhin weigern, Verantwortung zu übernehmen, riskieren sie den Kollaps des Pflegesystems."
Schneider: "Datenlage weiterhin katastrophal"
Auch die Datenlage als Grundlage vorausschauender Corona-Maßnahmen sei weiterhin katastrophal, heißt es weiter: An Stelle eines Impfregisters oder eines einfachen, digitalen Verfahrens zur Dokumentation und Übermittlung des Impfstatus von Bewohnerinnen und Bewohnern und Mitarbeitenden gibt es komplizierte Datenschutzbestimmungen, mit denen die aufwendigen Meldepflichten nicht zu erfüllen sind.

"Unsere Pflegedienstleitungen müssen sich tatsächlich immer wieder die Impfnachweise zeigen lassen und Strichlisten führen, um sie dann ans Robert-Koch-Institut (RKI) zu schicken", sagte Schneider.
Ende der Fahnenstange irgendwann erreicht
Der Hauptgeschäftsführer lobt dagegen ausdrücklich die Pflegekräfte: Sie hätten eine hohe Ausdauer und Leidensfähigkeit. "Unsere Leute wissen um ihre Sonderrolle in der Pandemie und sie geben wirklich alles", sagte Schneider, "aber irgendwann ist das Ende der Fahnenstange erreicht."
Bei der Evangelischen Heimstiftung glaube niemand mehr an eine vorausschauende Corona-Politik, obwohl die Eckpunkte dafür eindeutig seien: eine überzeugende Impfkampagne, eine allgemeine Impfpflicht mit Impfregister, dazu ein nachhaltiges Hygienekonzept mit Testangeboten und Maskenpflicht.

Konkreter Plan muss auf den Tisch
Abschließend schreibt Schneider: " Niemand werde sagen können, das wäre nicht absehbar gewesen." Noch sei Zeit zu handeln und einen konkreten Plan auf den Tisch zu legen. "Die Menschen in den Pflegeeinrichtungen warten darauf."