Kliniken und Landesverband bestürzt über Entscheidung

Weniger Geld für freiberufliche Hebammen: Welche Folgen hat das für werdende Mütter?

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Von Autor/in Leonie Kühn

Freiberufliche Hebammen bekommen in Zukunft weniger Geld, trotz selber Arbeit. Das könnte vielerorts schwere Konsequenzen haben.

Freiberufliche Hebammen, die in Krankenhäusern arbeiten, werden in Zukunft weniger Geld verdienen. Das hat am Donnerstagabend eine Schiedsstelle entschiedenen und folgt damit dem Vorschlag des GKV-Spitzenverbands, einer zentralen Interessensvertretung der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen. Vor allem bei der Betreuung von mehreren Frauen gleichzeitig müssen die Hebammen zukünftig mit deutlich weniger Lohn rechnen. Der Hebammenverband Baden-Württembergs fürchtet, dass diese Neuregelung unter anderem für den Hohenlohekreis und den Kreis Schwäbisch Hall schwerwiegende Folgen haben könnte.

Weniger Geld trotz selber Arbeit und Verantwortung

Konkret geht es in der neuen Vergütungsregelung der GKV um sogenannten Beleghebammen. Betroffen sind damit freiberufliche Hebammen, die auch in Krankenhäusern arbeiten. Sie sind es, die zukünftig grundsätzlich deutlich weniger verdienen sollen.

Besonders deutlich wird dies bei der gleichzeitigen Betreuung mehrerer Frauen: Für eine zweite und dritte Frau, die die Hebamme in derselben Zeit betreut, bekommt sie nur 30 Prozent des vollen Gehalts. Ab der vierten Frau, die parallel betreut werden müsste, erfolgt keine weiter Vergütung mehr. Dennoch übernimmt die Hebamme in diesen Fällen immer noch die volle Verantwortung für jede einzelne Patientin.

Hebammenverband BW hält Modell für "fachlich und praktisch unhaltbar"

In einigen Regionen Baden-Württembergs sind die freiberuflichen Hebammen wesentlicher Bestandteil der Geburtsstationen der Krankenhäuser. Im Diak Klinikum im Kreis Schwäbisch Hall ist beispielsweise nur eine Hebamme für die Leitung des Teams festangestellt. Die restliche Belegschaft besteht aus freiberuflichen Hebammen, so eine Sprecherin der Klinik.

Diese Vergütungsänderung könnte schwerwiegende Folgen mit sich bringen, fürchtet der Hebammenverband BW. Würden die freiberuflichen Hebammen sich von den Kliniken abwenden und würden personell wegfallen, müssten Geburtsstationen möglicherweise schließen. In der Folge müssten werdende Mütter bis zu 60 Kilometer oder mehr bis zur nächsten Klinik fahren. Eine flächendeckende Versorgung und Betreuung im Sinne der Frauengesundheit wäre so nicht mehr gegeben.

Eine Hebamme tastet den Bauch einer schwangeren Frau ab.
Eine Hebamme tastet den Bauch einer schwangeren Frau ab. Mit den neuen Gebühren wird der Beruf möglicherweise deutlich unattraktiver.

Hebamme aus Schwäbisch Hall: Realität sieht anders aus

Lisa Kunz aus Schwäbisch Hall arbeitet selbst als Hebamme und ist seit 2016 Teil des Öhringer Hebammenteams (Hohenlohekreis). Ähnlich wie der Hebammenverband BW geht auch für sie die Gehaltsänderung an der Realität der Hebammen vorbei. In der "heißen Phase der Geburt" sei es üblich, dass auch eine zweite werdende Mutter betreut werden muss. Eine Kürzung des Lohns bei einer Betreuung einer zweiten oder dritten Frau mache den Beruf nicht mehr wirtschaftlich.

"Die neue Gebührenordnung bedeutet ein Defizit von 20 bis 30 Prozent ihres Einkommens. Wenn man bedenkt, dass jede Hebamme pro Monat circa 3.500 Euro laufende Kosten hat, um die Versicherung zu decken, dann ist das immens viel", erklärt Kunz. Es sei deshalb absehbar, dass einige freiberufliche Hebammen, die noch in Krankenhäusern arbeiten, ihre Arbeit in Zukunft "umstrukturieren".

Angriff auf Frauengesundheit

Kunz sieht die Änderung als Angriff auf soziale Berufe, vor allem aber auch auf Frauengesundheit. Das Thema sei gesellschaftlich weiterhin nicht angekommen und werde nicht als wichtig erachtet. Was man aber nicht vergessen dürfe: "Es werden nicht nur die Hebammen finanziell abgestraft, sondern auch jede einzelne Frau, die ihr Kind gebären möchte", erklärt Kunz weiter.

Auch der Hebammenverband betont die fehlende gesellschaftliche Wahrnehmung von Geburtshilfen und der Frauengesundheit. Wie andere familienpolitische Themen bräuchte man auch hier mehr Unterstützung und müsse das Thema zur Priorität machen.

Auch Kliniken sprechen von "fatalem Zeichen"

Auch das Diak Klinikum in Schwäbisch Hall zeigt sich bestürzt über die entschlossene Neuregelung. Eine Arbeit ohne die Beleghebammen sei nicht denkbar. Ihre Hebammen des Klinikums fragen sich durch die Entscheidung nun, ob ihr Auskommen zukünftig noch ausreichend gesichert ist. Aus Sicht der Kliniken sei es ein "absolut fatales Zeichen".

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