Luftaufnahme der Sontheimer "Klingenäcker" (Foto: SWR)

Gebiet "Klingenäcker" in Sontheim sorgt für Unmut

Baubeginn verzögert sich seit 40 Jahren: Starke Kritik an der Stadt Heilbronn

Stand
AUTOR/IN
Fabian Siegel

Bereits vor Jahrzehnten hätte auf den "Klingenäckern" in Heilbronn neuer Wohnraum entstehen sollen - doch der Baubeginn verzögert sich immer weiter. Ein Ende ist kaum in Sicht.

Siebeneinhalb Hektar, 90 Grundstücke, 124 Wohneinheiten - auf den "Klingenäckern" im Heilbronner Stadtteil Sontheim könnte jede Menge neuer Wohnraum entstehen. Wenn nicht immer wieder etwas dazwischen käme. Erst waren es alte Bunker, dann Zauneidechsen - jetzt wurden keltische und merowingische Kulturschätze gefunden. Die Grundstücksbesitzerinnen und -besitzer erheben schwere Vorwürfe gegen die Stadt.

Warten seit über vier Jahrzehnten

Wolfram Rudolph und seine Frau hatten sich das so schön vorgestellt. Als sie 1980 geheiratet haben, war ihnen klar: Bevor wir Kinder haben, werden wir auf den "Klingenäckern" bauen. Damals hatte die Stadt gerade die Planungen aufgenommen, das Gebiet zu erschließen. Die Kinder sind heute 35 und 40. Mittlerweile haben Rudolph und seine Frau woanders gebaut.

Auch Jasmin Schwarz ist das Warten längst satt. Sie hat ihr Grundstück von ihren Eltern. Im vergangenen Jahr hatte sie kurz Hoffnung, dass sie endlich bauen kann.

Grundstücksbesitzerinnen und -besitzer der Sontheimer "Klingenäcker" (Foto: SWR)
Jasmin Schwarz und weitere Grundstücksbesitzerinnen und -besitzer warten teilweise schon vier Jahrzehnte auf eine Möglichkeit, auf den Sontheimer "Klingenäckern" zu bauen

Der Oberbürgermeister hat zu mir persönlich gesagt, einer Erschließung im Oktober 2020 stehe nichts im Wege. Das war vor einem Jahr. Und gesagt hat er das vor zwei Jahren.

Bunker, Eidechsen und jetzt Kulturfunde

Doch der Reihe nach: Erst mussten unter dem Gebiet alte Bunker zugeschüttet werden, dann wurden seltene Zauneidechsen gefunden. Dann, nach fast 20 Jahren, hat die Stadt 2018 einen Bebauungsplan verabschiedet. Doch die Freude bei den Eigentümern war nur kurz: Jetzt sollen auch noch merowingische und keltische Funde ausgegraben werden, denn nebenan befanden sich eine Keltensiedlung und ein merowingischer Friedhof.

Eine Zauneidechse (Foto: SWR)
Der Fund seltener Zauneidechsen hatte den Bau auf den "Klingenäckern" verzögert. Jetzt sorgen gefundene Kulturschätze für weitere Verzögerungen

Der Knackpunkt: Laut Landesamt für Denkmalpflege wurde die Stadt schon 2004 darüber informiert. Warum wird erst jetzt was unternommen? Und noch etwas ärgert die Grundstücksbesitzerinnen und -besitzer: Sie sollen für die Ausgrabungen zahlen. Die Grundsteuer zahlen sie auch schon seit vergangenem Jahr, nur bauen dürfen sie nicht.

 Kosten explodieren für viele

Dabei sah Anfang 2020 noch alles gut aus. Die Stadt sagte, nach den Sommerferien gehe es endlich los. Familie Unger hat daraufhin ihr Grundstück gekauft. Und das rächt sich jetzt: Der Kredit läuft. Die Baufirma wartet. Die Kosten explodieren.

In dem Corona-Jahr sind Bau- und Baumaterialpreise um 30 bis 50 Prozent gestiegen, das hatten wir nicht auf dem Schirm. Auch die Kosten für die Grabungsarbeiten hatten wir natürlich nicht kalkuliert.

So langsam machen sich die Ungers, beide um die 40, Sorgen, dass sie den Kredit bis zur Rente nicht abbezahlt bekommen. Denn wann es losgeht, könne ihnen niemand sagen, so Stefanie Unger.

Dass es jetzt 2023 eventuell losgeht, wie die Stadt sagt, steht für mich in den Sternen. Vielleicht finden sie ja nach den Grabungen noch mal irgendwas. Wir haben absolut keine Planungssicherheit und werden allein gelassen.

Bürgerversammlung kann Differenzen nicht lösen

Am Dienstagabend gab es eine Bürgerversammlung im Ortsteil Sontheim mit Oberbürgermeister Harry Mergel (SPD). Die Emotionen kochten hoch. Mergel appellierte, sachlich zu bleiben, konnte sich eigene Emotionen aber auch nicht immer verkneifen.

Ich verstehe das nicht! Alle, die hier sitzen, haben nur eines im Sinn, möglichst viel für sie zu tun und das Projekt so schnell wie möglich fertig zu bringen.

Bürgerversammmlung zur Bebauung der Sontheimer "Klingenäcker" (Foto: SWR)
Bei der Bürgerversammlung im Oktober kochten die Emotionen auf beiden Seiten hoch, sowohl bei Gründstückseigentümerinnen und -eigentümern, wie auch bei Vertretern der Stadt. Die Sontheimer "Klingenäcker" sind schon seit beinahe vier Jahrzehnten Streitpunkt.

Hat die Stadt sich zu viel Zeit gelassen?

Auf die Vorwürfe, dass die Stadt schon seit 2004, also vor den Bunkerarbeiten und dem Eidechsenfund, von den Kulturschätzen im Boden wusste, darauf gingen die Verantwortlichen auf der Versammlung wenig ein. Sie wiederholten: Rechtliche Vorgaben und Fristen müssten eingehalten werden. Und: Erst 2020, als die Eidechsen umgesiedelt waren und die Erschließung beginnen sollte, sei der Stadt klar geworden, wie viele Schätze unter der Erde der "Klingenäcker" liegen.

"Erst da war es überhaupt möglich, das Gelände zu untersuchen und auf Grundlage dieser Untersuchungen war es erst möglich zu sehen, dass Grabungen nötig sind."

Baubeginn erst 2023 - wenn überhaupt

2023 soll endlich gebaut werden. Jasmin Schwarz bleibt skeptisch. Sie will weiter Druck machen - und den Verantwortlichen ganz genau auf die Finger schauen.

 Den Zeitplan, den die gesteckt haben, werden wir schön ordentlich überprüfen, immer wieder nachhaken, wie es läuft. Natürlich ist das unangenehm. Aber ich habe manchmal das Gefühl, wenn man nur da sitzt und wartet, dann wartet man, bis man tot ist.

Und gewartet haben die Grundstückseigentümer auf den Sontheimer "Klingenäckern" jetzt wirklich lange genug, kritisiert Schwarz.

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Fabian Siegel