Neckarsulmer Verbrenner als Hoffnungsträger

Neuer A6 von Audi: Ein Klassiker für die Zukunft?

Stand
Autor/in
Julian Küng

Der neue A6 wurde in Neckarsulm mit großer Erwartung vorgestellt. Während sich die Belegschaft auf den Verbrenner freut, pochen Experten auf mehr Fokus auf Elektromobilität.

Inmitten der wirtschaftlichen Turbulenzen von Audi hoffen sowohl die Belegschaft als auch die Zulieferer auf mehr Stabilität und Sicherheit. Mit dem neuen A6 will man im Neckarsulmer Werk (Kreis Heilbronn) die Produktion ankurbeln und für die kommenden Jahre sichern.

Die Vorfreude war deutlich spürbar auf dem Audi-Werkhof. Tausende Mitarbeiter strömten am Dienstagmittag in Richtung Halle B16. Dort, im Herzen der Produktionsstätte, wurde der neue A6 enthüllt. Das Flaggschiff der Ingolstädter mit einem Werk in Neckarsulm soll die schleppende Produktion in Neckarsulm wieder besser auslasten.

Eigentlich hätte der neue Sechser A7 heißen sollen, um sich klarer von dem Elektromodell abzugrenzen. Doch nur wenige Wochen vor der Weltpremiere entschied man sich doch wieder zur alt bekannten A6-Marke.

Enthüllung Neuer Audi A6
Der neue "Sechser" soll künftig die Produktion im Audi-Werk Neckarsulm wieder besser auslasten.

Der Vorhang fällt. Zum Vorschein kommt ein fünf Meter langer Oberklasse-Kombi mit frischem Design, der wiederum viel Altbewährtes bietet. Beim Antrieb setzt Audi auf klassische Verbrennertechnik: Diesel- und Benzinmotoren mit zwei bis drei Litern Hubraum stehen zur Auswahl.

Beim Interieur bieten die Ingolstädter neben Kunstleder auch immer noch echtes Leder an. Während viele Konkurrenten verstärkt auf vegane Innenausstattungen setzen.

Beobachter fordern von dem Unternehmen mehr Mut zur Elektromobilität

Autoexperten mahnen, dass Audi dringend mehr in die Elektromobilität investieren müsse. "Ich hätte lieber einen Hybrid gesehen", sagt Achim Kampker von der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen dem SWR. Der neue A6 signalisiere, dass die Elektrifizierung bei Audi nur in einem äußerst milden Umfang voranschreite.

In dieser wirtschaftspolitisch unsicheren Lage sei es verständlich, dass man mit alten Werten Geld verdienen möchte. Doch eine solche Haltung sei keine zukunftsorientierte Wirtschaftsstrategie, meint der Professor für Elektromobilität.

Wir wollen, dass das Werk erhalten bleibt.

Anders sieht es die Belegschaft im Neckarsulmer Audi-Werk. Sie setzen große Hoffnungen in den neuen alten Verbrenner. "Wir wollen den A6 wieder genauso gut bauen wie den Vorgänger", meint Presswerkarbeiter Uwe Pildner bei der Präsentation.

Auch Dariusz Rucinski glaubt, mit dem neuen "Sechser" an glorreiche Erfolge der Marke anzuknüpfen. "Wir hoffen, dass das Auto genauso gut ankommt wie die vorherigen Modelle. Wir wollen, dass das Werk erhalten bleibt und dass wir genügend Arbeitsplätze sichern können", sagt der langjährige Karosseriebauer.

Enthüllung Neuer Audi A6
Audi-Mitarbeiter inspizieren den neuen A6.

Wirtschaftliche Mammutaufgabe für Audi

Die Motivationsspritze kann die Belegschaft gut gebrauchen, denn Audi befindet sich in einer handfesten Krise. Das Unternehmen muss einen regiden Sparkurs fahren: Die Personalkosten sollen bis 2030 um bis zu eine Milliarde Euro sinken und die Materialkosten sollen sogar um bis zu acht Milliarden Euro reduziert werden.

Der Neckarsulmer Audi-Betriebsratschef Rainer Schirmer betont, dass die Präsentation des neuen Verbrenners kein Richtungsentscheid sei, sondern zunächst einmal Stabilität in das Werk in Neckarsulm bringen solle. Als erstes komme nun "Ruhe ins System, weil die Leute jetzt froh sind, Fahrzeuge fertigen zu können. Es hat für mich wenig mit der Unruhe zu tun, weil man sieht ja im Moment, dass die gesamtwirtschaftliche Lage nicht nur bei Audi, sondern bei allen OEMs [Erstausrüster] sehr angespannt ist."

Enthüllung Neuer Audi A6
Der Neckarsulmer Audi-Betriebsratschef Rainer Schirmer bei der Weltpremiere des neuen A6 letzten Dienstag.

Mit OEMs ist das verzahnte Zulieferernetzwerk der Autobauer gemeint. Also Firmen, die Teile und Komponenten für die Fahrzeugproduktion liefern. Im Gegensatz zu den Automobilherstellern verfügen sie nicht über vergleichbare Ressourcen, was die Herausforderungen für diese Zulieferer umso größer und unmittelbarer macht.

Angespannte Lage für Zulieferer in Heilbronn-Franken

Der Kunststoffhersteller iwis Mechatronics aus Schwaigern (Kreis Heilbronn) kämpft bereits ums Überleben. Im Oktober letzten Jahres meldete das Unternehmen Insolvenz in Eigenverwaltung an und kündigte an, 150 Arbeitsplätze abzubauen – als ein letzter Versuch, das Unternehmen vor der Pleite zu retten. Ob die Entlassungen geholfen haben, wollte der Autozulieferer auf Anfrage des SWR noch nicht sagen.

Auch der Technologiekonzern Bosch steht derzeit stark unter Spardruck und erwägt einen weiteren Stellenabbau. Das Unternehmen hatte bereits im vergangenen Jahr einen erheblichen Gewinnrückgang zu verzeichnen. Bis 2032 könnten weltweit mehr als 12.000 Arbeitsplätze wegfallen, davon rund 7.000 in Deutschland.

In Heilbronn versucht sich, die Läpple-Gruppe gesund zu schrumpfen. Der Konzern musste im vergangenen Dezember den Geschäftsbereich Automatisierungslösungen mit 190 Mitarbeitern verkaufen. Läpple beliefert unter anderem Autohersteller mit Karosserieteilen und ist ein bedeutender Arbeitgeber in der Region.

Die Firma LAUDA setzt seit Januar 2024 Kurzarbeit für etwa die Hälfte der Belegschaft ein, um Kündigungen zu verhindern. Das Unternehmen aus Lauda-Königshofen (Main-Tauber-Kreis), das auf Temperaturregelungssysteme und Thermotechnik spezialisiert ist, erzielt rund 12 Prozent seines Umsatzes im Automobilsektor.

Experte warnt vor dem Aussterben der Zulieferer

In dieser kritischen Phase dürfe man diese Unternehmen auf keinen Fall aufs Spiel setzen, meint Automobilexperte Achim Kampker. "Natürlich kann man nicht jedem Zulieferer Auslastung garantieren", sagt Kampker. Trotzdem müssten die Autobauer mehr verpflichtende Verträge mit den Zuliefererfirmen abschließen, damit diese nicht wegsterben. "Falls man dies aufs Spiel setzt, könnte es den Automobilherstellern später auf die Füße fallen."

Audi hofft auf längere Produktion von Verbrennungsmotoren

Zumindest bei Audi steht die Beschäftigungsgarantie bis 2029 fest. Zudem wünscht sich der Audi-Betriebsrat, dass auch nach 2030 weiterhin klassische Verbrennungsmotoren produziert werden dürfen. Dies würde den Beschäftigten mehr Sicherheit für die Zukunft bieten, glauben die Ingolstädter und die Neckarsulmer.

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