Tanja El Ghadouini geht ihre Arbeit nah. Bei manchen Beratungsterminen, die die Leiterin der Heilbronner Antidiskriminierungsstelle in diesem Jahr gemacht hat, falle es ihr schwer, Abstand zu bekommen, sagt El Ghadouini.
„Das ist kein einfacher Job.“
Etwa 30 Beratungen hat die Antidiskriminierungsstelle im ersten Jahr ihres Bestehens durchgeführt. Seit Anfang des Jahres gibt es die Einrichtung, sie ist mit einer halben Personalstelle ausgestattet. Leiterin Tanja El Ghadouini zieht eine positive Bilanz. "Ich war sehr positiv überrascht, wie gut die Antidiskriminierungsstelle aufgenommen wurde und dass wir zu so vielen Treffen eingeladen wurden", sagte sie dem SWR Studio Heilbronn.
Beraten hat die Stelle Menschen, die zum Beispiel auf dem Arbeitsmarkt oder bei der Wohnungssuche Diskriminierungserfahrungen gemacht haben.

Dauer der Beratungen unterschiedlich
Aber auch Institutionen suchten den Rat der Stelle. „Zum Beispiel wurden wir bei neuen Veröffentlichungen gebeten, uns Texte und Bilder anzusehen“, sagte El Ghadouini.
„Manche Institutionen wollen wissen: Sind wir diskriminierungssensibel genug?“
Wie lange eine Beratung dauert, unterscheide sich stark. Teilweise sei es nur ein einziger Gesprächstermin. „Manchen Menschen reicht es, dass sie darüber sprechen konnten und mehr über ihre Rechte erfahren konnten“, sagte El Ghadouini.
Welche Schritte sind möglich?
Wenn eine Person anschließend Schritte unternehmen möchte, wird in der Beratung das weitere Vorgehen abgeklärt. Zum Beispiel schreibt die Antidiskriminierungsstelle Briefe oder verweist Menschen weiter an Rechtsanwälte, wenn jemand juristisch gegen die Diskriminierung vorgehen möchte.
Bei etwa der Hälfte der Beratungen habe es weitere Schritte gegeben, so El Ghadouini.

Problem: Mangel an Anwälten
Ein Problem ist aus ihrer Sicht der Mangel an Anwältinnen und Anwälten, die sich gut mit dem Allgemeinen Gleichstellungsgesetz auskennen und bereit seien, Menschen in Diskriminierungsfällen zu vertreten. Meist seien solche Fälle finanziell nicht lukrativ. „Ich würde mir wünschen, dass wir da vielleicht ein Netzwerk von Anwältinnen und Anwälten aufbauen können, die sich für das Thema engagieren wollen“, sagt El Ghadouini.
Politisch hält sie ein Landesantidiskriminierungsgesetz für notwendig.
Antidiskriminierung - wo gibt es schon ein Landesgesetz?
Berlin hatte 2020 als erstes Bundesland ein solches Antidiskriminierungsgesetz auf Landesebene eingeführt. Das Gesetz soll Menschen vor Diskriminierung durch die Behörden schützen, ihre Rechte stärken und Ansprüche auf Schadenersatz ermöglichen. Wer sich diskriminiert fühlt, kann sich an die betroffene Behörde oder an die Ombudsstelle bei der Justizverwaltung wenden. Dann wird der Vorwurf geprüft und nach Lösungen jenseits von Klagen gesucht.
Kritiker hatten eine Vielzahl von Beschwerden vorausgesagt und moniert, das Gesetz stelle Polizisten unter Pauschalverdacht und erschwere deren Arbeit. Auch der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) zählte damals zu den Kritikern.
Landesgesetz in Baden-Württemberg geplant
Ein Jahr später zeigte sich allerdings, dass das Gesetz in Berlin entgegen der Befürchtungen keine Flut von Beschwerden ausgelöst hat. Bei der neuen Ombudsstelle in Berlin gingen bis Anfang Juni 315 Beschwerden ein. Geklagt hatte bis zu dem Zeitpunkt niemand.
Im baden-württembergischen Koalitionsvertrag einigten sich Grüne und die CDU dann auch auf das Vorhaben: „Mit einem eigenständigen Antidiskriminierungsgesetz und einem Aktionsplan gegen Rassismus und Antidiskriminierung stärken wir das gleichberechtigte Miteinander im Land“, heißt es dort.