Atomkraftwerke abschalten oder nicht?

BW-Grüne schließen AKW-Streckbetrieb nicht aus - Kernkraftgegner protestieren

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Am Samstag haben etwa 100 Atomkraftgegner am Kernkraftwerk Neckarwestheim II protestiert. Gleichzeitig zeigen sich die Grünen im Landtag offen für einen Weiterbetrieb der deutscher Meiler.

Abschalten oder doch länger laufen lassen? In Baden-Württemberg wird über den Atomausstieg in Deutschland diskutiert. Eigentlich ist dieser für Ende des Jahres vorgesehen. Am Samstag protestierten etwa 100 Menschen vor dem Meiler in Neckarwestheim (Kreis Heilbronn) für eine Abschaltung. Ihre Botschaften in gelben Buchstaben: "Akute GAU-Gefahr" und "Reaktoren jetzt abschalten".

Diskussion um Verlängerung der AKW-Laufzeiten

Die grüne Landtagsfraktion schließt derweil einen "kurzzeitigen Überbrückungsbetrieb" von Atomkraftwerken wie in Neckarwestheim nicht mehr aus. Das sagte Fraktionschef Andreas Schwarz der Deutschen Presse-Agentur. Übergeordnetes Ziel sei es, die Menschen gut durch den Winter zu bringen. "Allen sinnvollen Lösungen, die Energieversorgung sicherzustellen, stehen wir daher offen gegenüber", sagte Schwarz.

Abzuwarten bliebe der Ausgang des laufenden Stresstests von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). "Sollte er im Herbst zu einer neuen Bewertung kommen, orientieren wir uns daran", so Schwarz. Die Entscheidung werde auf Faktenbasis getroffen.

FDP: Versorgungssicherheit steht im Mittelpunkt

Schon Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) zeigte sich in der Vergangenheit offen dafür, die drei verbliebenen Atomkraftwerke länger am Netz zu lassen. Auch er will den Stresstest abwarten.

"Den gebotenen Pragmatismus der Grünen begrüße ich", teilte der Fraktionschef der oppositionellen FDP, Hans-Ulrich Rülke mit. Die Versorgungssicherheit für die Menschen im Land müsse nun im Mittelpunkt stehen, nicht die Parteiprogrammatik. Deshalb dürfe es auch kein Tabu sein, die Atomkraftwerke gegebenenfalls bis ins Jahr 2024 hinein laufen zu lassen und hierfür neue Brennstäbe zu bestellen.

Anti-Atom-Radtour durch BW

Währenddessen protestierten am Samstag Atomkraftgegnerinnen und -gegner am Kernkraftwerk Neckarwestheim II für eine Abschaltung der Atomkraftwerke im Dezember. Vorausgegangen war eine Anti-Atom-Radtour mit einem Stopp am Kohlekraftwerk Heilbronn. Am Sonntag machte sie unter anderem in Stuttgart halt. Die Radtour wird vom Bündnis ".ausgestrahlt" organisiert und geht insgesamt drei Wochen. Laut Polizei waren auf der Strecke am Samstag rund 40 Radfahrerinnen und Radfahrer unterwegs.

Die Tour führt die Demonstrierenden auf dem Rad durch Süddeutschland und die Schweiz: Die Atomkraftgegnerinnen und -gegner treten in die Pedale, um ihre Forderungen durchzusetzen: die Abschaltung aller Atomkraftwerke und eine schnelle Energiewende. Eines der drei verbliebenen Atomkraftwerke am Netz in Deutschland ist Block II des Gemeinschaftskernkraftwerks Neckarwestheim.

Atomkraftgegner demonstrieren in der Nähe des Kernkraftwerks.  (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa/Ferdinando Iannone | Ferdinando Iannone)
Die Atomkraftgegner demonstrierten in der Nähe des Kernkraftwerks. Die Demonstration fand im Rahmen eines dreiwöchigen Dauerprotests, einer Anti-Atom-Radtour statt. picture alliance/dpa/Ferdinando Iannone | Ferdinando Iannone

Atomkraftgegner: "Jeder Tag ist brandgefährlich"

Die Teilnehmenden der Radtour demonstrieren weiter gegen einen Streckbetrieb und eine mögliche Verlängerung der verbliebenen deutschen Atomkraftwerke - und feiern nach eigenen Angaben das Aus der Atomkraftwerke in Deutschland:

"Wir brauchen den Ausbau der erneuerbaren Energien. Und da gibt es kein Wenn und Aber. Für das Atomkraftwerk die Zeit ist abgelaufen und jeder Tag ist brandgefährlich."

Die Atomkraftgegnerinnen und -gegner von ".ausgestrahlt" sehen in einer Verlängerung keinen Sinn, so Sprecher Helge Bauer. Mehr Sinn würde es für ihn machen, den Erdgasverbrauch von industriellen Großverbrauchern zu drosseln, statt die "Schrottreaktoren" weiterlaufen zu lassen.

Weiterbetrieb in Neckarwestheim nur wenige Monate möglich

In Neckarwestheim wäre ein Weiterbetrieb mit den derzeitigen Brennstäben laut Betreiberin Energie Baden-Württemberg (EnBW) lediglich wenige Wochen übers Jahresende hinaus möglich. Seit 2011 bereitet sich das Unternehmen auf die geplante Abschaltung des Atomkraftwerks Ende des Jahres vor. Die Brennelemente seien relativ weit abgebrannt, heißt es.

Zudem gibt es weiter bestehende Kritik an der Sicherheit: Risse in den Rohren, die bei den vergangenen Revisionen entdeckt wurden, seien ein Risiko, sagt Gottfried May-Stürmer, der schon Jahrzehnte für die Bewegung in Heilbronn kämpft.

"Mehr als 350 Risse bisher und eine stark steigende Anzahl neuer Risse sprechen eine deutliche Sprache: [...] Es ist höchste Zeit, das AKW endlich abzuschalten."

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Stresstest für verbliebenes Atomkraftwerk

Das Bundeswirtschaftsministerium hatte einen Stresstest für den Block II des Atomkraftwerks Neckarwestheim angestoßen, um festzustellen, ob die Stromversorgung auch unter verschärften Bedingungen gewährleistet ist. Die letzte grundlegende Sicherheitsüberprüfung in Neckarwestheim war 2009. Eigentlich sind die Überprüfungen alle zehn Jahre fällig. In der Annahme, dass das Atomkraftwerk Ende des Jahres ohnehin vom Netz gehe, hat die EnBW aber keine mehr durchgeführt. Wenn Neckarwestheim II jetzt noch sechs bis acht Wochen länger laufen sollte, müsste wohl auch die Atomaufsicht zustimmen.

Die Protest-Radtour startete am 13. August im unterfränkischen Kahl am Main und soll nach 20 Etappen am 4. September in Freiburg enden. Die geht Tour insgesamt drei Wochen lang und führt nach Angaben der Verantwortlichen rund 2.400 Kilometer durch Süddeutschland und die Schweiz.

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