"Das ist meine Nichte", Anja Wezel schaut in die Nachrichten des Messenger-Dienstes in ihrem Smartphone. Die Nichte schreibt, sie habe Angst. Sie habe so viel Angst, dass sie schreien könnte.
Anja Wezel lebt seit 2001 in Deutschland und seit 2008 in Heilbronn. Dort hat sie studiert, lebt zusammen mit ihrem Sohn. Vor über 20 Jahren hat sie ihre Heimatstadt Kramatorsk der Liebe wegen verlassen und ist ihrem deutschen Mann gefolgt, von dem sie inzwischen geschieden ist.
Von ihrer neuen Heimat Heilbronn aus verfolgt sie fieberhaft die Geschehnisse in der Ukraine. Sie würde sich wünschen, ihrer Familie helfen zu können.
"Das macht mich wahnsinnig traurig, dass ich einfach nichts machen kann."
Außer der Nichte leben noch die Schwester und die Mutter daheim in Kramatorsk im Osten der Ukraine. Der Vater ist vor einiger Zeit gestorben.
Von Bomben geweckt, in Bunker geflüchtet
Als der russische Angriff begann, habe sie ihre Mutter angerufen, sagt Anja Wezel. Die Mama habe geschildert, dass sie alle von lauten Detonationen geweckt wurden. Da seien Bomben im nahe gelegenen Flughafen detoniert. Alle Einwohner seien angewiesen worden, eine Notfalltasche zu packen und bei Alarm in einen der Bunker zu flüchten. Doch die Mama habe Probleme mit den Knien. Sie schaffe es noch nicht mal in den Keller. Und so bleibe sie in ihrer Wohnung.

Kinder üben hinlegen und Mund offen halten
Ihre Schwester sei Erzieherin in einem Kindergarten, berichtet Anja Wezel weiter. Noch am Tag vor dem Angriff hätten sie mit den dreijährigen Kindern geübt, sich hinzulegen, sich nicht zu bewegen und den Mund offen zu halten. Damit die Ohren beim Lärm der Bomben keinen Schaden nehmen.
Chatten statt telefonieren
Später habe die Schwester sie gebeten, nicht mehr zu telefonieren. Sie seien angehalten, die Leitungen frei zu halten. Jetzt laufe der Austausch via Chat.

Anja Wezel hofft, dass ihre Lieben gesund bleiben und dass ihnen nichts passiert. Und sie tauscht sich weiter mit ihnen aus. Das einzige, was sie derzeit tun kann.
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