Bei einer Regierungserklärung am Donnerstag im Landtag hat Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) Eckpunkte für das landeseigene Hilfsprogramm angekündigt. Dieses soll laut Kretschmann Lücken in den vom Land mitfinanzierten Bundeshilfen "stopfen". "Die erste Lücke, die wir identifiziert haben, ist die Winterlücke", sagte Kretschmann.
Abschlagszahlung für Gaskunden geplant
Der Staat übernehme für alle Gaskunden die Abschlagszahlung im Dezember. Die Energiepreisbremsen griffen für kleinere und mittlere Unternehmen aber erst im Februar oder März - andere Bundeshilfen noch später, so Kretschmann. "Um diesen Betrieben gezielt zu helfen, legen wir unter Hochdruck ein Liquiditätsprogramm auf."
Dieses umfasse zwei Komponenten: ein zinsverbilligtes Darlehen mit einem Zinssatz von 2,1 statt 4 Prozent und ein zinsverbilligter Liquiditätskredit ergänzt um einen zusätzlichen Tilgungszusschuss. Noch im Dezember könnten Anträge gestellt werden, so Kretschmann. Die Gelder stünden spätestens ab dem 1. Januar 2023 zur Auszahlung bereit. Die Landesregierung wolle so "eine verlässliche Brücke zwischen Dezemberabschlag und den weiteren Hilfen des Bundes" bauen.
Bürgschaftsprogramm und Beratungsangebot kommen
Zu den Landeshilfen gehört auch ein neu ausgerichtetes Bürgschaftsprogramm der L-Bank. Es enthält laut Kretschmann Bürgschaften für Unternehmen in Höhe von 2,6 Milliarden Euro. Außerdem will die Landesregierung das Handwerk und kleine und mittlere Unternehmen mit einem Beratungsangebot zur Energiekostenentlastung unterstützen. Das Programm starte im Dezember, so der Ministerpräsident.
Ebenfalls geplant sei ein Sondertopf für die "soziale Infrastruktur". Mit 30 Millionen Euro solle die Arbeit der Familien- und Jugendhilfe gestärkt werden.
Kretschmann: Handeln schnell und gezielt
Kretschmann betonte: "Wir handeln schnell, jedenfalls so schnell es geht. Wir handeln gezielt und wir handeln so, dass denen geholfen wird, die Hilfe brauchen." An die Adresse der Opposition gerichtet sagte er, man handele abgestimmt mit dem Bund. Damit sei man nicht langsamer als andere Bundesländer, die bereits eigene Hilfsprogramme angekündigt hätten. Vor allem die SPD fordert schon seit Monaten eigene Landeshilfen von der grün-schwarzen Koalition.
SPD: Landesregierung bietet zu wenig an
Von der Opposition gibt es reichlich Kritik an den Plänen der Landesregierung. Die Menschen hätten lange auf diese Regierungserklärung des Ministerpräsidenten gewartet, findet SPD-Fraktionschef Andreas Stoch. Aber das Warten habe sich nicht gelohnt.
Das sei das, was die Landesregierung den Menschen hier anbiete, so Stoch weiter. Für Baden-Württemberg sei das zu wenig. Die Liquiditätshilfen des Landes für Unternehmen seien nichts besonderes. Einen Zins-Kredit könnten sich Handwerksbetriebe schließlich auch bei ihrer Hausbank beschaffen, so Stoch. Auch das Angebot einer Energieberatung kritisierte er. Die sei angesichts der zu erwartenden hohen Nachfrage unrealistisch.
AfD sieht bei Hilfen nur die Handschrift der CDU
FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke wirft Ministerpräsident Kretschmann vor, nur müde Allgemeinplätze aufgezählt zu haben. Dies sei das Gegenteil einer Ruck-Rede gewesen. Er legte dem Ministerpräsidenten nahe, in den Ruhestand zu gehen und bezeichnete ihn als "einen Patriarchen im Spätherbst".
Der AfD-Fraktionsvorsitzende Bernd Gögel sieht im Winterprogramm der grün-schwarzen Landesregierung allein die Handschrift der CDU und befürchtet weiterhin Probleme für die Unternehmen. "Den Mittelständlern und den Kleinunternehmen wollen Sie Liquiditätshilfen zukommen lassen", sagte Gögel. "Das ändert doch nichts an der Tatsache, dass diese Unternehmen ihre Energiekosten nicht mehr schultern können." Außerdem frage er sich, wann die Unternehmen denn die Kredite zurückbezahlen sollten.
Schwarz: Finanzhilfen sind "Drei-Wetter-Taft für stürmische Zeiten"
Ein Vorwurf, den Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz entschieden zurückweist. Die Wirtschaft könne sich darauf verlassen, dass die Landesregierung kleine Betriebe gut durch den Winter bringe. "Pragmatische Finanzhilfen, wenn Firmen das Geld ausgeht, das ist unser Drei-Wetter-Taft für stürmische Zeiten", sagte Schwarz.
CDU-Fraktionschef Manuel Hagel hält das Landesprogramm für überfällig. Jetzt müssten schnelle Hilfe kommen, um Existenzen zu sichern. "Ich finde, das ist ein starkes Signal", sagte Hagel. Es sei gut, dass man jetzt gemeinsam eine Brücke über diese Lücke baue - für die kleinen und mittelständischen Unternehmen.
Handwerkstag: "Gute Botschaften" von Kretschmann
Auch der Baden-Württembergische Handwerkstag begrüßte die Regierungserklärung von Ministerpräsident Kretschmann. Diese habe "gute Botschaften" enthalten, so Landeshandwerkspräsident Rainer Reichhold. "Es ist extrem wichtig, dass die Landesregierung nun konkrete Hilfe mit einem ebenso konkreten Zeitplan in Aussicht gestellt hat."
Für viele Betrieben böten die Maßnahmen wichtige und dringend benötigte Entlastungen, bis Gas- und Strompreisbremse tatsächlich griffen. Bezüglich der Liquiditätsdarlehen stellte Reichhold fest, dass die Möglichkeit eines Tilgungszuschusses elementar sei. Dass Handwerkerinnen und Handwerker in der Notlage zusätzlich Schulden machen müssten, die sie selbst nicht verursacht hätten, werde nämlich von den wenigsten gewollt.
Positive Rückmeldung gab es auch vom Verband der Unternehmer. Jetzt sei entscheidend, dass die Anträge einfach und rechtssicher seien, erklärte Hauptgeschäftsführer Peer-Michael Dick.
Kretschmann: Länder sollten sich abstimmen
Zusätzlich zu den landeseigenen Hilfen verwies Kretschmann in seiner Rede auf das gemeinsame Härtefallprogramm mit dem Bund für besonders betroffene kleine und mittlere Unternehmen. Die Wirtschaftsminister von Bund und Ländern würden hierzu bis zum ersten Dezember ein Konzept vorlegen, kündigte er an. Für die Umsetzung sind die Länder zuständig. Aus Sicht von Kretschmann wäre es sinnvoll, dass diese sich abstimmen und "nicht jedes Land was völlig anderes macht".