Mit Blick auf den Krieg in der Ukraine beginnen viele Menschen in Baden-Württemberg wieder Lebensmittel zu hamstern. Regionale Mühlen für Mehl und Öl legen schon jetzt eine Maximalmenge für den Einkauf fest. In Supermärkten sind bei bestimmten Produkten leere Regale zu beobachten. Teilweise wurden die Abgabemengen schon begrenzt.
Abgabemenge bei bestimmten Produkten begrenzt
Von Hamsterkäufen sprechen ALDI SÜD und EDEKA auf SWR-Anfrage nicht explizit. Trotzdem reagieren die Einzelhandelsunternehmen auf die aktuelle Situation: "Wir sehen momentan eine stärkere Nachfrage bei einigen Warengruppen und so kann es sein, dass einzelne Artikel kurzzeitig vergriffen sind", schreibt ALDI SÜD. Das Unternehmen stehe in engem Kontakt mit seinen Lieferanten. Das tut auch das Einzelhandelsunternehmen EDEKA. In Einzelfällen könne es bei bestimmten Produkten zu kurzzeitigen Lieferengpässen kommen. "Dies betrifft insbesondere Speiseöle, die zum Teil auch aus der Ukraine stammen."
Dem Handelsverband Baden-Württemberg sind Hamsterkäufe wie zu Beginn der Corona-Pandemie dagegen nicht bekannt, hieß es auf SWR-Anfrage.
Lieferlogistik auf haushaltsübliche Mengen ausgerichtet
Die Einzelhandelsunternehmen bitten ihre Kunden, Waren nur in haushaltsüblichen Mengen zu kaufen. "Bei größeren Nachfragen behalten wir uns wie immer vor, die Abgabemenge pro Kunde vorübergehend einzuschränken", schreibt ALDI SÜD. Deutlicher formuliert es der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels. "Bitte verhalten Sie sich solidarisch und kaufen nur das, was Sie unmittelbar benötigen", sagte Christian Böttcher, Sprecher des Bundesverbands des Deutschen Lebensmittelhandels, der Deutschen Presse-Agentur. Dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sagte er, die Produktion und Lieferlogistik sei auf haushaltsübliche Mengen der gesamten Lebensmittelkette ausgerichtet.
"Bitte verhalten Sie sich solidarisch und kaufen nur das, was Sie unmittelbar benötigen."

Ukraine für Deutschland wichtiger Rohstofflieferant
Noch lägen dem Handelsverband keine Informationen über eine flächendeckende Unterversorgung mit Sonnenblumenöl im deutschen Einzelhandel vor, betonte der Sprecher. Allerdings sei die Ukraine gerade für Deutschland ein wichtiger Rohstofflieferant für Sonnenblumenöl: "Das Land steht für 51 Prozent der auf dem Weltmarkt zur Verfügung stehenden Menge und gehört für Deutschland zu den wichtigsten Importländern", so Böttcher. "Wenn durch den russischen Überfall auf die Ukraine ein so wichtiger Rohstofflieferant ausfällt, kann das sicher nicht lange ohne Auswirkungen auf die Märkte bleiben."

Hamsterkäufe in regionalen Mühlen zu spüren
Seit Kriegsbeginn seien die Menschen wieder verunsichert, sagt Andreas Kuhn aus Markelsheim (Main-Tauber-Kreis). Der Müller der Kuhn-Mühle vergleicht die Situation mit dem Beginn der Corona-Pandemie vor zwei Jahren. Genau wie damals wollten die Menschen wieder mehr Grundnahrungsmittel im Haus haben und würden deshalb direkt größere Mengen kaufen.
Die Nachfrage habe sich mehr als verdoppelt, Nachbestellungen aus Super- und Raiffeisenmärkten kämen deutlich früher. Auch im eigenen Mühlenladen sei die Nachfrage gestiegen, sagt Kuhn.
Landwirtschaftsminister: Versorgung mit Lebensmitteln gesichert
Derweil betont Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) am Donnerstag, dass die Versorgung mit Lebensmitteln in Baden-Württemberg gesichert sei. "Lücken in Supermärkten sind aktuell auf die angespannte Situation im Logistik- und Transportsektor zurückzuführen", erklärte er. "Das Bild teils leerer Regale verstärkt diese Unsicherheit und treibt Hamsterkäufe in die Höhe." Diese seien jedoch in keinem Fall nötig.
Lediglich bei einzelnen Produkten könne es zu Lieferverzögerungen kommen. Allerdings stünden in der Regel immer genügend Alternativen zur Verfügung. Auch der Handelsverband Württemberg sieht keinen Grund zur Panik. "Versorgungsengpässe liegen nicht vor, aktuell gibt es lediglich vereinzelte Verteilungsengpässe", sagte Hauptgeschäftsführerin Sabine Hagmann. "Die Versorgung in Baden-Württemberg ist gesichert." Sollten einzelne Produkte wie beispielsweise Öl am Tag des Einkaufs nicht vorhanden sein, so könne man davon ausgehen, diese beim nächsten Einkauf wieder zu erhalten.
Hauk rechnet mit steigenden Preisen
Dennoch rechnet Hauk in den kommenden Wochen mit steigenden Preisen: "Natürlich wird der Krieg in der Ukraine Einfluss auf die Lebensmittelpreise in Deutschland haben. Das sehen wir bereits - und zwar nicht nur beim Zwischenhandel, sondern auch bei den Verbraucherpreisen."
Und auch Müller Andreas Kuhn glaubt, dass die Preise weiter steigen könnten. Das könnte seiner Meinung nach auch ein Grund sein, warum die Menschen Lebensmittel hamstern. Wenn es teurer werde, sei das wie beim Sprit, da werde "nochmal schnell vollgetankt". Kuhn ist der Meinung, Panikkäufe seien nicht angebracht.
Ölmühle muss Online-Shop wegen Andrangs schließen
Ähnlich sieht es bei Helmut Spohn von der Ölmühle Brändle in Empfingen (Kreis Freudenstadt) aus. Seinen Online-Shop hat das Unternehmen für einige Tage wegen Überlastung geschlossen, seit Kurzem verkauft es sein Öl nur noch in haushaltsüblichen Mengen. "Das Rapsöl stürmen sie jetzt", sagt Spohn. Auch der Einzelhandel bestelle deutlich mehr als normal.
So hat Marktcheck über die Hamsterkäufe zu Beginn der Corona-Pandemie berichtet:
Weltweite Märkte sind dynamisch
ALDI SÜD und EDEKA können indes noch nicht absehen, inwieweit sich die Verfügbarkeit einzelner Rohstoffe in den kommenden Monaten verändern werde. "Seit der Corona-Pandemie sind die globalen Märkte sehr dynamisch, insbesondere die Situation auf dem Rohstoffmarkt, aber auch in der globalen Logistik", schreibt ALDI SÜD. Der Handelsverband Baden-Württemberg befürchtet dagegen keine größeren Auswirkungen auf die Versorgung: "Sollten einzelne Produkte am Tag des Einkaufs nicht vorhanden sein, so kann man davon ausgehen, diese beim nächsten Einkauf wieder zu erhalten", sagte Hauptgeschäftsführerin Sabine Hagmann dem SWR.

Lebensmittelpreise könnten weiter steigen
Dass die Lebensmittelpreise weiter steigen werden, vermuten viele der Befragten. Andreas Kuhn von der Kuhn-Mühle im Main-Tauber-Kreis sagt, dass Mehlpreise steigen würden. Schon jetzt sei der Rohstoff deutlich teurer geworden. Die Markelsheimer Mühle, die pro Jahr nach eigenen Angaben rund 1.500 Tonnen Getreide verarbeitet, wird zwar aus der Region beliefert - von Landwirten und aus umliegenden Lagerhäusern - aber letztendlich "wird der Preis auf dem Weltmarkt gemacht". Beim Zweieinhalb-Kilo-Beutel seien das 15 bis 20 Cent mehr, rechnet Kuhn.
Christian Böttcher vom Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels sagt, dass es offen sei, inwiefern steigende Kosten in Folge des Krieges weitergegeben würden. "Ökonomen gehen allerdings davon aus, dass sich die allgemeine Teuerung bei Nahrungsmitteln erst einmal fortsetzt", sagte er. Längerfristige Prognosen seien wegen der Turbulenzen auf den Märkten derzeit nicht möglich.