Angesichts Hunderter noch offener Stellen an den baden-württembergischen Grundschulen zum Start des neuen Schuljahrs fordert der Grundschulverband eine offene Debatte über die Strategie der Landesregierung und eine breit angelegte "Taskforce".
Die Taskforce solle aus Vertretern der Praxis, der Verwaltung, der Eltern und des Ministerium bestehen, sagte BW-Verbandschef Edgar Bohn.
Kurz vor Beginn des neuen Schuljahres Pädagogen gesucht: BW verzeichnet starken Lehrermangel
Wegen Lehrermangels warnen Experten vor massivem Unterrichtsausfall. Dabei bräuchte das Land noch deutlich mehr Pädagogen, um die geflüchteten Kinder aus der Ukraine zu unterrichten.
Minsterin: Schuljahr wird "herausfordernd"
Nach den jüngsten Zahlen sind von den zu besetzenden 1.590 Stellen an Grundschulen in Baden-Württemberg bislang nur 1.225 vergeben, weitere 365 sind noch offen. Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) spricht von einer angespannten Situation. "Was die Lehrkräfteversorgung angeht, wird das kommende Schuljahr herausfordernd", sagte sie zuletzt.
Unterstützung für Lehrkräfte Lehrermangel in BW ruft Kultusministerin Schopper und Verbände auf den Plan
In Baden-Württemberg fehlen enorm viele Lehrkräfte. Die Politik versucht gegenzusteuern, doch die Ursachen liegen tief.
Gründe für den Personalmangel seien nicht nur Teilzeit, Pensionen und die steigende Zahl ukrainischer Flüchtlingskinder, sondern auch Krankschreibungen und Elternzeiten sowie bisweilen auch eine unattraktive Lage der Schule. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte im Frühjahr auch auf die Schwierigkeiten hingewiesen, die sich durch viele Teilzeitbeschäftigte ergebe.
Verband: Finnen zum Vorbild nehmen
"Es müssen Anreize geschaffen werden, damit Lehrer auch mal nach Stuttgart oder in den Hochschwarzwald wechseln wollen", sagte Bohn. Das könnten finanzielle Mittel sein, das könne sich aber auch in einem attraktiven Arbeitsplatz ausdrücken. "Wir können uns da ein Beispiel nehmen am finnischen System, das in der Ausbildung von Lehrkräften die Innovation herausstellt", sagte Bohn. In Deutschland werde dagegen noch weitgehend nach Vorschrift und alten Standards unterrichtet.
Einige Grundschulen gehen ab Montag übrigens einen neuen Weg. In einem Modellprojekt soll auf Noten weitgehend verzichtet werden:
Zeitdruck wegen Rechtsanspuch auf Platz
Aufgabe einer Taskforce müsse es zudem sein, die Herausforderungen kommender Jahre zu analysieren. "Wir müssen besser wissen, was auf uns zukommt", sagte Bohn. "Es liegen eigentlich alle Zahlen vor. Und es herrscht Zeitdruck wegen des Rechtsanspruchs."
Ab dem Sommer 2026 haben Eltern stufenweise einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in den Grundschulen. Allerdings ist bereits jetzt absehbar, dass es viel zu wenige Fachkräfte gibt, um bis Ende des Jahrzehnts auch nur ansatzweise jedem Grundschulkind ein Angebot zur Ganztagesbetreuung machen zu können. Das zeigen Analysen, die die Bertelsmann-Stiftung zusammengestellt hat. Würden alle Kinder im Grundschulalter bis zum Jahr 2030 ihren Rechtsanspruch wöchentlich nutzen, würde demnach zwischen Bedarf und Angebot eine Lücke von mehr als 12.000 Fachkräften klaffen.