In der grün-schwarzen Koalition in Baden-Württemberg gibt es eine Auseinandersetzung über die geplante Ausweitung der Maut für Lastwagen auf Landes- und Kreisstraßen. Angesichts der hohen Inflation und der drohenden Energiekrise lehnt CDU-Fraktionschef Manuel Hagel die Erweiterung der Lkw-Maut derzeit ab. Er sagte der "Heilbronner Stimme": "Ein baden-württembergischer Alleingang wäre zwar möglich, aber sicher keine kluge Lösung. Auch der Zeitpunkt ist aktuell denkbar schlecht: Der Ukraine-Krieg, die Gasmangellage, die Inflation und massiv gestiegene Energiepreise destabilisieren unsere Wirtschaft."
CDU befürchtet Schäden für Wirtschaftsstandort BW
Hagel will deshalb darauf dringen, dass die Landesregierung das Ziel in Krisenzeiten nicht weiter verfolgt. Die zusätzliche Belastung einer Lkw-Maut würde Mittelständler und Handwerker "in ihrer Wettbewerbsfähigkeit schädigen, und der Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg würde an Attraktivität verlieren", so Hagel. Zudem würden die Kosten einer eigenen Landes-Maut "vermutlich an Kundinnen und Kunden weitergegeben werden, was zu einer noch höheren Inflation führt".
Der CDU-Fraktionschef fügte hinzu, man wolle keinen bundesweiten Flickenteppich. Aus all diesen Gründen sei eine Lkw-Maut zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt kein Thema. "Wenn sich die Zeiten ändern, werden wir die Einführung der Lkw-Maut auf Landes- und Bundesstraßen in der zweite Hälfte der Legislaturperiode prüfen." Bis dahin solle Hermann in der Verkehrsministerkonferenz weiter für eine bundesweite einheitliche Regelung werben. "Dann bleibt uns auch Zeit, um über Lösungen für den Güterverkehr nachzudenken. Gerade im ländlichen Raum gibt es vielerorts keine Alternative zur Straße."
Maut soll Einnahmequelle für Ausbau des Nahverkehrs sein
In der Grünen-Fraktion gab es dem Vernehmen nach irritierte Reaktionen, Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) reagierte verärgert und pochte auf den Koalitionsvertrag. Er sagte, er "finde es merkwürdig, dass einige in der CDU jetzt schon davon Abstand nehmen wollen, mit wenig überzeugenden Argumenten". Im Koalitionsvertrag ist vereinbart, dass man als zusätzliche Einnahmequelle für den Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs eine Lkw-Maut auf Landes- und Kreisstraßen einführen möchte. Dafür soll Hermann zunächst im Bundesrat und in der Verkehrsministerkonferenz versuchen, die anderen Länder davon zu überzeugen, ebenfalls eine solche Maut einzuführen. Im Bundesrat war er vergangene Woche gescheitert. Wenn das bis zur Mitte der Legislaturperiode nicht gelingt, soll er laut Koalitionsvertrag eine Landeslösung ausarbeiten.
Minister: Hälfte der Einnahmen ginge an Kommunen
Hermann hielt der Union vor, nicht dafür gesorgt zu haben, dass die anderen Länder im Bundesrat bei der Maut mitziehen. "Die Maut macht Sinn, weil die Straßenbelastung durch Lastwagen hoch ist und wir dringend Geld brauchen, um Straßen und Brücken zu sanieren, aber auch, um die Verlagerung auf klimaneutrale Verkehrsmittel zu finanzieren." Der Minister ergänzte, das Geld sei ja nicht nur fürs Land, sondern werde zur Hälfte an die Kommunen gehen. Vor der Einführung der Lkw-Maut auf Bundesebene habe die Wirtschaft genauso argumentiert. "Und heute ist die Maut selbstverständlich und kein wirtschaftliches Problem."
FDP unterstützt die Haltung der CDU
FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke lobte Hagel dagegen: "Es ist ein sehr guter Tag für den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg: Minister Hermanns Abkassier-Träume in Gestalt einer Sonder-Maut auf Landesstraßen und auch auf Kreis- und Gemeindestraßen seien zerplatzt wie eine Seifenblase. Auch die Wirtschaft im Land lehnt die Mautpläne ab.
Hermann rechnet mit 200 Millionen Euro pro Jahr
Die Lkw-Maut wurde in Deutschland 2005 auf den Bundesautobahnen eingeführt und inzwischen auf alle Bundesstraßen ausgeweitet. Sie gilt für Fahrzeuge ab einem zulässigen Gesamtgewicht von 7,5 Tonnen. Bei einer Ausweitung auf Landes- und Kommunalstraßen rechnet Hermann mit Einnahmen von 200 Millionen Euro im Jahr.
Mehrere unabgestimmte Vorstöße
Die Auseinandersetzung über die Lkw-Maut ist die nächste Verstimmung in der Koalition innerhalb weniger Wochen. Unter anderem hatte der CDU-Landesvorstand die Grünen Ende Juni aufgefordert, wegen der Energiekrise längeren Laufzeiten für die drei verbliebenen Atomkraftwerke zuzustimmen. Anfang der Woche stellte dann Hagel infrage, ob die milliardenschwere Sanierung der Stuttgarter Oper wirklich so teuer sein müsse.