Petrischale mit vier aufgezogenen BiontechPfizer-Spritzen (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Peter Kneffel)

Lucha bringt Impfpflicht ab 60 ins Gespräch

Konzept für den Corona-Herbst erst am 1. Juli - Diakonie Baden kritisiert Gesundheitsminister

Stand

Auch nach der Gesundheitsministerkonferenz steht noch kein genauer Plan, wie Bund und Länder Corona nach dem Sommer begegnen wollen. Dennoch betonen die Minister Einigkeit.

Zum Ende der Gesundheitsministerkonferenz (GMK) steht noch kein genauer Plan, wie Bund und Länder dem Corona-Herbst begegnen wollen. Nach zweitägigen Beratungen in Magdeburg (Sachen-Anhalt) haben die Gesundheitsministerinnen und -minister von Bund und Ländern angekündigt, am Freitag (1. Juli) zu einer Sonder-GMK zusammenzukommen. An diesem Tag soll auch der Bericht eines Sachverständigenausschusses zur Beurteilung bisheriger Pandemie-Maßnahmen vorgelegt werden. Erst dann sollen die konkreten Vorbereitungen für den Corona-Herbst beschlossen werden.

Einschätzungen zur Gesundheitsministerkonferenz von SWR-Korrespondent Georg Link aus Berlin:

Baden-Württemberg will Änderung des Infektionsschutzgesetzes

Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern waren am Mittwoch (22. Juni) in Magdeburg (Sachsen-Anhalt) zusammengekommen. Gemeinsam mit Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen drängte die baden-württembergische Landesregierung im Vorfeld darauf, noch vor der parlamentarischen Sommerpause das Infektionsschutzgesetz zu ändern. Nur mit entsprechenden Maßnahmen könne man reagieren, falls die Corona-Infektionszahlen im Herbst deutlich steigen sollten und eine Überlastung des Gesundheitswesens drohe, so Landesgesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) gegenüber dem SWR.

Baden-Württemberg

BW-Landesregierung formuliert klare Ziele Treffen der Gesundheitsminister: Wie geht es mit der Bekämpfung der Corona-Pandemie weiter?

Seit Mittwochnachmittag diskutieren Bund und Länder auf der Gesundheitsministerkonferenz das weitere Vorgehen in der Corona-Pandemie. Aus Baden-Württemberg kamen vorab eindeutige Signale.

Guten Morgen Baden-Württemberg SWR1 Baden-Württemberg

Welche Corona-Maßnahmen können Länder im Herbst einsetzen?

Wenn die Gesundheitsministerinnen und -minister nun am 1. Juli noch einmal zusammenkommen, wird es Insbesondere darum gehen, welche Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung ein überarbeitetes Infektionsschutzgesetz den Ländern ermöglicht. Das bisherige Infektionsschutzgesetz läuft am 23. September aus.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sagte nach der GMK am Donnerstag (23. Juni), dass Bund und Länder sich auf "ein Miteinander" bei den Beratungen über nötige weitergehende Schutzregeln verständigt hätten. Lauterbach betonte, er lege großen Wert darauf, dass die Interessen der Länder berücksichtigt werden und zeigte sich zufrieden, dass sein Sieben-Punkte-Plan für den Herbst bereits auf Zustimmung bei den Länderressortchefs gestoßen sei. Dieser sieht unter anderem tagesaktuelle Daten aus den Krankenhäusern sowie eine Impfkampagne mit angepassten Vakzinen vor. Das sei besonders wichtig, weil Deutschland vor einem "sehr schweren Herbst" stehe. Neben den Auswirkungen des Ukraine-Kriegs sei mit einer "schweren Corona-Welle" zu rechnen, so Lauterbach.

Auch bei den Bürgertests steht noch keine Strategie

In der umstrittenen Frage des weiteren Angebots kostenloser Bürgertests wurde noch kein fertiges Konzept präsentiert. Es solle ein Paket vorgelegt werden, das er noch mit Finanzminister Christian Lindner (FDP) finalisiere, sagte Lauterbach. Der Gesundheitsminister betonte, dass Bürgertests aus seiner Sicht auch über die bisherige Regelung bis Ende Juni hinaus "unbedingt notwendig" seien. Es müsse aber nicht mehr jeder Bürgertest gemacht werden, Tests ohne Anlass sollten eingeschränkt werden.

Lauterbach verwies auch auf eine Vorgabe des Haushaltsausschusses des Bundestags, dass sich die Länder an der bisher nur vom Bund getragenen Finanzierung beteiligen sollen. Die Vorsitzende der Länder-Ressortchefs, Petra Grimm-Benne (SPD) aus Sachsen-Anhalt, machte dagegen deutlich, dass die Länder hierfür keinen Spielraum sähen.

Lucha: Debatte zur Impfpflicht ab 60, wenn angepasster Impfstoff da ist

In einem halben Jahr übernimmt Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manfred Lucha den Vorsitz der GMK. Symbolisch bekam er dafür bereits am Donnerstag (23. Juli) die Glocke zur Eröffnung der Sitzungen überreicht. Gemeinsam mit seinen Kolleginnen und Kollegen aus Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen hatte Lucha zuletzt auch gefordert, über eine Corona-Impfpflicht ab 60 Jahren zu debattieren, um Impflücken zu schließen.

Nach der GMK am Donnerstag (23. Juli) sagte Lucha, man habe besprochen, sich auch der Debatte über eine mögliche Impfpflicht ab 60 Jahren zu stellen, wenn ein Impfstoff zur Verfügung stehe, der an neue Corona-Varianten angepasst sei. Dann will Lucha auch "die Kollegen im Bundestag für diese Debatte gewinnen".

Land und Kommunen: 810.000 Impfungen pro Woche durch Ärzte und Apotheker

Wie groß wird der Bedarf an Corona-Impfungen und Auffrischungsspritzen im Herbst sein? Der Bund rechnet gegenwärtig mit einem bundesweiten Bedarf von rund 50 Millionen notwendigen Impfungen im Herbst 2022. Der Anteil von Baden-Württemberg läge somit bei etwa 6,5 Millionen Impfungen. Bei einer Impfkapazität von rund 810.000 Impfungen pro Woche könnte es Ärzten und Apothekern in Baden-Württemberg gelingen, in acht Wochen die meisten davon zu immunisieren. Das geht aus Zahlen des Landes und der Kommunen hervor, die der Deutschen Presse-Agentur und dem "Badischen Tagblatt" vorliegen.

Die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte haben demnach signalisiert, im Regelbetrieb pro Woche etwa 550.000 Impfungen zu schaffen. In den Apotheken wären 195.000 möglich. Hinzu kommen noch die Privatärztinnen und -ärzte, die 53.000 Menschen innerhalb von sieben Tagen immunisieren könnten, und die Zahnärztinnen und -ärzte mit 12.000 Impfungen. In der vorläufigen Vereinbarung von Land und Kommunen zum Impfkonzept für den Herbst heißt es zudem: "Möglich erscheinen darüber hinaus rund 100.000 Impfungen durch Betriebsärztinnen und Betriebsärzte sowie große Betriebe."

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte am Dienstag (21. Juli) gesagt, man habe nicht vor, die Impfzentren im Herbst wieder zu öffnen. Gesundheitsminister Lucha wollte das hingegen nicht ausschließen. Die Kommunen sind wegen der hohen Kosten eigentlich dagegen.

Impfpflicht im Gesundheitswesen: Diakonie Baden kritisiert Gesundheitsminister

Wegen der einrichtungsbezogenen Impfpflicht kritisierte das Diakonische Werk Baden derweil die GMK. Die Ministerinnen und Minister hätten die Chance vertan, sich bei dem Thema Impfpflicht im Gesundheitswesen neu zu positionieren, hieß es in einer am Donnerstag veröffentlichten Mitteilung der Diakonie. Vorständin Beatrix Vogt-Wuchter sagte, es sei höchste Zeit die einrichtungsbezogene Impfpflicht auszusetzen. Gründe dafür seien, dass sich die Bedingungen gegenüber dem vergangenen Winter grundlegend verändert hätten. Außerdem sei die Impfquote bei Mitarbeitenden in den Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und Einrichtungen für Menschen mit Behinderung überdurchschnittlich hoch.

Sozialministerium hakt nach Wie steht es um die einrichtungsbezogene Impfpflicht in Baden-Württemberg?

Zwar ist die allgemeine Corona-Impfpflicht gescheitert, aber seit Mitte März brauchen Beschäftigte in der Pflege einen Impfnachweis. Vielerorts wird jedoch eher auf Zeit gespielt.

Viel wirkungsvoller als eine rein einrichtungsbezogene sei die allgemeine Impfpflicht. Die Gesundheitsministerinnen und -minister der Länder und des Bundes dürften nicht die Augen davor verschließen, dass eine Impfpflicht für nur wenige Berufsgruppen dazu führe, dass Pflege- und Betreuungsberufe unattraktiver würden und das gesellschaftliche Ansehen dieser Berufsgruppen torpediert werde.

Mehr zum Thema

Baden-Württemberg

BW-Landesregierung formuliert klare Ziele Treffen der Gesundheitsminister: Wie geht es mit der Bekämpfung der Corona-Pandemie weiter?

Seit Mittwochnachmittag diskutieren Bund und Länder auf der Gesundheitsministerkonferenz das weitere Vorgehen in der Corona-Pandemie. Aus Baden-Württemberg kamen vorab eindeutige Signale.

Guten Morgen Baden-Württemberg SWR1 Baden-Württemberg

Baden-Württemberg

Maskenpflicht und Ausgangssperren Kretschmann fordert: Bund soll Corona-Maßnahmen für Herbst ermöglichen

Baden-Württemberg fordert von der Bundesregierung schnelle Vorkehrungen für eine neue Corona-Welle im Herbst. Ministerpräsident Kretschmann erwähnt auch Ausgangssperren.

SWR1 Baden-Württemberg SWR1 Baden-Württemberg

Baden-Württemberg

Impfzentren bleiben zunächst geschlossen Mögliche Corona-Welle im Herbst: BW plant mit über 800.000 Impfdosen

Im Herbst droht eine neue Corona-Welle. Möglicherweise muss dann auch wieder massenhaft geimpft werden. Das Land Baden-Württemberg sieht sich dafür gut vorbereitet.

Stand
AUTOR/IN
SWR