Ein Elternpaar von drei Kindern war vor Gericht gezogen und hat nun Recht bekommen. Ab sofort müssen in Baden-Württemberg "Kontaktpersonen von Kontaktpersonen“ nicht mehr automatisch in Quarantäne, wenn eine Corona-Mutante im Spiel ist. Vor allem geht es dabei um das schulische und familiäre Umfeld.
Worum genau geht es?
Wegen der besonders hohen Ansteckungsgefahr bei den neuen Corona-Varianten hatte die Landesregierung in die "Corona-Verordnung Absonderung“ eine neue Vorschrift aufgenommen. Mit dieser Vorschrift wurde der Kreis derjenigen, die von einer Quarantäne betroffen wären, deutlich weiter gezogen. So mussten sich bei Infektionen mit einer der neueren Corana-Mutationen nicht nur die Kontaktpersonen von Infizierten in Quarantäne begeben, sondern auch die Kontaktpersonen dieser Kontaktpersonen. Also etwa Familienmitglieder aus demselben Haushalt. Dasselbe galt für Kontaktpersonen von Personen, die dem "Schüler-Cluster“ zuzuordnen seien. Das hätte schnell das Ehepaar treffen können, denn es hat drei Kinder in unterschiedlichen Schulen.
Eine Ansteckung eines Mitschülers oder einer Mitschülerin hätte für die Kinder schnell zur Folge haben können, in dieses Schüler-Cluster eingeordnet zu werden. Nach der Regelung der Verordnung wäre damit dann auch eine Quarantänepflicht für die Eltern entstanden. Denn sie sind ja Kontaktpersonen ihrer Kinder. Das ging den beiden zu weit. Sie rechneten vor: Bei 25 Kindern in einer Schulklasse und drei weiteren Haushaltsangehörigen pro Kind hätte eine einzige Infektion in der Klasse zur Folge, dass insgesamt 100 Personen in Quarantäne müssen. Das sei aber medizinisch gar nicht geboten. Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) bestätigte im Ergebnis diese Auffassung.

Wie begründet das Gericht seine Entscheidung?
Die zwangsweise Anordnung einer Quarantäne - oder "Absonderung“, wie es in der Verordnung heißt - ist ein erheblicher Grundrechtseingriff. Solche Eingriffe sind zwar grundsätzlich möglich, aber nur unter strengen Voraussetzungen. Eine dieser Voraussetzungen ist, dass es eine gesetzliche Grundlage dafür gibt. Und genau da sieht der VGH das Problem: Zwar nennt das Infektionsschutzgesetz einige Personengruppen, gegenüber denen eine Quarantäne angeordnet werden kann. Aber laut Beschluss unterfallen die Kontaktpersonen von Kontaktpersonen keiner dieser Gruppen.
So sei ein "Ansteckungsverdächtiger“ eine Person, von der "anzunehmen sei, dass sie Krankheitserreger aufgenommen habe, ohne krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider zu sein." Genau das könne man aber gerade bei "Kontaktpersonen von Kontaktpersonen“ nicht ohne weiteres unterstellen. Das sehe auch das Robert-Koch-Institut so. Die Landesregierung habe keine Tatsachen benannt, die eine davon abweichende Auffassung begründen würden. Daher gebe es eben keine Gesetzesgrundlage, die einen solchen Eingriff rechtfertige.
Was genau folgt aus dem Beschluss?
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit seiner Entscheidung die entsprechende Regelung der baden-württembergischen "Corona-Verordnung Absonderung“ vorläufig außer Vollzug gesetzt. Das hat zur Folge, dass diese Entscheidung nicht nur das klagende Ehepaar betrifft, sondern alle Menschen in Baden-Württemberg. Denn mit der Entscheidung des VGH gibt es zum jetzigen Zeitpunkt keine Vorschrift mehr, die den "Kontaktpersonen der Kontaktpersonen“ vorschreibt, sich abzusondern. Das hat auch zur Folge, dass alle, die sich auf Grundlage dieser Vorschrift aktuell in Quarantäne befinden, diese nun wieder verlassen dürfen. Der Beschluss ist unanfechtbar. Das bedeutet, im Eilverfahren kann die Landesregierung auch nichts weiter unternehmen. Die entsprechende Passage der Verordnung ist gekippt.